fjordgespräche
Philosophisches über Aperol Spritz und andere Belanglosigkeiten
Philosophisches über Aperol Spritz und andere Belanglosigkeiten
Okay, meine Schuld! – Eigentlich könnte der Blog hier schon zu Ende sein…!
Enttäuschungen basieren auf Erwartungen. Daher ist man/frau an vielen Enttäuschungen selbst schuld! So, Ausrufezeichen! Das kann sich jede/r ausschneiden und ins Poesiealbum einheften! So ist es nämlich! Gerne laden wir aber stattdessen die Schuld woanders ab, bei denen, die uns enttäuscht haben, unserer Familie, unseren Freund*innen, den Kolleg*innen, den blöden Nachbar*innen, dem Nationalteam oder gleich der gesamten Gesellschaft. Das Konzept heißt: „Schuld sind die anderen!“ Und das ist oft einfach und erfolgreich. Aber wie so oft sind die einfachen Lösungen nun mal nicht die weisesten.
Auch die heutige Enttäuschung über meinen Aperol Spritz lastet zum Großteil auf meinen Erwartungen und meinen Gewohnheiten. Aperol Spritz ist für mich seit Jahren mit Ostern und Pfingsten verbunden, wenn ich mich mit meinen Freunden treffe, um viel Zeit miteinander zu verquatschen, ja, mit viel Sekt und Aperol. Dieses Jahr ging es mir wie vielen anderen auch: Ostern und Pfingsten sind ausgefallen! Keine Freunde, keine Gespräche, kein Fjord, kein Spritz!
Inzwischen wird einem „Spritz“ an jeder Straßenecke hintergeworfen, so auch in Venedig, so auch mir! Und so kam ich zu meiner Enttäuschung! Aber: Was habe ich mir eigentlich dabei gedacht?! Was habe ich eigentlich erwartet…?!!1! (Ja, mit einem Frage-, drei Ausrufezeichen und einer 1)
Au Mann, echt…! „Arbeite mal an deiner Erwartungshaltung!“ möchte ich meinem inneren Team zurufen.
Und dass meine Freunde nicht auf meinen Hilferuf, meinen klagenden Post reagieren…? „Arbeite mal an deinem Freundeskreis!“ Stopp! Oder besser: Werde dir mal klar, dass deine geposteten Belanglosigkeiten vielleicht manchmal witzig, frech, abwegig, originell, unterhaltsam aber oft, vor allem, eines sind: belanglos! Und andere Menschen (selbst deine Freunde) haben ihre eigenen Belanglosigkeiten. Und die reichen ihnen, neben ernsthaften Angelegenheiten, oftmals völlig aus, um nicht noch ständig fremde Belanglosigkeiten bedienen zu müssen.
Also, lösch die Freundesliste bitte nicht! Die kannst du für wesentlichere Momente sicher noch gebrauchen.
Und Dank an meine beste Schwester von allen, die meiner Empörung empfiehlt, sie so zu befriedigen, indem ich „als Entschädigung für schlechten Spritz“ das Glas mitgehen lassen soll. So gehen Frustbewältigung und eine professionelle psychologische Aufarbeitung dieser Ausnahmesituation, bevor sie mir nachhaltig aufs Gemüt schlagen.
Ein wenig alttestamentarisch vielleicht, Schaden mit Schaden zu vergelten. Aber was soll’s! Oder hätte ich ganz neutestamentarisch noch einen zweiten schlechten Spritz trinken sollen…? – Hmmm, jetzt wird’s sogar mir ein bisschen zu philosophisch!
Gut, aber bei aller Liebe zum abweichenden Diskurs: Spritzig dürfte ein Spritz allemal sein!


Plazentaernte
Plazentaernte
Neues aus der Reihe „Fjordgespräche“!
