herr boe

Massenindividualtourismus

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Massenindividualtourismus

Dass man beim Wandern auf dem Inka-Trail Leuten mit Rollkoffern begegnet, fehlt gerade noch. Aber wir sind nahe dran. Und schon bald darauf werde ich vermutlich von geländegängigen Elektrorollkoffern überholt werden.
Backpacker sterben zwar nicht aus, aber die Wege, auf denen sie sich bewegen, sind immer ausgelatschter, sodass man sie inzwischen auch bald mit Rollkoffern befahren kann. Der Soziologe spricht von „Ausdifferenzierung“, ich spreche von „Massenindividualtourismus“. (Ich hab mich ja schon mal an anderer Stelle über Gringoabsteigen ausgekotzt: https://tommiboe.wordpress.com/2013/10/31/gringoabsteige/)
Schon lange ist der Abenteuerurlaub kein Abenteuer mehr. Aber er besaß zumindest noch die Idee, den Duft vom Abenteuer. Inzwischen ist das Abenteuer nur noch eine industriell gefertigte Duftmarke. Die gefährlichen und anstrengenden Nebenwirkungen wurden erfolgreich rausgezüchtet. Dafür ist es nun benutzerfreundlich und seine Oberfläche mit mindestens 14,1 Millionen Pixeln glänzt, blinkt und lächelt in alle Richtungen. Wir kennen das Prinzip von der Tomate, deren Geschmack heute keinen mehr kümmert und auch kaum noch jemand kennt. Hauptsache, Farbe, Form und Konsistenz stimmen. Toll, dass man eine Tomate heute zehn Wochen im Kühlschrank liegen lassen kann. Wozu muss sie dann auch noch schmecken…?
Ich freue mich schon auf den (nicht mehr fernen) Tag, an dem ich mir die Tomate bequem zu Hause mit meinem 3D-Drucker ausdrucken kann. Mit freundlicher Unterstützung von Hewlett Packard und Nestlé. Kommt in meine Küche direkt neben den verfickten Nespresso-Automaten: der Nesgemüsé-Drucker.
Dabei wollte ich mich (dieses Mal) doch gar nicht über Nestlé aufregen sondern über die fürchterlichen Rollkoffer-Backpacker-Fuzzis. Wahrscheinlich gibt es bald schon Retro-Rollkoffer mit so putzigen Schulterriemen-Atrappen. Aber Backpacken kann heute wirklich jeder. Kinderleicht. Man muss selbst nichts mehr machen oder können oder selbst organisieren. Es gibt ja andere, die die wichtigsten Dinge für einen übernehmen.
Aber letztlich sind das natürlich nur Entwicklungen, die auch in anderen Bereichen stattfinden. Beim Wildwassersport gibt’s diese Ausdifferenzierung schon seit langem. Fürs Wildwasserkajak braucht man jahrelange Erfahrung, Raften kann jeder Dödel (so auch ich, yeah!), weil man das fehlende Können kaufen kann: „Kompetenz-Oursourcing“ nennt man das! Oder mathematisch: Geld + fremde Kompetenz = Abenteuer!
Die meisten machen das inzwischen auch beim Denken. Wofür sich in aufwendigen, zeitintensiven Prozessen eine eigene Meinung bilden, womöglich auch noch fundiert?! Wer hat dafür noch Zeit und Nerven?! Es gibt doch so viele schöne, vorgefertigte Meinungen an jeder Straßenecke, die prima funktionieren und uns das Leben vereinfachen: „Meinungs-Outsourcing“ nennt sich das. Wen kümmert’s da, von wem sie sind und wem sie dienen?
Ist vielen doch gar nicht mehr klar, dass sie längst eine völlig fremde Meinung haben. Fällt höchstens noch mal auf, wenn die Politiker-Marionetten zu blöd sind, die diktierten Worthülsen fehlerfrei aufzusagen.
Was wollte ich eigentlich sagen…? Ach ja: „Ballermann ist überall!“ – Ja, ich weiß, das ist Blödsinn. Nur weil sich Rollkoffer-Fuzzis in Gringoabsteigen treffen und mir die Aussicht, die Gedanken und die Freude am Reisen verderben, muss ich mich nicht immer so aufregen. Doch, verdammt! Natürlich muss ich mich darüber aufregen! Weil es zum Kotzen ist!

