Fernwest
Fundstücke in Fernwest – Heuchelärsche
Fundstücke in Fernwest – Heuchelärsche
Es ist ja inzwischen in vielen Ländern üblich, dass Zigaretten und alkoholische Getränke auf ihren Verpackungen darauf hinweisen müssen, dass ihr Genuss gesundheitsschädlich ist (der Genuss der Verpackungen meistens auch). So habe ich folgenden Satz auf einer peruanischen Bierflasche gefunden: „Tomar bebidas alcohólicas en exceso es dañino.“ Tatsächlich…? „En exceso“…? Exzessiv…? Was hat wohl die Alkohollobby für diese Zusatzformulierung gezahlt? Freibier für die Regierung?
Was soll denn dieses „en exceso“? Das sagt uns doch: Ach, na klar, diese Assis, dieser Abschaum, diese gemeingefährlichen Profi- und Vollkontaktalkoholiker! – Die gesamtgesellschaftlichen Rest- und Teilzeitalkoholiker werden völlig verniedlicht. Ach, ist er nicht süß…?! Drollig der Kleine…! Klingt ein bisschen wie: „Der will doch bloß spielen!“ Na sicher! – „En Exceso“…? Da hätten sie auch gleich noch „vielleicht“ oder „angeblich“ vors „dañino/ schädlich“ einfügen können.
Aber mal im Ernst. Bei dieser Formulierung ist doch nicht nur Alkohol sondern auch Bier geflossen, äh, Geld natürlich. Da kommt doch niemand nüchtern und oder unbestochen drauf. Aber wenn man sich dazu äußert und sich drüber aufregt, wird man direkt als „Verschwörungstheoretiker“ beschimpft. Das Fiese daran ist, dass das inzwischen gesellschaftlich als vorverurteilende Beleidigung zugelassen ist. Völlig egal, worum es inhaltlich geht und wie berechtigt die Vorwürfe sind. „Bah! Verschwörungstheorien!“ Und weg sind die Einwände. Ohne weitere Argumentation oder gar Prüfung! Aufklärung ist ohnehin überbewertet und schrecklich lästig. Da kommen doch immer nur hässliche Sachen bei raus…!
Eine andere schöne Beschimpfung ist „Konsumverweigerer“. Erst die Sozialsysteme zusammen streichen, den Niedriglohnsektor ausbauen und dann das Volk beschimpfen, den guten alten Konsum zu verweigern. Schon eine freche Nummer! Aber es funktioniert. Weil das Volk immer noch diesen neoliberalen Drecksäcken glauben schenkt. Die mögen vielleicht auch wissen, was das Beste fürs Volk ist. In erster Linie wissen sie aber, was das Beste fürs Kapital ist. Und das ist meist nicht deckungsgleich! Fangt ihr kapital- und obrigkeitshörigen Heuchelärsche doch endlich damit an, das Vermögen zu besteuern. Und hört mit den einfallslosen Lügen auf, dass so ein Gesetz die Mittelschicht und Omas Tafelsilber beträfe. Damit soll doch bloß, wie üblich, Angst gemacht werden! Aber solange auch diese stumpfe Angstmasche funktioniert, muss man sich anscheinend keine neue Strategien überlegen. Aber das Besteuern der Vermögen ist eine simple und äußert effektive Aktion und schon hätten wir Geld für Kitas, neue Straßen, schnelles Internet, menschenwürdige Löhne und Überlandtrassen. Ach ne, die sollen die Stromkonzerne schön selber zahlen, diese blöden Fortschrittsverweigerer. Diese sympathischen Konzerne habe ja unlängst der Regierung vorgeschlagen, auf eine Klage wegen des Atomausstiegs zu verzichten, wenn der Staat sich bereit erklärt, dafür ihren Atommüll zu übernehmen, mit dem sie sich Jahrzehntelang den Arsch vergoldet haben. Ist doch mal ein faires Angebot. Sag mal, geht’s noch?!
Und wie darf man eigentlich ungestraft von „Ökodiktatur“ (und „Windenergiemafia“) sprechen? Was soll denn überhaupt ein Ökodiktator sein…?! Wie wär’s denn noch mit „Atomkraftmörder“ oder „Kohlekumpelkiller“? Geht’s noch blöder…?! Dann darf ich doch auch im Gegenzug völlig unreflektiert und inhaltsleer JEDEN CSU-Politiker als Nazischwein bezeichnen. Das ist doch ähnlich abwegig und übertrieben.
Da steckt doch ein System dahinter!
Und warum gibt’s in Peru im Flugzeug keinen Tomatensaft?! Das kann doch alles kein Zufall sein! Alter, ich verschwöre…!
Fundstücke in Fernwest – Granadilla
Fundstücke in Fernwest – Granadilla
Was bin ich froh, in Peru zu sein! Denn nach den Monaten in Argentinien, Chile und Bolivien gibt’s endlich wieder geile Früchte! Die gibt’s im Süden nämlich nicht oder eben auch bloß nur importiert. Aber in Peru bin ich wieder im Früchteparadies und ich komme auch nicht in Versuchung, Äpfel zu essen.
Klar, die meisten Leckereien haben ihren Weg auch in deutschen Regale geschafft. Aber ich hab mich ja schon an anderer Stelle, zurecht, über Flugmangos aufgeregt. Mangos können gar nicht fliegen. Das muss reichen! Okay, man kann sie werfen… Aber das führt mal wieder zu weit…
Eine meiner Lieblinge ist die Granadilla. Sie beschert einem ein ganzheitliches Essvergnügen. Man bricht die orangene Schale auf, trennt ein inneres Häutchen auf und hat eine saftig-süße, latent kaulquappenartige Masse vor sich. Aber nein, es ist nicht eklig! Und sie bewegen sich auch nicht (viel). Man schlürft das Ganze aus seiner natürlichen Schale heraus und knuspert dabei die Samen. Großartiges Gesamtkunstwerk! Geschmacklich erinnert es an Maracuja/ Passionsfrucht, mit der sie auch verwandt ist (Passionsblumengewächse). Aber das Essvergnügen ist ungleich größer.
In Deutschland werden sie Stückweise angeboten. Hier gibt’s für den gleichen Preis ein ganzes Dutzend. Irgendwie muss ich meine Flugkosten ja wieder reinholen!

Fundstück – Linien im Sand
Fundstücke in Fernwest – Linien im Sand
Nazca ist nicht nur ein Begriff für die Plattentektoniker unter uns, sondern auch den Freunden der außerirdischen Lebensformen bekannt. Die Nazca-Kultur hat sich nämlich in der Wüste vor der Stadt Nazca verewigt. So genannte Scharrbilder wurden über Jahrhunderte in den Sand geritzt. Dabei entstanden unterschiedlichste Figuren wie Kondor, Kolibri, Affe und Astronaut, zum Teil über 100 Meter groß. Aufgrund ihrer Größe sind sie eigentlich nur vom Flugzeug oder vom Raumschiff richtig zu erkennen, was den Anhänger von extraterrestrischer Intelligenz bei eigener Ermangelung selbiger in die Karten spielt und den Außerirdischen die Verantwortung für diese über 1500 Jahre alten Zeichnungen zuspricht.
So richtig geklärt ist die Bewandtnis der Scharrbilder indes noch immer nicht. Die meisten Zeitzeugen sind tot. Neben anderen gibt es die Vermutung, es handele sich um einen gigantischen Agrarkalender, mit dem die Wüstenvölker Saat- und Erntezeiten bestimmten. Naja…! Mit einem ordentlichen Schuss Wahnsinn und Religiosität lassen sich ja viele menschliche Dummheiten erklären…
Auch ich hab mich also mit einer putzigen Cessna in die Lüfte aufgemacht und mich über die Scharrbilder fliegen lassen, was ja auch ganz ohne Sandburgen und -bilder schon Spaß macht. Und was soll ich sagen? Sehen schon schön aus von oben. Aber mal ehrlich, wie bekloppt kann ein Volk denn sein, so etwas in den Sand zu kritzeln? Als wäre ihr Leben in der Scheiß Wüste nicht schon schwer genug gewesen! Da hätte man das Wochenende ruhig mal auf der Couch mit der Sportschau verbringen dürfen oder mal Kegeln gehen oder mit den Kindern kniffeln können…! Kein Wunder, dass ihr ausgestorben seid…!
Fundstück – Tuhkakupissa
Fundstücke in Fernwest – Tuhkakupissa
An wie viel Zufall darf man glauben? Und wie nennt man das, was danach kommt?
Genau an dem Schwein, äh, dem Tag, an dem ich dann doch Meerschweinchen esse, wird mir (keine zehn Minuten später!) mein Portemonnaie geklaut. War das die Strafe? Und war sie angemessen?
Im Hostel in Arequipa stehe ich vor dem Regal mit dem Bookexchange und suche nach einem neuen Buch. Am besten etwas in Deutsch oder Englisch. Ein grüner Einband landet in meinen Händen. Er ist von außen nicht beschriftet, die Schutzhülle fehlt. Also schlage ich es auf. Das erste Wort, das mir in den Blick kommt, lautet „Tuhkakupissa“. Und das wo ich gerade erst am Titicacasee war und obwohl ich Nichtraucher bin…! Das kann doch kein Zufall sein!