Zur Begriffsklärung: Bei Fjord handelt es um eine Metapher und sie steht für einen Ort, an dem absurde Gespräche geführt werden. Manche mögen anmerken, ein Fjord selbst ist schon ein absurder Ort und dem möchte ich gar nicht widersprechen. Denn Fjorde sind „ertrunkene Täler“, was ein bisschen nach „verwunschenen Wäldern“ und „bekifften Bergen“ klingt. Außerdem sind Fjorde bezaubernd schön, so schön gar, dass Slartibartfast, der wohl bekannteste Planet-Designer in der Literaturgeschichte („The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy“), Preise für die aufwendige, barock anmutende Küstengestaltung Norwegens bekam. (Aber vielleicht führt das auch zu weit… Selbst mir!)
Fjordgespräche können letztlich überall stattfinden, wo Ernst- und Sinnhaftigkeit mal eine Pause einlegen. Mein letzter Fjord war die Eckkneipe gegenüber meiner Schule, in der ich mit ein paar Kollegen die Mittagspause verbrachte. Und dort verlor sich die Unterhaltung und landete in einem Fjordgespräch.
Ich erzählte eine Episode aus meinem Sabbatjahr und zwar von den Kondoren, die aus den Anden bis zum Pazifik segeln, zur „Plazentaernte“. Das klingt komisch, lohnt sich aber dann, wenn die Seelöwen ihre Jungen bekommen (genaueres dazu: https://tommiboe.com/2014/07/09/vogelein-uber-dem-pazifik/). Für Kondore ein gefundenes Fressen. Die Frage, ob man sich über verwesende Seelöwenplazenta am Mittagstisch unterhalten darf, wurde nicht weiter erörtert. Im Gegenteil durfte ich mir als Antwort anhören, dass manche nach der Geburt die Plazenta im Eisfach aufbewahren würden. Und die Rede war dabei nicht vom Seelöwen oder Kondor!
Schließlich landeten wir bei einer Geschichte über entfernte Hippie-Bekannte einer Kollegin, die zu berichten wusste, dass besagte Hippies die verpasste Wassergeburt mit ihrem zweijährigen Kind nachgespielt hatten. What…?!! (Und wer bis heute gedacht hat, dass irgendwo und -wann auch mal Schluss ist, dass irgendwas auch mal zu dämlich ist, der muss erkennen, dass er die Menschheit unterschätzt hat. Denn: dümmer geht immer!)
Selbst ich, der Dummheit gewohnt oder inzwischen fast von Dummheit abhängig ist, rollte meine Augen. Nachgespielte Wassergeburt mit einem Zweijährigen…?! Im Ernst…?! Natürlich! Dem Kind wurde sogar der Kopf mit einem Handtuch eingewickelt, genauer gesagt zusammengepresst, bevor es durch die Badewanne gezogen wurde, um auf diese Weise die verpasste Geburtskanalerfahrung nachzuholen. Diese elementar wichtige Erfahrung hatte das Kind nämlich verpasst, weil die geplante Wassergeburt wegen eines Not-Kaiserschnittes nicht durchgeführt werden konnte. Wer das immer noch nicht nachvollziehen kann, hat meine volle Sympathie. Aber dahinter steckt eine Hippie-Theorie, die besagt, dass Kindern, denen diese extreme Erfahrung im Geburtskanal fehlt, auch dieser erste Kick des Lebens fehlt, und sie deshalb später häufiger zu Extremsportarten, Drogen und Gewalttaten neigen. Weil… äh… weil… äh… wie gesagt, natürlich weil der Geburtskanalkick gefehlt hat.
Und das Experiment hat auch schon seinen ersten Erfolg: Besagtes Hippie-Kind will seitdem nämlich nicht mehr in die Badewanne. Okay, ob es später einmal deutlich mehr oder weniger Leute in der Badewanne ertränken wird als der Normalgeborene (die interessante Studie dazu über die Grenzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung steht noch aus) oder in der Badewanne die Niagara-Fälle hinunterfahren wird, ist noch nicht überliefert, da das Kind erst drei ist. Aber ich melde dann noch mal in fünfzehn Jahren zu diesem Thema!
Weitere Fjordgespräche:
About Fjordgespräche
About Fjordgespräche
Was sind Fjordgespräche überhaupt?
