Dümmer geht immer

Rizinöser Apfelsaft

Gepostet am

Rizinöser Apfelsaft

Nach meiner Schulter-OP vor zehn Jahren verbrachte ich noch einige Tage in der Uniklinik in Marburg. Ein Side-Effect meines zumeist liegenden Aufenthalts war, dass neben meinem Kreislauf auch die Peristaltik meines Magen-Darmtrakts stark heruntergefahren war. Das bedeutet, die tägliche orale Nahrungsaufnahme funktionierte, aber irgendwo auf dem Weg zur gegenüber liegende Körperöffnung hatte sich ein Stillstand eingestellt.
Ich weiß nicht, wann Ihr das letzte Mal drei Tage ohne Bewegung im Bett gelegen habt. Aber irgendwann stellt man sich die Überlegung an, wie das weitergehen soll und was die Folgen für die unteren Verdauungsorgane sein könnten. Wer weiß schon, wie groß (in Kubikmetern) das Fassungsvermögen des Dickdarms war?
Um der Peristaltik auf die Sprünge zu helfen, bietet sich Bewegung an. So sind zum Beispiel keine Fälle von Verstopfung bei Trampolinspringern bekannt. Das regelt sich von alleine! Was bei mir ja normalerweise hilft, ist Kaffee. Der aufmerksame Leser vermutet richtig. „Normalerweise“ heißt hier: nicht in diesem Fall!
Am dritten Morgen fragte ich das Personal beim Abräumen des Frühstücks, ob es sich beim servierten Kaffee denn um koffeinfreien handele. Die zuständige Schwester bejahte dies. Wie ich denn darauf komme. Naja, drei Tage ohne WC-Besuch seien bei mir nun mal selten und ich habe eigentlich eine sehr koffeinaffine Peristaltik. Ah so! Sie verstehe. Sie werde mir dann mal einen warmen naturtrüben Apfelsaft bringen – zwinker, zwinker. Das werde schon helfen!
What…?! Warmer Apfelsaft? Zwinker, zwinker? Hatte ich da etwas verpasst? Wo war ich hier doch gleich? „Ergänzen Sie bitte möglichst spontan!“ Krankenhaus, Verstopfung, Schulmedizin…! Na? Naturtrüber Apfelsaft, natürlich! Konnte man mir, wo ich schon mal im Krankenhaus war, nicht ein seriöses Angebot gegen meine Verstopfung anbieten? Warmer Apfelsaft? Sah ich so naiv aus? Ich glaubte ja auch nicht an „Brustvergrößerung durch Handauflegen“, obwohl ich das Jahrelang praktiziert hatte.
Fünf Minuten später hatte ich ein Glas mit warmem, naturtrübem Apfelsaft in der Hand. Ich sagte artig Danke und lächelte dazu. Nun gut. Was konnte es schon schaden? Meine Erwartungshaltung war so gering, dass sie enttäuscht werden musste. Denn kaum runtergeschluckt, spürte ich schon ein Rauschen im Magen. Kann man ein Rauschen im Magen spüren? Ohhh ja! Hmm, interessant! Kurz nach dem Magen kommt der Zwölffingerdarm. Das ist zwar nichts Neues, aber gespürt und gehört hatte ich ihn, meiner Erinnerung nach, noch nicht derart deutlich. Hmm, hört, hört!
Gedanklich und akustisch (!) folgte ich dem Saft auf dem Weg durch meine Innereien: Dünndarm (aha!). Zum Rauschen kamen ein Zischen und Gurgeln, sodass mein Zimmernachbar aufwachte, also der im Nachbarzimmer!
(*Anmerkung: In meiner Zeit in Sachsen-Anhalt lernte ich den schönen Ausdruck „Wanstrammeln“ für Bauchschmerzen kennen. Dies war so ein Moment, in dem es ordentlich in meinem Wanst rammelte!)
Ich hörte ein Klappern. Hmm, was das die Bauhin-Klappe gewesen? Dann hatte das Reinigungskommando jetzt den Dickdarm erreicht. Wie lange blieb mir wohl noch, wenn der Apfelsaft in gleichen Geschwindigkeit die restlichen 1,5 Meter Dickdarm zurücklegte? Ich sparte mir den schriftlichen Rechenweg und ging vorsichtshalber direkt aufs Klo. Gute Entscheidung! Denn eine knappe Minute später war ich auch schon meine dreitägigen Sorgen los.
Soso! dachte ich. Warmer naturtrüber Apfelsaft also…? Nicht schlecht! – Aber aber! nörgelte mein inneres Team für Misstrauen und Verschwörungstheorien. Vielleicht lachten sich die Schwestern auf dem Schwesternzimmer auch bereits kaputt, da sie mir, natürlich unbemerkt, einige Tropfen Rizinusöl in den Saft geträufelt hatten. Hmm, ja was denn nun…?!

