José Mujica
Kleiner Grenzverkehr, Teil 4
Kleiner Grenzverkehr, Teil 4
In Punta del Diablo traf ich drei Norddeutsche, die gerade aus Brasilien nach Uruguay eingereist waren. Sie wollten ein paar Tage in Uruguay verbringen, bevor es dann weiter nach Buenos Aires gehen sollte. Sie führten, während ich am gleichen Tisch saß, eine interessante Diskussion. Interessant deshalb, weil ich ähnliche Gespräche auch immer mit meinem inneren Team führe. Ihr kennt vielleicht diese Drecksäcke Einerseits und Andererseits, die einfach nicht die Fresse halten können.
Die Jungs waren über Chui/ Chuy eingereist. Der Ort hat zwei Schreibweisen, eine portugiesische und eine spanische, weil er genau auf der Grenze liegt. Und ihnen ist so etwas Ähnliches wie mir zwischen Paraguay und Argentinien passiert (siehe https://tommiboe.wordpress.com/2014/01/14/kleiner-grenzverkehr-teil-3/). Der grenzübergreifende Bus hielt zwar auf der brasilianischen Seite zum Pässestempeln aber nicht auf der uruguayischen, sondern fuhr einfach direkt weiter zum Busterminal. Ohne weiter zu überlegen, fuhren die drei nach Punta del Diablo, was ungefähr eine Stunde von der Grenze entfernt liegt.
Ich hatte ihnen gerade von meinem letzten Grenzverkehr berichtet und noch eine Episode erzählt, dass die Argentinier recht humorlos sein können, wenn ihnen ein Stempel fehlt, und sich im Gegenzug ihre Humorlosigkeit ordentlich bezahlen lassen.
Angefeuert durch meine Berichte entfachte sich eine lebhafte Diskussion darüber, was sie nun tun sollten. Während einer der drei meinte, am besten sei es wohl, gleich am nächsten Tag zurück nach Chui/ Chuy zu fahren und sich die uruguayischen Einreisestempel abzuholen, war ein anderer dafür, einfach ganz entspannt abzuwarten, was eine Woche später bei der Ausreise passieren würde. Getreu dem Motto: „No risk, no fun!“ oder „Was willste denn mal deinen Enkeln erzählen…?!“ Der dritte von ihnen schwankte noch in seiner Meinung, sodass die möglichen Ausreiseszenarien ein paar Mal durchgespielt wurden. Ich spielte ein bisschen mit, brachte zusätzliche Argumente ein und fand den Gedanken total spannend, wie das wohl ausgehen würde.
Schließlich, nachdem ein Hostelmitarbeiter meinte, es würde höchstens 800 Peso Strafe kosten (knapp 30€), einigten sie sich auf die Risikovariante, also: einfach Weiterreisen! (Wobei ich persönlich die Aussage des belgischen Surfers/ Hostelmitarbeiters nicht sonderlich überzeugend oder kompetent fand. Aber manchmal reicht ja eine moralisch-symbolische Unterstützung völlig aus, um eine Entscheidung zu treffen.)
Ich rang den dreien noch das Versprechen ab, mir mitzuteilen, wie und mit welchen Komplikationen der anstehende Grenzverkehr ablaufen würde. Das würde hoffentlich eine nette Episode für meine Rubrik „kleiner Grenzverkehr“ geben. Also „hoffentlich“ natürlich aus meiner und nicht aus ihrer Sicht! Denn eventuelle Grenzschwierigkeiten würden eine Geschichte selbstverständlich entschieden interessanter machen.
Gut eine Woche später erhielt ich die Nachricht, dass alles ohne Probleme und ohne Kosten abgelaufen sei. Laaaangweilig! Diese Urus sind einfach zu nett. Denen waren es also völlig egal, dass die Jungs ohne Einreisestempel durch ihr Land tourten. So eine lockere Einstellung macht die Urus natürlich sehr sympatisch. Man stelle sich so etwas in einem anderen südamerikanischen Land oder spaßeshalber mal in den USA vor…! Aber auch deutsche Behörden sind, wenn man nicht gerade EU-Bürger ist, in solchen Angelegenheiten ziemlich humorbereinigt.