Fjordgespräche sind DAS NEUE philosophische Format überhaupt. Denn sie entsprechen und widersprechen zugleich und zutiefst der gesellschaftlichen Dychotomie. Wie viele Menschen fühlen sich nicht overfordert in einer Gesellschaft, die an den Rändern zerfranst, in der Mitte zerbricht und in der sich oben und unten immer weiter voneinander entfernen, und in einer Zeit, die sich in einer ständig zunehmenden Beschleunigung beschleunigt, sodass sich viele vorkommen wie auf einem Bobbycar in einem Formel1-Rennen?
Und genau hier die Fjordgespräche an: Ernst aber nicht so gemeint; schon tiefsinnig aber überflüssig; völlig übertrieben aber zurecht! Das Überhöhung gleichzeitig oft auf das Gegenteil verweist beziehungsweise eine Kompensation dessen darstellt (des Gegenteils der Überhöhung also), siehe deutsche Militärhubschrauber, Porschefahrer oder Seehofer (*), bedienen sich auch die Fjordgespräche dieses genialen Konzepts.
(*Erklärung der Metapher: Deutsche Militärhubschrauber: große Rotorblätter bei Null Flugleistung; Porschefahrer: dickes Auto bei kleinem Penis; Seehofer: naja, spricht wohl für sich…!)
In unregelmäßigen Abständen müssen Themen herhalten, um aus unterschiedlichen zum Teil höchst irrelevanten Richtungen und mit verschiedenen Leuchtmitteln betrachtet zu werden. Leider werden dabei oft Tiefgang und Sprengkraft der Diskurse übersehbar bleiben. Aber hin und wieder werden harte Geschütze (bei wenig Sachverstand) aufgefahren, wenngleich fremde! Und so möchte ich heute mit einem sehr klugen und zeitlosen Zitat von Jiddu Krishnamurti enden:
„Es ist kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepasst an eine kranke Gesellschaft zu sein!“
Das dürfen obiger Seehofer und leider auch viele seiner Artgenossen gerne sehr persönlich nehmen, sofern sie es verstehen!
Erstes Fjordgespräch ist bereits veröffentlicht. Darin geht es natürlich gegen äh um Kopftransplantationen:
https://tommiboe.com/2015/05/28/fjordgesprache-kopftransplantation/
Fjordgespräche – Kopftransplantation
Fjordgespräche – Kopftransplantation
Für alle, die sich gelegentlich (bis regelmäßig) überfordert fühlen in einer Zeit der Unübersichtlichkeit, des Konsumwahnsinns, der multiplen Verwirklichungsmöglichkeiten und der sich immer weiter beschleunigenden Beschleunigung: Dies ist erst der Anfang! Und ebenfalls für alle mit der Hoffnung, dass irgendwo hinter all diesem Wahnsinn eine bessere, vernünftigere, überschaubare Wahrheit steckt: Hinter dem Wahnsinn kommt nur noch mehr Wahnsinn! (Gut für alle die eh schon schizophren sind!)
Zum Glück beschäftigen sich die Fjordgespräche auch mit drängenden Zukunftsfragen und schaffen es auf diese Art, ein wenig die Angst vor dem Morgen zu nehmen – oder, wenn es gut läuft, sie zu schüren.
In einem unserer thematisch höchst variablen Fjordgespräche geht es heute um Kopftransplantationen. Ein Thema, das gewaltig nach Frankenstein klingt, aber dennoch brandaktuell ist, zumindest für Zukunftsforscher wie uns. Denn bei Kopftransplantationen handelt es sich keineswegs um Zukunftszauber oder Hexenwerk, sondern es ist lediglich ein weiterer logischer Schritt im Bereich der Organverpflanzungen. Und in einer immer älter werdenden Gesellschaft entsteht ein großer kapitalkräftiger Markt für solche Eingriffe. Einem geistig fitten 90jähriger in einem zusehend vom Verfall betroffenen Körper hilft eine Hüft-OP auch nicht mehr langfristig über den Berg, zumal auch andere Gelenke längst verkalkt sind, Knochen mürbe, Organe geschädigt, Lunge verrußt, Leber ruiniert, Herzchen geschwächt und so weiter. Da kommen viele Baustellen zusammen, während schon die nächste Sollbruchstelle naht und die meisten organische Halbwertszeiten längst abgelaufen sind.