 

Sorgen auf hohem Niveau

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Sorgen auf hohem Niveau

Jetzt bin ich schon seit einer Woche am gleichen Ort, am gleichen Strand! Bei meinem ersten wochenlangen Aufenthalt an einem Ort war ich mit den Bagas und ihrem Buggi unterwegs. Hier muss ich das allein durchziehen! Eine Woche…?! Kann das gut gehen? Gibt das schon Sättigungserscheinungen? Muss ich mir Sorgen machen?

Ich hab mir gestern Abend schon Hühnchen statt Fisch oder Meeresfrüchte bestellt. Muss man sich mal vorstellen! Dass mir so etwas mal passiert…! Peinlich! Mag das kaum schreiben.
Sind die Conchas Negras heute Mittag wirklich so lecker gewesen wie gestern? Solche Fragen stelle ich mir. Tatsächlich! Also, vorweg, die Conchas Negras sind auch heute großartig, absolut großartig! Einmannfrei!
Da ich die Muscheln heute eigenhändig knacken, entkernen und, vor allem, mich dabei fotografieren lassen durfte, muss ich an dieser Stelle auch noch die verdiente Werbung für den besten Muschelladen der Stadt: Die besten Conchas Negras von Máncora gibt’s in der „Cervicheria Hermes“. Und diese Empfehlung kommt auch von Herz und Magen. Magen, weil frischer als hier kann kaum ein Magen diese Dinger zu Gesicht, äh an die Magenschleimhaut bekommen. Und meinem kleinen Sensibelchen von Kaskadenmagen bekommen sie seit Tagen!
Ansonsten mach ich mir so meine Gedanken über die Schattenreichweite meiner Palme, über ihren Schattenverlauf der nächsten Stunden. Und das ist ein verdammt gutes Zeichen. Das ist philosophisch gesehen kaum zu unterbieten. Ähm, unterbieten im Sinne von Entschleunigung ist natürlich positiv zu bewerten. Denn wenn das die Gedanken sind, die einen beschäftigen, dann hat man gar keine Kapazität, um sich Sorgen zu machen.
Auch habe ich noch keinen einzigen pazifischen Sonnenuntergang geschwänzt, egal wie beschäftigt ich war!
Und so lange der „Maracuyá Sour“ noch schmeckt, ist wirklich alles gut… Also, für Leute, die sagen, ihnen würde kein Alkohol schmecken, und dieses Argument als alleinigen Grund für ihre Alkohol- und oder Spaßbefreiung geltend machen wollen, dann probiert das: Maracuya Sour. Freunde, Freunde, das ist ein Zeug! Meinem vorjährigen Reiseabschnittsgefährten Herr van Bär und mir habe ich schon in Panama einige Maracuya Libre verschrieben. Aber das Zeug hier ist noch mal eine Nummer geiler. Natürlich mischt der Peruaner seinen Pisco rein. Aber im Gegensatz zum Pisco Sour ist das Ganze auf Maracuya-Basis und wird dann mit Eiweiß schön schaumig geschlagen. Hmmmm! Yummi! Maracuya wird ja nicht umsonst auch Passionsfrucht genannt.
Es muss sich also niemand um mich Sorgen machen. Der Herr Boe kann die völlig unrealistischen Rahmenbedingungen hier händeln! Dass man dabei auch mal die Zähne zusammen beißen muss, versteht sich ja von selbst.

Herr Boe beim Muschelnknacken
Herr Boe beim Muschelknacken (conchas negras)
Mein Muscheldealer!
Mein Muscheldealer!
Es ist verdammt schwer ein volles Glas Maracuya Sour zu fotografieren, weil vor dem Foto-Reflex der Trink-Reflex zuschlägt.
Es ist verdammt schwer ein volles Glas Maracuya Sour zu fotografieren, weil vor dem Foto-Reflex bereits der Trink-Reflex zuschlägt.

