Doppelmoral

Kleiner Grenzverkehr, Teil 4

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Kleiner Grenzverkehr, Teil 4

In Punta del Diablo traf ich drei Norddeutsche, die gerade aus Brasilien nach Uruguay eingereist waren. Sie wollten ein paar Tage in Uruguay verbringen, bevor es dann weiter nach Buenos Aires gehen sollte. Sie führten, während ich am gleichen Tisch saß, eine interessante Diskussion. Interessant deshalb, weil ich ähnliche Gespräche auch immer mit meinem inneren Team führe. Ihr kennt vielleicht diese Drecksäcke Einerseits und Andererseits, die einfach nicht die Fresse halten können.
Die Jungs waren über Chui/ Chuy eingereist. Der Ort hat zwei Schreibweisen, eine portugiesische und eine spanische, weil er genau auf der Grenze liegt. Und ihnen ist so etwas Ähnliches wie mir zwischen Paraguay und Argentinien passiert (siehe https://tommiboe.wordpress.com/2014/01/14/kleiner-grenzverkehr-teil-3/). Der grenzübergreifende Bus hielt zwar auf der brasilianischen Seite zum Pässestempeln aber nicht auf der uruguayischen, sondern fuhr einfach direkt weiter zum Busterminal. Ohne weiter zu überlegen, fuhren die drei nach Punta del Diablo, was ungefähr eine Stunde von der Grenze entfernt liegt.

Ich hatte ihnen gerade von meinem letzten Grenzverkehr berichtet und noch eine Episode erzählt, dass die Argentinier recht humorlos sein können, wenn ihnen ein Stempel fehlt, und sich im Gegenzug ihre Humorlosigkeit ordentlich bezahlen lassen.
Angefeuert durch meine Berichte entfachte sich eine lebhafte Diskussion darüber, was sie nun tun sollten. Während einer der drei meinte, am besten sei es wohl, gleich am nächsten Tag zurück nach Chui/ Chuy zu fahren und sich die uruguayischen Einreisestempel abzuholen, war ein anderer dafür, einfach ganz entspannt abzuwarten, was eine Woche später bei der Ausreise passieren würde. Getreu dem Motto: „No risk, no fun!“ oder „Was willste denn mal deinen Enkeln erzählen…?!“ Der dritte von ihnen schwankte noch in seiner Meinung, sodass die möglichen Ausreiseszenarien ein paar Mal durchgespielt wurden. Ich spielte ein bisschen mit, brachte zusätzliche Argumente ein und fand den Gedanken total spannend, wie das wohl ausgehen würde.
Schließlich, nachdem ein Hostelmitarbeiter meinte, es würde höchstens 800 Peso Strafe kosten (knapp 30€), einigten sie sich auf die Risikovariante, also: einfach Weiterreisen! (Wobei ich persönlich die Aussage des belgischen Surfers/ Hostelmitarbeiters nicht sonderlich überzeugend oder kompetent fand. Aber manchmal reicht ja eine moralisch-symbolische Unterstützung völlig aus, um eine Entscheidung zu treffen.)
Ich rang den dreien noch das Versprechen ab, mir mitzuteilen, wie und mit welchen Komplikationen der anstehende Grenzverkehr ablaufen würde. Das würde hoffentlich eine nette Episode für meine Rubrik „kleiner Grenzverkehr“ geben. Also „hoffentlich“ natürlich aus meiner und nicht aus ihrer Sicht! Denn eventuelle Grenzschwierigkeiten würden eine Geschichte selbstverständlich entschieden interessanter machen.
Gut eine Woche später erhielt ich die Nachricht, dass alles ohne Probleme und ohne Kosten abgelaufen sei. Laaaangweilig! Diese Urus sind einfach zu nett. Denen waren es also völlig egal, dass die Jungs ohne Einreisestempel durch ihr Land tourten. So eine lockere Einstellung macht die Urus natürlich sehr sympatisch. Man stelle sich so etwas in einem anderen südamerikanischen Land oder spaßeshalber mal in den USA vor…! Aber auch deutsche Behörden sind, wenn man nicht gerade EU-Bürger ist, in solchen Angelegenheiten ziemlich humorbereinigt.
Aber in Uruguay scheint das alles, ganz harmlos zu sein. Denn hier ticken die Uhren ohnehin eine Nuance entspannter. Allein ihr Präsident, José Mujica, ist eine spezielle Nummer. „Pepe“ Mujica ist ein „Staatsdiener“, der die Bedeutung dieses Titels tatsächlich verstanden hat und diesen Namen im Gegensatz zu der seelenlosen Politikerkaste auch wirklich verdient. So verzichtet er auf 90 % seines Gehalts, fährt noch seinen uralten VW-Käfer, hat Bolivien und Paraguay einen eigenen Überseehafen auf uruguayischem Boden angeboten, um deren Entwicklungschancen zu verbessern (siehe https://tommiboe.wordpress.com/2014/01/13/fundstucke-aus-fernwest-hafengeschenke/), und hat in einem besonders kalten Winter Obdachlose auf seine Finca eingeladen. Zudem liegt das Land gerade mit der UN im Clinch, weil es Marihuana legalisiert. Lässt sich aber von der globalisierten Doppelmoral nicht einschüchtern, sondern zieht die Sache konsequent durch, weil es ihm vernünftig erscheint! Scheiß auf die Meinung der USA und ihrer Freunde oder Ex-Freunde…
Bravo! Uruguay hat also entschieden mehr zu bieten als „drei U auf engstem Raum“ (Funny van Dannen)!

