Monat: März 2017

Freies Interrail für alle – nöh!

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Freies Interrail für alle – nöh!

Im letzten Jahr habe ich zum ersten Mal von der dieser Idee gehört. Allen Menschen in der EU sollte zu ihrem 18. Geburtstag ein Monat Interrail geschenkt werden, um ihr Europa besser kennen zu lernen. Einfach so, ohne Gegenleistung. Herzlich Willkommen in der EU! Wie Geil! dachte ich direkt. Was gibt es Besseres, um EU-Verdrossenheit zu bekämpfen, als junge Menschen, bevor sie überhaupt verdrossen werden können, auf Reisen in ihre Nachbarländer zu schicken…?! Bitte – danke!

Aber, dachte ich schon kurz darauf, das klingt so gut, dass es bestimmt nicht umgesetzt wird. Weil… äh… das wäre ja noch schöner, da könnte ja jeder kommen, das war schon immer so! Naja… die Brüsseler Bürokratie würde schon was finden!

Tada…! Und so ist es auch! Der EU-Kommission ist das zu teuer. Sie berechnet wie ein europäisches Milchmädchen/ Milchbübchen Kosten von 2,3 Milliarden Euro. Autsch! Das klingt natürlich happig. Aber dabei wird zum einen davon ausgegangen, dass tatsächlich alle das Ticket auch in Anspruch nehmen (unrealistisch!) und zum anderen setzen sie einfach die bisherigen Kosten für das Interrail-Ticket in ihre Gleichung ein, als wären diese Preise nicht verhandelbar und veränderbar (phantasielos!). Die DB, wie auch andere europäische Anbieter, ist ein Staatskonzern und wer sagt, dass mit diesem „freien“ Interrail-Ticket, das für eine europäische Idee eingesetzt wird, die Bahn Gewinne machen muss? Ach, richtig, die Bürokraten machen das…!

Stattdessen hat sich Brüssel was Anderes überlegt: So sollen für schlappe 2,5 Millionen Euro ausgewählte Jugendliche durch Europa reisen. Und zwar gibt es 5000 (maximal 7000) Plätze für junge EU-Bürgerinnen und -Bürger, die sich darum bewerben müssen. Und dann gibt es natürlich schöne, komplizierte, bürokratische Vorschriften und Auswahlkriterien. Und ich frage mich, wer wird damit wohl gefördert werden? Wahrscheinlich ohnehin schon politisch aktive und europafreundliche Jugendliche, die gut begründen können, warum sie auserwählt werden sollen. Damit wäre es ein Belohnungsprinzip und nicht, wie ursprünglich beabsichtigt, eine Einladung an alle, besonders auch an weniger engagierte oder gar europakritische Jugendliche.

Prima, liebe EU-Kommission! Schon so im Tunnel, dass der Widerspruch nicht weiter auffällt, gell?!

Plus mal Minus ergibt Minus!

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Plus mal Minus ergibt Minus!

Manchmal, aber auch wirklich nur manchmal, sind Antworten auf das Leben so einfach wie in der Grundschul-Mathematik. Meistens verhält es sich genau anders herum.

Hochkomplexe Situationen mit unterkomplexen Lösungen zu beantworten, kann, selbst wenn es gerade sehr in Mode ist, nicht gutgehen. Egal wie oft und wie laut man es versucht. In Zeiten, in denen der mächtigste Mensch der Welt, Lösungen im Twitter-Format erbricht, scheint diese Vereinfachungsstrategie jedoch wieder sehr erfolgreich. Und natürlich ist es auch unerhört praktisch, wenn man sich nicht mehr langwierig mit schwierigen, kontroversen, sensiblen Sachverhalten auseinandersetzen und seine Äußerungen dazu reflektieren muss. Manchmal ist auch weniger mehr! Sagt der Volksmund nicht umsonst. Für weniger Hirn, Wahrheit und Anstand war das vermutlich nicht gedacht gewesen. Aber was soll’s…?!

Blöd ist allerdings, wenn diejenigen, die auf die Vereinfacher, Reduzierer, und Alternative Fakten-Benutzer schimpfen (zu Recht!), statt viel zu einfacher Antworten selber gar keine mehr haben und trotz aller Behauptungen („Wir haben verstanden“, „Wir müssen die Sorgen der Menschen ernst nehmen“ usw.) in eine tiefe, alternativlose, neoliberale Handlungsstarre verfallen sind. Das zeigt leider überhaupt keinen Weg, nicht mal eine vage Richtung in ein besseres Morgen auf. Damit ist man für viele nicht mal mehr eine schlechte Alternative, sondern letztlich gar keine mehr!

Und auch die gesellschaftliche Stagnation und Zukunftsvergessenheit zeigen sich in der posthumen Verherrlichung des Helmut Schmidt Zitats „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen!“

Sorry, aber das ist Bullshit! Denn wer keine Visionen hat, sollte zum Friedhof gehen!

Ohne Phil Collins durch den Altiplano

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Ohne Phil Collins durch den Altiplano

(Roadtrip durch den Altiplano, Teil2. Hier geht’s zum 1. Teil:
https://tommiboe.wordpress.com/2014/04/14/mit-phil-collins-durch-den-altiplano/)
Gut! Zwei Probleme bei der großartigen Landschaft waren geblieben: Höhenluft und Phil Collins!
Von beidem hatte ich am ersten Tag ein bisschen Kopfschmerzen bekommen. Richtig höhenkrank, mit Übelkeit und deren Auswurfpraktiken, war ich nicht geworden, obwohl wir uns die meiste Zeit deutlich über 4000 Metern befanden. Aber so ein latenter, nervender Kopfschmerz war dennoch da. Ich trank artig meinen Koka-Tee, auf die angebotenen Koka-Blätter verzichtete ich hingegen. Diese unangenehme Geschmackserfahrung kannte ich schon, danke!
Am zweiten Tag verschwanden dann der Kopfschmerz und auch Phil Collins und seine Freunde. Die Jungs an Bord des Jeeps hatten ihr eigenes Musik-Equipment heute am Start. Am Tag zuvor war es noch in den Tiefen der Rucksäcke auf dem Dach umständlich aber sorgfältig verschnürt gewesen.
Unsere Fahrt ist großartig. Wir kommen reihenweise an farbenfrohen Lagunen vorbei, die zum Teil mit Flamingos bestückt sind. Auch Lamas tummeln sich dort herum. Die Vicunyas lassen sich allerdings nur aus größerer Entfernung bewundern. Sie sind die wildlebenden, während die Lamas die domestizierten sind, das heißt, geschoren und gegessen werden dürfen. Die bunten Fäden in den Lamaohren (siehe Foto) zeigen übrigens den Besitzer an.
Das einzige, was hier oben neben Lamas noch wächst, ist Quinoa, auch Inkareis genannt. Ach ja, und Salz natürlich! Im Salar de Uyuni werden pro Jahr 25000 Tonnen Salz abgebaut.
Womit wir auch zum Höhepunkt unserer Fahrt kommen: dem Salar de Uyuni, dem größten Salzsee der Welt, auf 3600 Meter gelegen und 12000 Quadratkilometer groß. Mein holländischer Reisegefährte konnte diese Zahl gleich mal anschaulich umrechnen: ein Drittel der Fläche der Niederlanden. Wie vielen Wohnwagenstellplätzen das entspricht, konnte er zu meiner Überraschung nicht berechnen.
Aber auch ohne diese Zahlenspiele ist der Salar natürlich eine beeindruckende Angelegenheit.
So ist die Isla Incahuasi, auch Isla del Pescado genannt, ein ehemaliges Korallenriff, in 3600 Metern Höhe (!), das aus dem Salzmeer herausragt und auf dem über 1000 Jahre alte Kakteen stehen. Krass! Oder die hexagonale Struktur der Eisfläche, die den ganzen See durchzieht und jedes Jahr um etwa 4mm wächst, ist einfach wunderschön. Außerdem kann man schön blöde Fotos dort machen. Könnt ja mal die schönsten Fotos googeln…!
Kleiner salziger Beigeschmack war unser Fahrer, der im Idealfall gleichzeitig auch ein Guide hätte sein können. War er aber nicht. Das heißt, er wusste schon ein paar Dinge. Aber man musste schon ordentlich an ihm schütteln, damit Informationen aus ihm raus kamen. Andere Südamerikaner scherzen ja, das spanische Wort für „maulfaul“ sei „boliviano“. Und so einen hatten wir!
Aber ich habe gelernt, das Positive zu sehen, und davon gab es so viel zu sehen, dass das hier nicht als Jammerschrift rüber kommen soll. Freunde, es war ganz ganz großes Breitwandkino!

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Es müsste sich halt jemand die Mühe machen und den Schatten von Herr Boe wegretouchieren…

 

Prenzelgemüse – oder: über den Steckrübenwinter 16/17

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Prenzelgemüse – oder: über den Steckrübenwinter 16/17

Mittwochs treffe ich mich regelmäßig mit meinem Lieblings-Exkollegen und seiner Kleinstfamilie zum Essen. Und selbst hier im biederen Stuttgart bieten inzwischen etliche kleine Restaurants als Mittagstisch echt hippen Scheiß an. Ich nenne das „Prenzel-Gemüse“. Ihr wisst, was ich meine. Wer etwas auf sich hält, sollte mindestens einmal pro Woche Quinoa essen und mindestens dreimal am Tag davon erzählen und Bilder posten. Und sollen sie doch! Sollen sie. Allerdings nervt’s mich kolossal, dass ich keinen normalen Salat mehr bestellen kann, ohne dass überall diese elende Rote Bete drin ist. Und ich will nichts von Antioxidantien hören! Ich bin selbst Atheist und brauch keine hippen Gemüse, die mir meine gottlose Welt erhellen. Aber wir hatten früher, in der bösen Zeit, nun mal nichts anderes als Rote Bete, jeden Tag in jeder Mahlzeit, sodass mich meine Eltern sogar mal zum Arzt brachten, weil sie dachten, ich hätte Blut im Urin!

Da ich weniger Hipstertum in mir habe, mache ich mich lieber über solche affektierten Affen lustig und, anstatt mir die Pastinakensuppe oder den Amaranth-Bratling zu bestellen, erzähle ich, wie schlimm der Steckrübenwinter 16/17 gewesen ist, wo wir außer Steckrüben (neben der elenden Roten Bete natürlich) nichts außer dem Kitt im Fensterbrett zu fressen hatten, und ich daher, aus biographischen Gründen, auf dieses Vollbartträgergemüse verzichten darf. Stattdessen schimpfe ich auf solche Pastinakenfressen und Topinamburgesichter und empfehle Rosenkohl und Sellerie, während ich auf den Spargel warte. Ich steh einfach auf ehrliche, bescheidene, unaufgeregte Gemüse, die nicht mit so einer belehrenden und bekehrenden Gut-Gemüse-Attitüde daherkommen, dass ich schon vor dem Essen kotzen könnte.

„Ja, aber Quinoa kann man auch total lecker zubereiten.“ Jaja…!! Du mich auch!

 

 

IMG_prenzelgemüse
Man kann doch auch mal auf dem Teppich bleiben. Es gibt doch so schöne, ehrliche Gemüse. Und nur weil man an keinen Gott mehr glaubt, muss man doch nicht plötzlich so seltsames Prenzelgemüse anhimmeln. Oh Mann!

Mal ganz zu schweigen von Zucchini, dem Arschlochgemüse überhaupt!

 

(vgl.: https://tommiboe.com/2015/03/20/zucchini-das-arschlochgemuse/ )

Wohin geht die Reise? Und wie wenig Resthirn braucht man dafür?

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Wohin geht die Reise? Und wie wenig Resthirn braucht man dafür?

Manchmal muss man sich schon schütteln, wenn man die Nachrichten verfolgt. Wohin soll die Reise denn gehen?

Der EU-Agrarkommissar Phil Hogan hat auf einer Agrar-Messe in Frankreich angekündigt, 15 Millionen Euro dafür bereitzustellen, um den Fleischkonsum in der EU anzukurbeln. Außerdem würde er gern neue Exportmärkte für europäische Fleischproduktion erschließen. Soso… Wer steuert denn diesen Typen? Denn bezahlt wird er als EU-Kommissar eigentlich über Steuergelder und gar nicht, wie man meinen könnte, direkt von der Agrarlobby! (s.u. Link!)

Den Fleischkonsum anzukurbeln…?! Im Ernst…?! Ich will hier gar nicht mit der Veganisierung des Abendbrots anfangen. Aber es sollte doch so etwas wie einen minimalen europäischen Vernunftskonsens geben, dass unser Fleischkonsum jetzt nicht gerade zu niedrig ist. Ich belasse es auch bei den Stichworten: Massentierhaltung, Klimawandel, Nitratbelastung des Grundwassers, ausgewogene Ernährung und Gicht!. Aber offensichtlich gibt es diesen Konsens nicht. Sonst würden höchste EU-Funktionäre ja nicht dem Agro-Business und den damit verbundenem Großkapital die Eier lecken und sie dafür (fürs Eierlecken) auch noch finanziell unterstützen. What?!

Aber das passt durchaus ins Bild anderer Entscheidungen, bei denen sich die Frage nach verblichenem Restverstand stellt.

Bei Trump wundert das weniger. So lässt auch sein Versprechen, die Rüstungsausgaben der USA drastisch zu steigern und gleichzeitig die Entwicklungshilfe um angeblich bis zu 40% runterzufahren, Zweifel am Resthirn der Entscheider aufkommen.

Aber man muss ja gar nicht Trump bemühen. Es wird schließlich auch in Deutschland diskutiert, die Rüstungsausgaben schrittweise auf 2% des Bruttonationaleinkommens anzuheben. Und irgendwie, bei allem Wenn und Aber, scheint das zu kommen. Das wird schon gehen! Dann hätten wir in Deutschland einen höheren Rüstungsetat als Russland. Lustig? Nee, gar nicht!

Und noch trauriger, dass wir es in Deutschland seit 40 Jahren nicht schaffen, unsere Entwicklungshilfe auf 0,7% des BNE anzuheben. Deutschland dümpelt weiter bei 0,4%. Peinliche Sache, aber kein Thema! Oder habt ihr kürzlich etwas darüber gehört? Es wird zwar regelmäßig die Floskelkiste geöffnet, um das Schlagwort „Fluchtursachen bekämpfen“ rauszuholen, aber vermutlich eher mit schmutzigen Deals wie mit Türkei und jetzt auch mit Tunesien, Ägypten und vermutlich demnächst auch mit Libyen.

Als wäre nicht Entwicklungshilfe die beste Fluchtprävention. Naja… Soll ich mich wieder aufregen? Ja, denn sich nicht aufzuregen, macht’s ja auch nicht besser!

https://tommiboe.com/2016/06/12/fluchtwege-bekaempfen/

(https://www.topagrar.com/news/Home-top-News-Gruene-aergern-sich-ueber-Hogans-Werben-fuer-mehr-Fleischverzehr-5153808.html)