Fundstück – Tenedor Libre

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Fundstücke in Fernwest – Tenedor Libre

Die südamerikanische Version des „All you can eat“ nennt sich „Tenedor Libre“, sprich „freie Gabel“ für freie Bürger! Man darf also so lange zulangen und reingabeln, bis die Fressnarkose einsetzt. Das Taxi oder den Arzt muss man dann allerdings wieder selbst bezahlen. Den fälligen Verdauungsschnappes im Übrigen auch.
Das Prinzip ist einfach. Wer viel isst, macht man ein gutes Geschäft! Naja, und das Essen muss halt richtig billig sein! Für alle, die das nicht verstehen, siehe „Dreisatz/ Wikipedia“!
Der Tenedor Libre „Caro Pepe“ in Mendoza wurde mir schon in Valparaiso/ Chile empfohlen. Ich bin eigentlich nicht so der Fan dieser Fressveranstaltungen. Aber als in meinem Hostel in Mendoza diese Empfehlung wiederholt wird und der Laden nur ein paar Quadras entfernt ist, gebe ich Pepe eine Chance.
Es gibt viele gute Gründe, seinen Fleischkonsum einzuschränken oder ganz aufzugeben. Der Besuch bei Pepe allerdings ist ein SEHR guter! Er führt einem die ganze Diskussion noch mal intensiv und anschaulich vor Augen.
Kleines Paradoxon: Als ich vor 16 Jahren das erste Mal nach Argentinien kam, war ich Vegetarier und hab wieder mit dem Fleischessen angefangen. 16 Jahre später, wieder in Argentinien, streift mich mit Wucht eine übergeordnete Ernährungsvernunft, vielleicht doch einfach auf Fleisch zu verzichten! Schließt sich hier der Würfel? Brauchte ich 16 Jahre, um zu dieser Einsicht zu gelangen, oder genügt einfach ein Besuch bei Pepe?
Aber wirklich, liebe Freunde und Freundinnen des Fleischverzehrs: Das war schon eklig! In Argentinien bekommt man ja in der Regel gutes bis sehr gutes Fleisch vorgesetzt. Aber bei Pepe…! Es gibt ein großes Buffet mit Salat, Beilagen, Fleisch in Soßen und zusätzlich das Herzstück, die Asado-Ecke. Dort wird gegrillt, bis der Arzt kommt!
Ich bekomme so einen fettigen, sehnigen Klumpen auf den Teller, woran Messer und Zähne verzagen und versagen. Schwer zu sagen, welches Tier mit so etwas leben konnte. Aber längst nicht erkenntlich, warum dafür ein Tier getötet werden musste. Gut, vielleicht ist aufgrund von Herzverfettung von alleine gestorben. Aber ansonsten lässt sich das nicht erklären. Denn so etwas kann definitiv niemand essen! Niemand…? Tatsächlich…? Ich blicke mich im Restaurant um und erkenne etliche Gestalten, die das durchaus können! Und leider sehen diese Gestalten (mir fällt es schwer, ein anderes Wort dafür zu finden. Deshalb die Wiederholung!) auch genau so aus, als würden sie das hier regelmäßig machen. Das hat folgende Wirkung: feiste Wangen, fleischige Weiber, fette Wampen, fiese W… Sie alle legen ein Fressverhalten wie ein Großmaulpinguin an den Tag. Die können nämlich auch nicht stoppen. Allerdings müssen sie auf diese Weise auch nur zweimal pro Jahr fressen!
Beim dicken Mädchen am Nachbartisch hat bereits die Fressnarkose eingesetzt. Der Blick ist schon in Wachkomastellung gekippt, während die Mama stolz den prallen Bauch der Kleinen streichelt und ihr Leise zumurmelt: „Gekotzt wird erst, wenn das Buffet leer ist!“ Ich könnte jetzt schon…!
Dabei wissen wir doch alle Bescheid über Massentiervergewaltigung. Aber wir wollen der Fleischindustrielobby glauben, die uns mit medialem Irrsinn das romantische und grenzdebile Bild von der glücklichen Kuh vorführt, die am Ende eines herrlichen Sommertages von der schönen Sennerin von der Alm geholt und zum Schlachthaus auf der anderen Seite des Jordans gerudert wird. Ach ja, ich vergaß: und dabei wiederkauend lächelt – also nicht die Sennerin!
Im Gegenteil regen wir uns sogar, via CSU, aber letztlich doch wir alle, über die „Öko-Diktatur“ der Grünen auf, die uns vorschreiben wollen, was richtig und falsch auf unserem Teller ist. Und scheiß drauf, dass von einem Tag die Rede und das alles eher symbolisch als Aufruf zum Nachdenken gemeint ist. Bevormundung! Öko-Diktatur! schreien die Konservativen! Ja, geht’s noch ’ne Nummer dümmer…?! – Nachdenken vom Volk einfordern…?! Wo kommen wir denn da hin?! Das wäre ja noch schöner…! Ein nachdenkendes Volk…?! Braucht kein Mensch!
Und es waren noch nicht einmal provokante Gedanken wie, für Vegetarier die Krankenkassenbeiträge zu senken oder umgedreht sie für Fleischesser zu erhöhen. Wäre doch mal interessant…! Nur mal zum Nachdenken, liebe CSU. Habt ihr wieder etwas an den Stammtischen, was die Weißwurst in euch zum Explodieren bringt!
Denn auf der anderen Seite der Vernunft und der Moral (zwei Tugenden, die sich in der heutigen Welt anscheinend niemand mehr leisten kann oder will) lachen sich die Rentenkassen ins Fäustchen über jedes vorzeitige Ableben einer Fettleber. Ach, ist das zynisch?
Wo ist die FDP, die den Erhalt von Arbeitsplätzen in der Hühnchenmast am Hühnchenstandort Deutschland einfordert. Wo ist die Pharmaindustrie, die aus Angst vor Umsatzeinbußen in der Massentierhaltung, nachts bei Mutti anruft? Das ist zynisch!
Ach, halt doch endlich die Fresse, Herr Boe! Das will doch eh keiner hören, du Öko-Nazi-Sau! Dass ich mich auch immer nach dem Verzehr von rotem Fleisch so aufregen muss…!