 

Du bist so dumm wie die Yahoo-Startseite

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„Du bist so dumm wie die Yahoo-Startseite!“

So eine Beschimpfung würde ich ja gerne mal auf der Straße hören! „Ej Alter, du bist so dumm wie die Yahoo-Startseite!“ Fände ich echt gut. Aber im Ernst: Kennt ihr etwas Dümmeres als die Yahoo-Startseite? Was einem dort als Nachrichten oder News verkauft wird, ist mit das Dümmste, was ich je erlebt habe. Und die schaffen das jeden Tag! Ist gar nicht so einfach, so ein Niveau zu halten. Nicht dass ein „Redakteur/20 jährige Praktikantin“ aus Versehen mal einen vernünftigen Artikel postet. Und schon wäre der Ruf ruiniert!
Da ich meine Mails noch immer über Yahoo bediene, darf ich regelmäßig Zeuge dieser allgegenwärtigen Dummheit werden. Beruhigend dass es in unserer schnelllebigen Zeit noch auf etwas Verlass ist. Ich möchte fast von einer Kulturkonstante sprechen.
Jedenfalls gewinnt man den Eindruck (bei zuviel Lektüre der Seite, nein, nennen wir es Lesen), dass das Weltbewegendste irgendwelche Brüstchen sind, die versehentlich in Kameras hüpfen. Yahoo titelt dann, dass irgendein Stern oder Sternchen oder auch nur Lichtlein einen sogenannten „Busenblitzer“ gehabt habe. Schockierend! Wie soll man mit diesem Wissen unfallfrei durch den Tag kommen?
Ob diese 20 jährigen Praktikantinnen-Schreiberlinge überhaupt eine Ahnung haben, welcher Körperteil eigentlich genau mit Busen gemeint ist? Ich glaube, sie meinen Titten, würden aber so ein Wort niemals benutzen! Oh Gott nein! Und darin liegen zwei elementare (!) Fehler:
1. Was soll die verfickte amerikanische Doppelmoral?! Die befeindete Welt mit Wirtschaftskriegen überziehen, die befreundete Welt ausspionieren, das alles um irgendwelche Werte zu schützen (hä …???). Aber wenn’s um Titten geht, christliche (?) Moralanfälle kriegen…?! Ist doch bloß (größtenteils) unschuldiges Silikon!
2. Der Busen, Einzahl, ist ursprünglich der Part/ die Einwölbung/ die Bucht zwischen den Brüsten. Daher auch die Bedeutung Meerbusen. Nein, dem Meer wachsen keine Brüste, sondern dort befindet sich eine Bucht! Und der kaum noch benutzte Ausdruck „Busenfreund“ heißt nicht, dass meinem Kollegen plötzlich Titten gewachsen sind, sondern dass man sich nahe ist, dass man sich in die Arme nimmt, ihn sich an den Busen drückt, Brust an Brust, nicht Titte an Titte.
Fragt mal ein 14jähriges Mädchen, ob es weiß, wofür „BH“ steht. Aber das führt zu weit. Worauf wollte ich hinaus? Ach ja, Yahoo und Verdummung. Also der 20jährigen Praktikantin, die so einen Scheiß ganz seriös recherchiert und niederschreibt, traue ich die Dummheit zu. Aber die Frage ist doch: Wer steckt hinter dieser Verdummung? Woher kommt das Interesse, sein Publikum derart verdummen und einlullen zu wollen?
Es handelt sich, meines Erachtens, um eine systematische und konzeptuelle Verdummungs- und Desinformationsstrategie! (Dafür braucht man gar nicht viele Verschwörungstheorien.) Ein dummes Volk geht nicht auf die Straße. Wofür auch?! Sagt irgendjemandem das Konzept „Brot und Spiele“ noch etwas? Nichts weiteres passiert heute, nur nennt man es heute „Tittytainment“.
Erst fällt Schumi beim Skifahren auf einen Felsen und die Medien fragen wochenlang: Wie gefährlich ist Skifahren und was können wir tun, um uns besser zu schützen? Dann fällt unsere Kanzlerin beim Skilanglauf auf den Po und die Medien fragen: Wie gefährlich ist Skilanglauf und was können wir zu, um uns besser zu schützen? Und gleichzeitig schingeln die Interessenvertreter der mächtigsten Unternehmen der Welt ein Freihandelsabkommen aus. Klingt das nicht süß? Freihandelsabkommen, niedlich oder? Aber wo sind die Medien, die jeden verdammten Tag nachfragen: Wie gefährlich ist das Freihandelsabkommen und was können wir tun, um uns besser zu schützen?! Na…?!
Helmpflicht bei Skilanglauf, Maut für ausländische Bobbycars, verschärfte Busenblitzerauflagen bei Oscarverleihung, Botox jetzt auch für ein schöneres Gehirn? Die verarschen uns doch von oben bis unten!
Aber es scheint zu funktionieren! In Asuncion hat mir ein Paraguayo sein Leid über die Chicas paraguayas geklagt, sie seien zwar „bonitas“ dafür aber auch „superficiales, tontas y interesadas“! Also „hübsch“ aber „oberflächlich, blöd und (an Geld) interessiert“! Wenn das keine perfekte Kombination ist: blöd aber konsumgeil! Sollten wir alle so sein oder werden? Keine Sorge, wir sind auf einem guten Weg!