Also ist der Gedanke gar nicht so abwegig, sich, wenn denn möglich, für eine Kopftransplantation zu entscheiden. Je nach dem, im Sinne des Sender-Empfänger-Prinzips, ist der Begriff „Körper-“ oder „Ganzkörper-Transplantation“ sogar stimmiger. Denn der Empfänger wird in den meisten Fällen wohl eher der Kopfbesitzer (Head Owner) und nicht der Körpereigentümer (Body Owner) sein.
Aber woher sollen die möglichst jungen und gesunden Körper kommen? Die meisten sonstigen Organspender kommen dafür nicht in Frage, da die zu spendenden Körper häufig bereits an irgend etwas gestorben sind, womit sie keine perfekten Spenderkörper darstellen. Das gilt insbesondere für sie sonst so beliebte Organspendergruppe der Motorradfahrer.
Eine geeignete, aber leider sehr kleine Gruppe stellen die „Kopfschuss-Selbstmörder“ dar. Hier bleibt quasi der ganze Körper heile und transplantierbar. Aber, wie gesagt, sehr kleine Gruppe…
Eine sehr interessante Spendergruppe hingegen sind die Strafgefangenen, die auf die Todesstrafe warten. Auch terminlich sehr praktisch! Denn hier kennt man schon frühzeitig den exakten Spendetermin und könnte daher alle sonstigen notwendigen Transplantationsvorbereitungen treffen. In Zukunft sollte man allerdings auf körperschädigende Tötungsverfahren verzichten. Logisch, dass sich ein vergifteter oder durch elektrischen Stuhl völlig verbrutzelter Körper schlecht für eine Transplantation eignet.
Daher setzt sich die „IHTG“ („International Head Transplant Group“) in Zusammenarbeit mit Gilette (bzw. Procter & Gamble) für die Wiedereinführung eines sehr erfolgreichen, wenngleich veralteten Verfahrens ein, das Kopftransplanteure das Herz höher schlagen lässt: die gute alte Guillotine! Gillette arbeit derzeit schon an einer sauberen und präzisen Technik, die schon in einigen Jahren unter der Produktbezeichnung „Gillettine“ einsatzbereit sein soll.
Schon jetzt taucht allerdings eine soziale Problematik im Spender-Empfänger-Kontext auf. Zu viele Schwarze warten derzeit in Todeszellen (vor allem in den USA), während der Großteil des Empfängerklientels Weiße sind. So könnte es, nach derzeitigen Erwartungen von der IHTG, zu Fällen von sogenanntem „körperinternen Rassismus“ kommen. Michael Jacksons persönlicher Hautaufheller sieht dabei in der heutigen und, vor allem, morgigen Technik aber noch großes Entwicklungspotential, auch schwarze Haut entschieden weißer darzustellen. Er selbst bezeichnet sein, wie er findet erfolgreiches, Verfahren als „Schwarz-Weiß-Malerei“.
Kleines techniches Problemchen derzeit noch: die OP selbst! Hmmm…! Zwar lassen sich in OPs an Ratten schon einwandfrei Kopf vom Rumpf trennen und auch erfolgreich transplantieren. Inzwischen überleben sogar einige Ratten diesen Eingriff. Allerdings hatte bisher noch kein Rattenkopf tatsächlichen Zugriff auf den Spenderkörper, konnte ihn also nicht bewegen. Was, zugegeben, schon ein bisschen blöd ist. Aber wir sind ja erst am Anfang des Wahnsinns! Ich bin sicher, unsere Enkel werden sich über solche OPs gemeinsam mit ihren Klonen kaputtlachen.
Vielleicht besser, gar keine Enkel in diese Welt zu setzen (oder so ähnlich…)!
(Wer übrigens glaubt, der Herr Boe dreht mal wieder völlig durch, für den dieses: Neurowissenschaftler Sergio Canavaro plant eine Kopftransplatation für 2017. Und es hat sich sogar schon ein freiwilliger Kopf gefunden, nämlich der von Valery Spiridonov, der an einem unheilbaren und tödlichen Muskelschwund leidet! So viel für heute zum Wahnsinn!)