das Herzstück: Asado, argentinischer Volkssport. Kann gut sein, muss nicht!
das Herzstück: Asado, argentinischer Volkssport. Kann gut sein, muss nicht!
stolze Mama streichelt den prallen Bauch des Kindes. Da hat sich der "tenedor libre" voll ausgezahlt!
stolze Mama streichelt den prallen Bauch des Kindes. Da hat sich der „tenedor libre“ voll ausgezahlt!

Fundstück – Heiße Schokolade

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Fundstücke in Fernwest – Heiße Schokolade

Das letzte Mal, als ich eine heiße Schokolade getrunken habe, ist gefühlte 25 Jahre her.
Ich sitze in diesem historischen Moment in den Bergen vor Pucón. Gerade bin ich aus den Termas Geométricas (Hot springs) als zufriedene Ursuppe zurück an Land geschwappt. Materialisiere mich gerade wieder entgegen dem überzeugenden Gedanken, dass wir eigentlich doch alle bloß Wasser sind und ins Wasser gehören, bei 38-40°C versteht sich, geschüttelt und nicht gerührt.
Ein nettes Café mit Feuerkorb und Glasfront zu den Thermalquellen lädt ein, sich etwas zu gönnen. Einem Kaffeetrinker wie mir kommt Kaffee in den Sinn. Ich weiß längst, dass das ein fehlerhafter Gedanke in Südamerika ist, und ich bin natürlich selber Schuld. Aber hin und wieder lauern positive Überraschungen. In Buenos Aires gibt’s nette Cafés mit gutem Kaffee. Italienischer Einfluss macht sich hier bezahlt, neulich in Puerto Varas konnte ich einen Ristretto bestellen und ihn auch bekommen. Aber sonst…?! Abwarten und Teetrinken.
Aber ausgerechnet Chile, das bestentwickelte Land des Kontinents, muss es völlig übertreiben. What’s wrong with you?! Sollt ihr doch das verfickte Nestlé-Logo direkt in eure Fahne mit aufnehmen. Die stellen einem in Restaurants (!) neben den Becher mit heißem Wasser eine Instant-Kaffee-Dose auf den Tisch. Und das ist keine dieser merkwürdigen Metaphern von Herrn Boe, die keine Sau versteht! Nein, sondern tatsächlich eine Dose mit Instant-Kaffee! Das ist so entwürdigend. Greift hier nicht das Völkerrecht! Die blöde UN beschimpft Uruguay, weil sie Marihuana erlauben, aber was unternimmt sie gegen Chile…?!
Bolivien zerrt Chile ja gerade wegen des in den Salpeterkriegen (im 19. Jahrhundert wohlgemerkt) verloren/geklauten Meereszugangs vor den internationalen Gerichtshof in Den Haag. Das Gleiche sollte man mit Chile wegen Verachtung der Würde des Kaffees machen!
Aber, aber… Ich bin viel zu entspannt und gut gelaunt und so bestelle ich mir eine heiße Schokolade. Natürlich ist auch das eine Fertiglösung und natürlich nicht mit Milch und natürlich viel zu süß für meinen Geschmack und natürlich auch von Nestlé (ich bin ja immer noch in Chile!). Aber trotzdem einfach herrlich! Heiß und süß und einfach mal kein schlechter Kaffee! Manchmal ist das so einfach. Hat sieben Monate gedauert. Da hätte ich Depp auch schon mal früher drauf kommen können!

