Verschwörungstheorien
Rizinöser Apfelsaft
Rizinöser Apfelsaft
Nach meiner Schulter-OP vor zehn Jahren verbrachte ich noch einige Tage in der Uniklinik in Marburg. Ein Side-Effect meines zumeist liegenden Aufenthalts war, dass neben meinem Kreislauf auch die Peristaltik meines Magen-Darmtrakts stark heruntergefahren war. Das bedeutet, die tägliche orale Nahrungsaufnahme funktionierte, aber irgendwo auf dem Weg zur gegenüber liegende Körperöffnung hatte sich ein Stillstand eingestellt.
Ich weiß nicht, wann Ihr das letzte Mal drei Tage ohne Bewegung im Bett gelegen habt. Aber irgendwann stellt man sich die Überlegung an, wie das weitergehen soll und was die Folgen für die unteren Verdauungsorgane sein könnten. Wer weiß schon, wie groß (in Kubikmetern) das Fassungsvermögen des Dickdarms war?
Um der Peristaltik auf die Sprünge zu helfen, bietet sich Bewegung an. So sind zum Beispiel keine Fälle von Verstopfung bei Trampolinspringern bekannt. Das regelt sich von alleine! Was bei mir ja normalerweise hilft, ist Kaffee. Der aufmerksame Leser vermutet richtig. „Normalerweise“ heißt hier: nicht in diesem Fall!
Am dritten Morgen fragte ich das Personal beim Abräumen des Frühstücks, ob es sich beim servierten Kaffee denn um koffeinfreien handele. Die zuständige Schwester bejahte dies. Wie ich denn darauf komme. Naja, drei Tage ohne WC-Besuch seien bei mir nun mal selten und ich habe eigentlich eine sehr koffeinaffine Peristaltik. Ah so! Sie verstehe. Sie werde mir dann mal einen warmen naturtrüben Apfelsaft bringen – zwinker, zwinker. Das werde schon helfen!
What…?! Warmer Apfelsaft? Zwinker, zwinker? Hatte ich da etwas verpasst? Wo war ich hier doch gleich? „Ergänzen Sie bitte möglichst spontan!“ Krankenhaus, Verstopfung, Schulmedizin…! Na? Naturtrüber Apfelsaft, natürlich! Konnte man mir, wo ich schon mal im Krankenhaus war, nicht ein seriöses Angebot gegen meine Verstopfung anbieten? Warmer Apfelsaft? Sah ich so naiv aus? Ich glaubte ja auch nicht an „Brustvergrößerung durch Handauflegen“, obwohl ich das Jahrelang praktiziert hatte.
Fünf Minuten später hatte ich ein Glas mit warmem, naturtrübem Apfelsaft in der Hand. Ich sagte artig Danke und lächelte dazu. Nun gut. Was konnte es schon schaden? Meine Erwartungshaltung war so gering, dass sie enttäuscht werden musste. Denn kaum runtergeschluckt, spürte ich schon ein Rauschen im Magen. Kann man ein Rauschen im Magen spüren? Ohhh ja! Hmm, interessant! Kurz nach dem Magen kommt der Zwölffingerdarm. Das ist zwar nichts Neues, aber gespürt und gehört hatte ich ihn, meiner Erinnerung nach, noch nicht derart deutlich. Hmm, hört, hört!
Gedanklich und akustisch (!) folgte ich dem Saft auf dem Weg durch meine Innereien: Dünndarm (aha!). Zum Rauschen kamen ein Zischen und Gurgeln, sodass mein Zimmernachbar aufwachte, also der im Nachbarzimmer!
(*Anmerkung: In meiner Zeit in Sachsen-Anhalt lernte ich den schönen Ausdruck „Wanstrammeln“ für Bauchschmerzen kennen. Dies war so ein Moment, in dem es ordentlich in meinem Wanst rammelte!)
Ich hörte ein Klappern. Hmm, was das die Bauhin-Klappe gewesen? Dann hatte das Reinigungskommando jetzt den Dickdarm erreicht. Wie lange blieb mir wohl noch, wenn der Apfelsaft in gleichen Geschwindigkeit die restlichen 1,5 Meter Dickdarm zurücklegte? Ich sparte mir den schriftlichen Rechenweg und ging vorsichtshalber direkt aufs Klo. Gute Entscheidung! Denn eine knappe Minute später war ich auch schon meine dreitägigen Sorgen los.
Soso! dachte ich. Warmer naturtrüber Apfelsaft also…? Nicht schlecht! – Aber aber! nörgelte mein inneres Team für Misstrauen und Verschwörungstheorien. Vielleicht lachten sich die Schwestern auf dem Schwesternzimmer auch bereits kaputt, da sie mir, natürlich unbemerkt, einige Tropfen Rizinusöl in den Saft geträufelt hatten. Hmm, ja was denn nun…?!