Ich verlasse das Haus mit leichten Kopfschmerzen, die ich nicht verdient habe. Ich habe nichts getrunken, vielleicht ein bisschen viel vorm Computer gesessen. Die Höhe kann es auch nicht sein. Arequipa liegt nur auf 2300 Metern. Ich finde ein nettes Restaurant und bestelle, bevor mein Blick auf ein Plakat mit Löwenbräu-Werbung fällt. Dazu setzt im Hintergrund „I’d rather be a sparrow than a snail“ mit Panflötenbegleitung ein. Zwei exzellente Gründe für Kopfschmerzen. Aber woher wusste mein Kopf das schon vorher? Und wo sind die Zusammenhänge?
Wollten mich die Inkagötter strafen? Ich hatte gedankenlos das Meerschweinchen verspeist, anstatt es ordnungsgemäß am ersten Freitag des Monats der Pachamama zu opfern.
Hätte ich in der Schule besser im Finnisch-Unterricht aufpassen sollen?
Und forderten mich die Götter des guten Geschmacks auf, mich fern von Löwenbräu und Panflöten-Nervsäcken zu halten? Dabei hatte ich doch gerade das, so weit es mir möglich war, mein Leben lang eingehalten.
Und wenn ja, wo waren die Zusammenhänge?!
Herrlich, was sich mein Gehirn doch für Mühe gibt, um mich vom elenden Warten auf meine neue Kreditkarte abzulenken!
Ach so, für alle, die im Finnisch-Unterricht auch nicht aufgepasst haben: Tuhkakupissa ist keine gängige Beleidigung, der üblicherweise eine Kneipenschlägerei folgt, sondern heißt einfach nur Aschenbecher.
Fundstück – Santa Cruz
Fundstücke in Fernwest – Santa Cruz
Wer sagt, dass die katholische Kirche keinen Spaß versteht (und ich meine hier ausdrücklich keinen perversen Spaß! Und auch nicht die lustigen Momente zu Pfingsten, wenn man während der Prozession direkt hinter dem Weihrauchschwenker herläuft!), der sollte mal zu Santa Cruz nach Peru kommen oder wo auch immer noch das Ganze so gefeiert wird.
Bei unserem Stadtrundgang durch Cusco konnten wir schon einige Prozessionen mit Musik und Tanz beobachten. Vor der Kathedrale San Francisco versammelten sich gleich mehrere „religiös inspirierte Trachtengruppen“. Ihre Prozession war wohl schon beendet und sie hatten ihr geschmücktes Kreuz an die Kathedrale gelehnt. Jetzt galt: Ein bisschen Musik, ein bisschen Tanz und ganz viel Alkohol. Mir wurde auch direkt ein Becher mit Irgendwas in die Hand gedrückt und knapp nach dessen Leerung saßen wir auch schon Arm in Arm mit ein paar Frauen auf den Stufen vor der Kirche und tranken gemeinsam Bier. Hübsch am helllichten Tag auf offener Straße irgendeinen katholischen Feiertag begießen. Na bitte!
Sonntagabend in Aguas Calientes herrschte vor unserem Hotel ordentlicher Trubel. Mit Blasmusik und Trommeln zogen unterschiedliche maskierte Gruppen an uns vorbei in Richtung Plaza de Armas, wo sich das ganze Dorf traf und bei Musik und Tanz ernstzunehmend besoff.
Als wir am Montagmorgen um 4:30 in Aguas Calientes aufbrachen, um nach Machu Picchu hochzulaufen, kamen wir noch mal an der Plaza de Armas vorbei. Noch immer lief Musik und letzte verstrahlte und gestrandete Katholiken-Partysanen torkelten um die Wette. Das nenne ich mal ein seriöses katholisches Besäufnis. Bravo!
Die andere Seite des peruanischen Katholizismus‘ sahen wir schon am nächsten Tag, als wir an der barocken Kirche von Chichero vorbeikamen. Die Kirche, die von außen unspektakulär aussah, bot drinnen aber tolle Wand- und Deckenmalereien und gilt als bedeutendes südamerikanisches Kirchen-Kleinod. Wir waren die letzten Touristen für den Tag und so begann noch während unseres Besuchs die Abendmesse mit gerade einmal vier Personen, von denen einer so heruntergekommen und abgewrackt aussah, dass ich schon dachte, Richard Gere übe für eine neue Rolle. Hab aber nicht um ein Autogramm gebeten!