das bekommt man im Restaurant auf den Tisch gesetzt, wenn man dummerweiser Kaffee bestellt! Na, dann viel Vergnügen...!
das bekommt man im Restaurant auf den Tisch gesetzt, wenn man dummerweiser Kaffee bestellt! Na, dann viel Vergnügen…!

gespaltenes Wasser

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gespaltenes Wasser

Ruta de los 7 Lagos, 2. Teil

(1. Teil: https://tommiboe.wordpress.com/2014/02/16/asche-und-kase/)

Am dritten Tag liegt der längste Abschnitt der Ruta de los 7 Lagos vor mir, ca. 80-85 Kilometer. Auch hier wartet wieder ein gutes Stück Dirtroad. Die Straßenarbeiter sind dran dieses Stück zu verkürzen und asphaltieren munter vor sich hin. Ich starte um 8:00, da ich keine Ahnung habe wie lang, schlimm und mühsam die Passage ist und wie viel es wieder auf und ab geht. Der frühe Vogel… Außerdem ist um diese Uhrzeit tatsächlich noch wenig auf der Straße los.
Heute überwiegt das Positive. Die Schotterpiste ist nur für einen kleinen Teil so grottig wie gestern, außerdem hält sich die Staubbelastung heute in Grenzen, da die Piste gewässert wird, und Patagoniens Wunderwaffe der Wind erweist sich als schläfrig gestimmt. Meine Fluchdichte ist im Vergleich zu gestern verschwindend gering und Radfahren mach plötzlich wieder Spaß.
Am höchsten Punkt meiner Etappe befindet sich etwas sehr Interessantes (ja, sogar Spektakuläres für Geographen!): der „Arroyo Partido“. Hier kann man von einer Brücke aus zusehen, wie sich das Flüsschen Arroyo Partido gabelt. Es kommt mit Schwung aus den Bergen um eine Kurve herum und teilt sich dann plötzlich in zwei Flüsschen, von denen das eine in den Atlantischen und das andere in Pazifischen Ozean fließt. Verrückt was? Keine Ahnung, was das Flüsschen dazu veranlasst (naja, Gefälle vermutlich!) oder was es sich davon verspricht (Eintrag ins Guiness-Buch?)! Aber schon eine krasse Idee, sich da so mitten im Gebirge zu spalten. Vielleicht hatte es schon im oberen Flussverlauf Streitigkeiten zwischen den rivalisierenden Wassermassen gegeben. (Was weiß denn ich? Schmelzwasser gegen Regenwasser oder ähnliche Konflikte… „Dann fließ doch woanders lang!“ – „Mach ich auch!“ – „Das will ich ja mal sehen!“ – „Ja, wirste auch sehen!“ und so weiter. Wasser kann mitunter ganz schön zickig sein!)
Der (alt-)kluge Geograph hält für solche seltene Momente, und viele gibt es davon weltweit tatsächlich nicht, natürlich ein eigenes Angeberwort parat. Also Zettel raus und mitschreiben: „Bifurkation“ (da steckt „zwei“ und „Gabel“ drin, also Gabelung).
Von diesem Punkt aus geht’s dann 15 Kilometer mit viel Gefälle (Richtung Atlantik) und Gegenwind (Richtung Pazifik) hinab nach San Martín de los Andes, wo ich am Terminal vorbeirolle und schon eine Stunde später in einen Bus einsteige, der mich genau den gleichen Weg direkt wieder zurückfährt, was irgendwie auch ein komisches Gefühl ist und die Frage zurücklässt: „Wofür das Ganze?“ Aber das ist natürlich eine Frage, mit der man letztlich fast alles kontern kann. Und jetzt wollen wir mal nicht philosophisch werden um diese Uhrzeit. Denn zumindest schön war’s! Das muss auch mal reichen!

 

Hier zum Videobeweis: