Freiheitsenergien
Der Wind von „Freiheitsenergien“ weht über unser Land
Uhhh, Christian Lindner! Hast du das wirklich getan…?! Hast du tatsächlich von Erneuerbaren Energien als „Freiheitsenergien“ gesprochen und sie als Antwort auf die Abhängigkeit von fossilen Energieimporten ins Spiel gebracht? Du, alter Visionär!
Zu solchen freiheitlichen Erkenntnissen bedarf es also eines Krieges!
Deutschland gibt jährlich ca. 60 Milliarden Euro für Importe fossiler Energien aus. Das Fraunhofer Institut berechnet für die Jahre 1990-2015 insgesamt 1,17 Billionen Euro für deutsche Energie-Importe und dreht die beliebte Frage nach den Kosten der Energiewende um und fragt „Was kostet keine Energiewende?“
Diese gegebenen und ganz normalen Zusammenhänge zwischen Importabhängigkeit und Ausbau Erneuerbarer Energien hat jetzt also Christian Lindner entdeckt. Vielleicht sollte er schnell ein Start-Up gründen, bevor andere den Zusammenhang erkennen. Den Begriff „Freiheitsenergie“ hat er sich vermutlich schon schützen lassen…
Au Männ! Blöd, dass ausgerechnet Lindners FDP-Landesverband gemeinsam mit der CDU in NRW für jene Abstandsregel verantwortlich ist, die quasi jeglichen Ausbau der Windenergie in NRW verhindert! Hmmm, plötzlich ganz schön eingeschränkte Freiheitsenergien, möchte ich meinen.
Aber wollen wir Christian Lindner und seine Partei an ihren Taten messen. Und ich bin gerne bereit, ihm nach dem Einlösen seiner Versprechen ein gutes Zeugnis auszusprechen. Also, dann komm in die Hufe, Christian!
Political Overcorrectness
Political Overcorrectness
In Zeiten, in den Hass und Häme ungezügelt das Internet verschmutzen und sachliche Auseinandersetzungen unmöglich machen, existiert am anderen Ende der Diskursskala die „Political Overcorrectness“. Denn inzwischen gibt es viele Menschen, die sich gar nicht mehr trauen, ihre Meinung öffentlich zu sagen, weil es ja irgendjemand da draußen falsch verstehen könnte. Und da die Lust auf Falschverstehen und Missinterpretieren immer größer und lauter wird, werden andere immer vorsichtiger.
Ich durfte gerade selber Zeuge und Opfer dieser Poltical Overcorrectness werden. Für die Jahresschrift unserer Schule hatte ich einen (schon vorher geschriebenen) Artikel eingereicht, einen ironischen Text über meine persönlichen Wachkomaerfahrungen während der Abituraufsicht mit dem poetischen Titel „die Langeweile des Todes„. Jetzt lagen die frischen Jahresschriften aus und es fehlte darin: mein Artikel. Okay, interessant…! Ich fragte daraufhin die zuständigen Kolleginnen, was denn zu meiner Zensur geführt hätte. Und, nun ja, wie soll ich es sagen, die Antwort war einigermaßen unbefriedigend. Viele „Womöglichs“, „Vielleichts“ und „unter Umständen“ reihten sich im Konjunktiv und versuchten, Bedenken über Interpretationsmöglichkeiten, die mein Text zuließ, zu formulieren. Kern der Bedenken war, dass womöglich einige Eltern den Eindruck gewinnen könnten, dass sich Lehrer:innen über ihre langweiligen Aufsichtspflichten beschweren würden, und dass das einige Eltern unter Umständen unangemessen finden könnten (Meckern auf hohem Niveau), da wir Lehrer:innen doch froh, zufrieden und dankbar ob unseres krisensicheren Jobs sein könnten/ sollten/ müssten oder so ähnlich und überhaupt!! Also, zumindest einzelne Eltern, also eventuell…!
Und um diesen eventuellen konjunktivistischen Elternreaktionen in vorauseilendstem Gehorsam vorzubeugen, um Anlass und Anstoß zu vermeiden, wurde auf meinen Artikel verzichten, quasi aus Sicherheitsgründen und der Logik folgend, dass eine möglichst glattgebügelte und oberflächliche Jahresschrift keine Angriffsfläche bietet. Na, bravo!
Stellt sich mir die Frage: Wer bestimmt letzten Endes den Diskurs? Die lauten dreisten, die sich ohnehin nicht den Mund verbieten lassen, oder die leisen vorsichtigen, die zwar die deutliche Mehrheit in der Gesellschaft vertreten, sich aber nicht mehr trauen, aus Angst vor einem möglichen Shitstorm, den Mund aufzumachen?
Und da auch dies ein Prozess ist, stellt sich die Anschluss- und Abschlussfrage: wohin führt diese Political Overcorrectness? Wird den lautesten und hässlichsten Stimmen der öffentliche Diskurs dadurch letztlich überlassen…?
97% aller Lügen entsprechen nicht den Tatsachen!
97% aller Lügen entsprechen nicht den Tatsachen!
Untertitel: Aber was ist mit den anderen drei Prozent? Kann man jetzt nicht einmal mehr den Lügen vertrauen…?!1!