Als ich aus dem Krankenhaus kam, befragte ich meine Oma, was sie denn davon halte. Ihre Antwort: „Ich hätte dir eine Flasche Bier verschrieben! Denn: Hopfen sorgt für freie Fahrt!“
Und wer erinnert sich nicht an eine solche Hopfensituation? Am Morgen nach einer bierseligen Nacht geht einem besagtes Geschäft doch recht leicht vom Darm!
Die Frage bleibt, hätte mir die Schwester im Krankenhaus auch wahlweise ein Bier ans Bett gebracht? Vielleicht ein naturtrübes…? Vielleicht beim nächsten Mal…!
Fundstücke in Fernwest – Heuchelärsche
Fundstücke in Fernwest – Heuchelärsche
Es ist ja inzwischen in vielen Ländern üblich, dass Zigaretten und alkoholische Getränke auf ihren Verpackungen darauf hinweisen müssen, dass ihr Genuss gesundheitsschädlich ist (der Genuss der Verpackungen meistens auch). So habe ich folgenden Satz auf einer peruanischen Bierflasche gefunden: „Tomar bebidas alcohólicas en exceso es dañino.“ Tatsächlich…? „En exceso“…? Exzessiv…? Was hat wohl die Alkohollobby für diese Zusatzformulierung gezahlt? Freibier für die Regierung?
Was soll denn dieses „en exceso“? Das sagt uns doch: Ach, na klar, diese Assis, dieser Abschaum, diese gemeingefährlichen Profi- und Vollkontaktalkoholiker! – Die gesamtgesellschaftlichen Rest- und Teilzeitalkoholiker werden völlig verniedlicht. Ach, ist er nicht süß…?! Drollig der Kleine…! Klingt ein bisschen wie: „Der will doch bloß spielen!“ Na sicher! – „En Exceso“…? Da hätten sie auch gleich noch „vielleicht“ oder „angeblich“ vors „dañino/ schädlich“ einfügen können.
Aber mal im Ernst. Bei dieser Formulierung ist doch nicht nur Alkohol sondern auch Bier geflossen, äh, Geld natürlich. Da kommt doch niemand nüchtern und oder unbestochen drauf. Aber wenn man sich dazu äußert und sich drüber aufregt, wird man direkt als „Verschwörungstheoretiker“ beschimpft. Das Fiese daran ist, dass das inzwischen gesellschaftlich als vorverurteilende Beleidigung zugelassen ist. Völlig egal, worum es inhaltlich geht und wie berechtigt die Vorwürfe sind. „Bah! Verschwörungstheorien!“ Und weg sind die Einwände. Ohne weitere Argumentation oder gar Prüfung! Aufklärung ist ohnehin überbewertet und schrecklich lästig. Da kommen doch immer nur hässliche Sachen bei raus…!
Eine andere schöne Beschimpfung ist „Konsumverweigerer“. Erst die Sozialsysteme zusammen streichen, den Niedriglohnsektor ausbauen und dann das Volk beschimpfen, den guten alten Konsum zu verweigern. Schon eine freche Nummer! Aber es funktioniert. Weil das Volk immer noch diesen neoliberalen Drecksäcken glauben schenkt. Die mögen vielleicht auch wissen, was das Beste fürs Volk ist. In erster Linie wissen sie aber, was das Beste fürs Kapital ist. Und das ist meist nicht deckungsgleich! Fangt ihr kapital- und obrigkeitshörigen Heuchelärsche doch endlich damit an, das Vermögen zu besteuern. Und hört mit den einfallslosen Lügen auf, dass so ein Gesetz die Mittelschicht und Omas Tafelsilber beträfe. Damit soll doch bloß, wie üblich, Angst gemacht werden! Aber solange auch diese stumpfe Angstmasche funktioniert, muss man sich anscheinend keine neue Strategien überlegen. Aber das Besteuern der Vermögen ist eine simple und äußert effektive Aktion und schon hätten wir Geld für Kitas, neue Straßen, schnelles Internet, menschenwürdige Löhne und Überlandtrassen. Ach ne, die sollen die Stromkonzerne schön selber zahlen, diese blöden Fortschrittsverweigerer. Diese sympathischen Konzerne habe ja unlängst der Regierung vorgeschlagen, auf eine Klage wegen des Atomausstiegs zu verzichten, wenn der Staat sich bereit erklärt, dafür ihren Atommüll zu übernehmen, mit dem sie sich Jahrzehntelang den Arsch vergoldet haben. Ist doch mal ein faires Angebot. Sag mal, geht’s noch?!
Und wie darf man eigentlich ungestraft von „Ökodiktatur“ (und „Windenergiemafia“) sprechen? Was soll denn überhaupt ein Ökodiktator sein…?! Wie wär’s denn noch mit „Atomkraftmörder“ oder „Kohlekumpelkiller“? Geht’s noch blöder…?! Dann darf ich doch auch im Gegenzug völlig unreflektiert und inhaltsleer JEDEN CSU-Politiker als Nazischwein bezeichnen. Das ist doch ähnlich abwegig und übertrieben.
Da steckt doch ein System dahinter!
Und warum gibt’s in Peru im Flugzeug keinen Tomatensaft?! Das kann doch alles kein Zufall sein! Alter, ich verschwöre…!
Du bist so dumm wie die Yahoo-Startseite
„Du bist so dumm wie die Yahoo-Startseite!“
So eine Beschimpfung würde ich ja gerne mal auf der Straße hören! „Ej Alter, du bist so dumm wie die Yahoo-Startseite!“ Fände ich echt gut. Aber im Ernst: Kennt ihr etwas Dümmeres als die Yahoo-Startseite? Was einem dort als Nachrichten oder News verkauft wird, ist mit das Dümmste, was ich je erlebt habe. Und die schaffen das jeden Tag! Ist gar nicht so einfach, so ein Niveau zu halten. Nicht dass ein „Redakteur/20 jährige Praktikantin“ aus Versehen mal einen vernünftigen Artikel postet. Und schon wäre der Ruf ruiniert!
Da ich meine Mails noch immer über Yahoo bediene, darf ich regelmäßig Zeuge dieser allgegenwärtigen Dummheit werden. Beruhigend dass es in unserer schnelllebigen Zeit noch auf etwas Verlass ist. Ich möchte fast von einer Kulturkonstante sprechen.
Jedenfalls gewinnt man den Eindruck (bei zuviel Lektüre der Seite, nein, nennen wir es Lesen), dass das Weltbewegendste irgendwelche Brüstchen sind, die versehentlich in Kameras hüpfen. Yahoo titelt dann, dass irgendein Stern oder Sternchen oder auch nur Lichtlein einen sogenannten „Busenblitzer“ gehabt habe. Schockierend! Wie soll man mit diesem Wissen unfallfrei durch den Tag kommen?
Ob diese 20 jährigen Praktikantinnen-Schreiberlinge überhaupt eine Ahnung haben, welcher Körperteil eigentlich genau mit Busen gemeint ist? Ich glaube, sie meinen Titten, würden aber so ein Wort niemals benutzen! Oh Gott nein! Und darin liegen zwei elementare (!) Fehler:
1. Was soll die verfickte amerikanische Doppelmoral?! Die befeindete Welt mit Wirtschaftskriegen überziehen, die befreundete Welt ausspionieren, das alles um irgendwelche Werte zu schützen (hä …???). Aber wenn’s um Titten geht, christliche (?) Moralanfälle kriegen…?! Ist doch bloß (größtenteils) unschuldiges Silikon!
2. Der Busen, Einzahl, ist ursprünglich der Part/ die Einwölbung/ die Bucht zwischen den Brüsten. Daher auch die Bedeutung Meerbusen. Nein, dem Meer wachsen keine Brüste, sondern dort befindet sich eine Bucht! Und der kaum noch benutzte Ausdruck „Busenfreund“ heißt nicht, dass meinem Kollegen plötzlich Titten gewachsen sind, sondern dass man sich nahe ist, dass man sich in die Arme nimmt, ihn sich an den Busen drückt, Brust an Brust, nicht Titte an Titte.
Fragt mal ein 14jähriges Mädchen, ob es weiß, wofür „BH“ steht. Aber das führt zu weit. Worauf wollte ich hinaus? Ach ja, Yahoo und Verdummung. Also der 20jährigen Praktikantin, die so einen Scheiß ganz seriös recherchiert und niederschreibt, traue ich die Dummheit zu. Aber die Frage ist doch: Wer steckt hinter dieser Verdummung? Woher kommt das Interesse, sein Publikum derart verdummen und einlullen zu wollen?
Es handelt sich, meines Erachtens, um eine systematische und konzeptuelle Verdummungs- und Desinformationsstrategie! (Dafür braucht man gar nicht viele Verschwörungstheorien.) Ein dummes Volk geht nicht auf die Straße. Wofür auch?! Sagt irgendjemandem das Konzept „Brot und Spiele“ noch etwas? Nichts weiteres passiert heute, nur nennt man es heute „Tittytainment“.