Aber in Uruguay scheint das alles, ganz harmlos zu sein. Denn hier ticken die Uhren ohnehin eine Nuance entspannter. Allein ihr Präsident, José Mujica, ist eine spezielle Nummer. „Pepe“ Mujica ist ein „Staatsdiener“, der die Bedeutung dieses Titels tatsächlich verstanden hat und diesen Namen im Gegensatz zu der seelenlosen Politikerkaste auch wirklich verdient. So verzichtet er auf 90 % seines Gehalts, fährt noch seinen uralten VW-Käfer, hat Bolivien und Paraguay einen eigenen Überseehafen auf uruguayischem Boden angeboten, um deren Entwicklungschancen zu verbessern (siehe https://tommiboe.wordpress.com/2014/01/13/fundstucke-aus-fernwest-hafengeschenke/), und hat in einem besonders kalten Winter Obdachlose auf seine Finca eingeladen. Zudem liegt das Land gerade mit der UN im Clinch, weil es Marihuana legalisiert. Lässt sich aber von der globalisierten Doppelmoral nicht einschüchtern, sondern zieht die Sache konsequent durch, weil es ihm vernünftig erscheint! Scheiß auf die Meinung der USA und ihrer Freunde oder Ex-Freunde…
Bravo! Uruguay hat also entschieden mehr zu bieten als „drei U auf engstem Raum“ (Funny van Dannen)!
Fundstücke aus Fernwest – Hafengeschenke
Fundstücke aus Fernwest – Hafengeschenke
Heute geht’s mit dem Nachtbus nach Uruguay. Aber große Ereignisse werfen bekanntlich ihre Schatten voraus, andere sagen: ihre Pullover. (Obwohl der Schattenwurf mir hier gerade nur bis knapp vor die Füße reicht. Und Pullover bei den derzeitigen klimatischen Bedingungen völlig verfehlt sind)
Schon vor ein Wochen war ich über einen interessanten Artikel gestolpert. Der uruguayische Präsident José „Pepe“ Mujica hat Bolivien und Paraguay ein besonderes Angebot gemacht. Beides sind nicht mal unmittelbare Nachbarländer und beides sind die einzigen Länder Südamerikas ohne eigenen Meereszugang und demzufolge auch ohne Überseehafen.
Der Geograph nennt das „Land Locked Countries“, was als Merkmal für Unterentwicklung eines Landes gilt. Uruguays Präsident hat nun diesen beiden Ländern angeboten, auf uruguayischem Boden je einen eigenen Hafen errichten zu können und das alles, liebe Globalisierungsgewinnler und Profitmaximierer, ohne Hintergedanken oder Forderungen. Natürlich mögen dadurch auch positive Begleiterscheinungen für Uruguay eintreten – keine Frage. Aber die Häfen sollen vollends unter die Kontrolle der jeweiligen Länder gestellt werden, also nicht unter uruguayischen Flagge segeln. Wie das konkret umgesetzt werden soll…? Keine Ahnung. Ist alles noch recht frischer Gedankenschmalz. – Aber doch in jedem Fall mal krass entgegen allen anderen Entwicklungen der kapitalistisch globalisierten Wirtschaftslogik, der alles andere frag- und gedankenlos untergeordnet wird, wo Worte wie Altruismus, Konsumkritik, Wutbürger, Frauenversteher, Gutmenschen, soziale Gerechtigkeit (u.ä.) offen und gesellschaftskonform als realitätsferne Träumereien abgetan oder gar als Schimpfworte benutzt werden dürfen.
Es handelt sich übrigens um den gleichen Präsidenten, der sich in der Weltgemeinschaft (namentlich hier der UN) unbeliebt gemacht hat, weil er die landesweite Legalisierung von Marihuana angekündigt hat. Die Frage, ob es da einen direkten und stoffbezogenen Zusammenhang zwischen zu viel präsidialem Kiffen und Hafengeschenke für die hafenlose Mercosur-Kollegen gibt, kann ich nicht beurteilen.
Andererseits würde, meines Erachtens, ein bisschen Kiffen deutschen Politikern wie Seehofer zum Beispiel auch mal ganz gut tun. Alkohol macht ja so schrecklich aggressiv, was man an ihm gut erkennen kann! Der sollte sich mal einen schönen kleinen Dicken (Joint) rollen lassen, vielleicht vom Stoiber (der kennt sich ja mit Rollen aus!) und für die Merkel gleich mit. Wer weiß, womöglich kommt Österreich so auch noch zu einem Überseehafen.