Neulich habe ich diesen Post gelesen: „97% of Scientists agree with Whoever is Funding Them!“ und mein erster Reflex war, dem direkt zuzustimmen. Denn sofort kam mir der Spruch in den Sinn „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing!“ – Und vielleicht denkt man auch an die Wissenschaftler:innen, die im Dienste der Tabakindustrie tätig waren und die Kohle- und Ölinteressen unterstützen…
Aber wie das so ist mit den ersten Reflexen, sie sind zwar die schnellsten, aber nicht immer die hellsten! Denn selbst wenn in der obigen Aussage ein Funken Wahrheit stecken mag, so ist sie doch insgesamt ein krasses Misstrauensvotum an die Wissenschaft generell und auch sinnbildlich für unsere derzeitige Debattenkultur, in der Vertrauen, sei es in Wissenschaft, Presse oder gar Politik, zunehmend beschädigt ist und wird. Meiner Ansicht nach, kann man aktuell von einem gesellschaftlichen Vertrauensverlust sprechen. Und so funktioniert auch der Post.
Aber erst mein dritter Gedanke wies mich darauf hin, woher mir diese „97% Wissenschaftler:innen“ bekannt vorkamen. Denn im Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Anerkennung des menschengemachten Klimawandels wird genau diese Zahl immer wieder genannt, nämlich diese 97% der Klima-Wissenschaftler:innen. Zufall also, dass in obigem Post auch von genau 97% die Rede ist? Eher nicht! Klares Ziel dieses Posts soll ja gerade sein, die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft zu beschädigen.
Auch kein Zufall und auf seltsame Art geradezu putzig, dass in vielen Veröffentlichungen im Internet immer wieder die Richtigkeit dieser 97% der Klima-Wissenschaftler:innen angezweifelt wird, aber nicht die Richtigkeit des menschengemachten Klimawandels. Als ob es wichtig wäre, ob es nun 97, 93 oder 99% der Klima-Wissenschaftler:innen sind. Aber auch hier geht’s um die Macht des Zweifels. Denn wo der Zweifel erst einmal in der Welt ist, da gibt es kein Vertrauen mehr. Wer Zweifel sät, wird Misstrauen ernten! Und genau darum geht’s leider! Und wie erfolgreich diese Strategie ist, kann man ja gerade sehr gut beobachten…
Nix Passiert
Nix Passiert
Jetzt ist schon wieder nichts passiert! Es ist schon wieder nichts in meinem Leben passiert – gar nichts! Also nichts, worüber ich hier berichten könnte. Aber hält mich das ab…?? Nicht doch! Denn es gibt ja so viele, die ständig reden, ohne etwas zu sagen. Ein riesiges Bla und Blub erfüllen grund- und inhaltslos den Orbit. Man könnte fast denken, das sei mittlerweile der Normalzustand, der anlasslose Anlass. Wir sind längst alle Informat:innen, Spreader:innen, Mulitpliktor:innen, Dauersender:innen, Verbreiter:innen der traurigen Botschaft, dass Selbstwirksamkeit ohne Instagram-Account nicht mehr möglich ist.
Also reihe ich mich lediglich in die Reihe ein und berichte, dass und in welchem Umfang nichts passiert ist. Getreu dem Motto: Ich habe zwar kein interessantes Leben aber einen eigenen Blog. Und das ist noch immer besser als die ständige Katastrophenberichterstattung aus Krisengebieten. Also, hier bei mir garantiert kein Krieg, kein Vulkanausbruch, kein Amoklauf, kein Hunger, kein Fußbreit Hochwasser, kein… naja, wie gesagt, nix eigentlich.
Oder soll ich doch erzählen, dass ich kürzlich mal wieder Hafermilch ausprobiert habe? Und die Entscheidung zwischen schlechtem Gewissen und schlechtem Kaffee fiel wieder gegen die Hafermilch aus. Spannender Plot…
Gestern habe ich mir, als mein Tages-Highlight, die Finger- und Fußnägel geschnitten. Und da ich für den Abend sonst nichts vorhatte, habe ich es mir in meinen Terminplaner eintragen: „Nägel schneiden!“ Aber Freunde, nicht so nebenher! Beim Fernsehen auf dem Sofa! Sondern als Vollzeitbeschäftigung, mit Termin von 20 bis 21 Uhr. Seriös! Um meinem Leben Sinn zu geben!
War sogar extra vorher mit meiner Nagelschere beim Scherenschleifer. Wusste gar nicht, dass es den Beruf noch gibt. Der Typ war allerdings nicht sonderlich beeindruckt von meinem Vorhaben oder meiner Nagelschere. Also beschrieb ich ihm die außergewöhnliche Konsistenz und Härte der großen Zehennägel meines Vaters. Ich schilderte die Problematik so ausführlich und detailgetreu, bis er endlich anfing, unter leichtem Stöhnen, meine Nagelschere zu schleifen. Na also! Komische Einstellung für einen Dienstleiter! „Der Kunde ist Königin!“ Schon mal gehört? Okay, klingt komisch… Aber er hält sich wahrscheinlich für etwas Besseres mit seinem seltenen Kunsthandwerk. Ich möchte ihm zuflüstern: „Nach selten kommt ausgestorben, mein Lieber!“ – Dann kannst du dich mit 55 Jahren zum Tattoowierer (Rechtschreibprüfung?!), zum Tatütatatowierer (…?!), zum Nageldesigner umschulen! Da kommt doch Vorfreude auf oder?!
Auf dem Heimweg bin ich noch an der Apotheke vorbei und habe mir eine Packung „Merz Spezial Dragees“ gekauft. Denn: „Natürliche Schönheit kommt von innen!“ – Ich kann mich noch an die bescheuerte Werbung aus den 80ern erinnern. Dank Merz Spezial Dragees bekommt man (als Frau natürlich!) frische, makellose Haut, gesundes, glänzendes Haar und schöne, feste Fingernägel.
Würde mich nicht wundern, wenn ich demnächst von fremden Menschen auf der Straße angesprochen werde. Vielleicht passiert dann auch wieder mal was Interessantes. Wahrscheinlich habe ich dann aber gar keine Zeit mehr, um darüber zu berichten.
Komische Welt!