Erst fällt Schumi beim Skifahren auf einen Felsen und die Medien fragen wochenlang: Wie gefährlich ist Skifahren und was können wir tun, um uns besser zu schützen? Dann fällt unsere Kanzlerin beim Skilanglauf auf den Po und die Medien fragen: Wie gefährlich ist Skilanglauf und was können wir zu, um uns besser zu schützen? Und gleichzeitig schingeln die Interessenvertreter der mächtigsten Unternehmen der Welt ein Freihandelsabkommen aus. Klingt das nicht süß? Freihandelsabkommen, niedlich oder? Aber wo sind die Medien, die jeden verdammten Tag nachfragen: Wie gefährlich ist das Freihandelsabkommen und was können wir tun, um uns besser zu schützen?! Na…?!
Helmpflicht bei Skilanglauf, Maut für ausländische Bobbycars, verschärfte Busenblitzerauflagen bei Oscarverleihung, Botox jetzt auch für ein schöneres Gehirn? Die verarschen uns doch von oben bis unten!
Aber es scheint zu funktionieren! In Asuncion hat mir ein Paraguayo sein Leid über die Chicas paraguayas geklagt, sie seien zwar „bonitas“ dafür aber auch „superficiales, tontas y interesadas“! Also „hübsch“ aber „oberflächlich, blöd und (an Geld) interessiert“! Wenn das keine perfekte Kombination ist: blöd aber konsumgeil! Sollten wir alle so sein oder werden? Keine Sorge, wir sind auf einem guten Weg!
Bem vindo – segunda parte!
Bem vindo ao Brasil, segunda parte!
Ich will dem Schicksal nicht undankbar sein! Was hätte ich denn zu erzählen, wenn immer alles klappen würde…?! Und außerdem: Sachen gehen nun einmal kaputt! Das soll uns auf einer anderen Ebene mit der Endlichkeit aller Existenz konfrontieren… Meinen Ärger mit ein paar blöden Sprüchen zu besänftigen, funktioniert allerdings auch nicht immer.
Nach meiner Ankunft in Trindade und meinem ersten Hallo bei den Bagnewskis, gehe ich durch das Örtchen und suche mir eine Unterkunft. Nach einem Stündchen im Internet treffen wir uns dann an einem schönen Strand. Als ich abends meinen Rechner hervorhole, der auf dem Boden meines Zimmers zum Aufladen lag, hat er einen Riss im Bildschirm, so als wäre jemand draufgetreten. (Der Rechner ist noch zu benutzen, d.h. seine Funktionsfähigkeit ist nicht beeinträchtigt (er ist noch immer langsam), nur ist auf 12 Uhr ein Eurostück großer schwarzer Fleck und von dort aus ein Riss nach unten.)
Da ich mich als Verdächtigen ausschließen kann, muss ich jemand anderen verdächtigen. Ich frag beim Hostel, ob jemand in meinem Zimmer gewesen wäre, zum Putzen oder so! Nein, ist die Antwort. Na, was hatte ich erwartet? Geständnis mit Zeugenschutzprogramm?
Als ich kurz darauf in meinem Zimmer ins Bad gehe, fällt mir etwas Merkwürdiges auf: Denn da ist ja eine Tür in der Duschkabine. Okay, klingt nicht merkwürdig. Denn da gehört sie auch hin. Merkwürdig nur, dass, als ich heute morgen eine Dusche genommen habe, genau diese Tür noch nicht da war, sondern nur das Seitenteil, so eine halbe, gläserne Trennwand. Ich erinnere mich daran, dass ich mich darüber gewundert hatte und das Bad dadurch ganz nass geworden war. Oder bilde ich mir das ein…? – Ich stehe im Bad und sehe diese Glastür und bin verwirrt: Oder war die heute morgen doch schon da? Ich bin mir einigermaßen sicher, dass sie es noch nicht war! Ich spreche noch mal mit dem Hosteleigentümer und frage direkt nach dieser Glastür, ob die heute eingebaut worden ist (nicht ganz einfach diese Frage, wenn man kein portugiesisch kann). Nein! Wie Glastür… nein nein nein! – Hmm?! Was soll ich tun? Was kann ich tun? Und was bringt das ein? Dreimal Nichts! – Fühle mich ein bisschen so ohnmächtig wie gestern am Flughafen in Quito! Ich zucke mit den Achseln: Was soll’s?! In Gedanken hole ich die Kreditkarte heraus und kaufe halt noch ein Flugticket! Die Leute haben recht: Brasilien ist echt teuer!
Es ist gibt natürlich auch eine viel einfachere Erklärung für das Ganze und sie kommt vollends ohne Verschwörungstheorien aus: Ich bin bescheuert und bilde mir das bloß ein! Was allerdings eine viel schwerer zu akzeptiere Wahrheit wäre…
Saudações de sol! Grüße von der Sonne! (Das kommt dabei raus wenn man „sonnige Grüße“ bei google-translator eingibt!)