Als ich aus dem Krankenhaus kam, befragte ich meine Oma, was sie denn davon halte. Ihre Antwort: „Ich hätte dir eine Flasche Bier verschrieben! Denn: Hopfen sorgt für freie Fahrt!“
Und wer erinnert sich nicht an eine solche Hopfensituation? Am Morgen nach einer bierseligen Nacht geht einem besagtes Geschäft doch recht leicht vom Darm!

Die Frage bleibt, hätte mir die Schwester im Krankenhaus auch wahlweise ein Bier ans Bett gebracht? Vielleicht ein naturtrübes…? Vielleicht beim nächsten Mal…!

Zucchini – das Arschlochgemüse

Gepostet am Aktualisiert am

Zucchini – das Arschlochgemüse

Wenn ich die „goldene Himbeere“* für besonders schlechte Performance an ein Gemüse verleihen sollte (eine Frage, die man sich ja schon mal stellen kann!), dann würde ich die Zucchini wählen.
(*kleine Erklärungshilfe plus Nachruf: Die „goldene Himbeere“ ist der „Anti-Oskar“, der an den/die schlechteste/n Schauspieler/in vergeben wird. Häufigste Preisträgerin ist im Übrigen Madonna! Wenn ihr also für Eure Hauszucchini, nachdem ihr sie mit Schelllack haltbar gemacht habt, einen Namen braucht, würde Madonna ganz gut passen! Apropos Hausobst: meine Grapefruit Grace hat ihre/meine Entwachsungskur nicht überlebt! Ciao Babe Grace! Ich werde dich vermissen! Es war schön mit dir!)
Wäre TommiBoe eine Gemüse-Rating-Agentur dann würde ich Zucchinis auf Kompostniveau abwerten. Für mich ist Zucchini das Arschlochgemüse schlechthin!
Sie wächst und wächst und wächst immer weiter, bis sie den Zaun zur Seite gedrückt und Nachbars Erdbeeren plattgemacht hat, und schmeckt nach nichts – es sei denn sie ist bitter oder holzig.
Jetzt mal im Ernst: Wer braucht Zucchini? Mal abgesehen als ökologisch einwandfreies Sexspielzeug… – Die Antwort ist: die Hackfleischindustrie! Denn kein anderes Gemüse eignet sich besser als „Objektträger für Hackfleisch“. Einfach die Zucchini-Innereien rausschmeißen und je nach Größe mit ein bis fünf Kilo Hackfleisch auffüllen. Es gibt auch keine ablenkende Geschmacksbelästigung durch das Gemüse. Denn Zucchinis sind ja zum Glück weitestgehend geschmacksneutral. Wenn man bei Amazon Zucchinis bestellt, bekommt man vermutlich auch gleich den Tipp: „Kunden, die Zucchini kauften, kauften auch Hackfleisch!“

Arschlochgemüse darf (sollte und muss!) letztlich aber auch als Gemüse von Arschlöchern verstanden werden. Während meines dreijährigen Aufenthaltes im sachsen-anhaltinischen Ausland arbeitete ich für einen kleinen aber feinen Verein. Unsere ersten Monate wohnten/ hausten wir in einem alten, abgewrackten Schloss in einem nicht besonders fremdenfreundlichen Dorf. (Um Missverständnisse zu vermeiden: Danach zogen wir in ein anderes nicht so fremdenfeindliches Dorf mit einem anderen alten, runtergekommenen Schloss.) Unter „fremd“ muss man sich gar nichts Ausländisches vorstellen. Es reichten schon das Nachbardorf, klarer Menschenverstand oder der aufrechte Gang aus, um Unruhe und Argwohn ins Dorf zu bringen. Oder eben eine andere Gesinnung als die der Einheimischen. Und die hatten wir. Der Bürgermeisterarsch (und ich halte das für die positivste mir mögliche Bezeichnung) tat sein Möglichstes, um uns das Leben in seinem Dorf noch schwerer zu machen.
Und das einzige, was wir vom Dorf an Zuwendungen erwarten konnten, waren ihre Zucchinis, die im Schutze der Dunkelheit vor die Schlosstüre gerollt wurden. Die Exemplare waren so groß, dass wir morgens die Tür kaum aufbekamen. Da man sie nicht alleine anheben konnte, musste sie also vorm Weitertransport erst einmal zurechtgesägt werden. Na, danke!
Das Positive an Zucchini mag sein, dass man in Notzeiten mit den Erträgen das halbe Dorf ernähren kann. Nur blöd, wenn gerade keine Notzeiten sind und einem das halbe Dorf jeden Nacht mit seinen hölzernen, geschmacksneutralen Zucchinis zumüllt, sodass man regelrecht darauf hofft, der Scheiß Sommer möge endlich zu Ende gehen.
Jedenfalls hatten wir keine Chance, uns durch diesen Zucchiniberg hindurchzufressen, obwohl wir regelmäßig große Gästegruppen zu bekochen hatten. Meine persönliche Zucchini-Sättigungskurve ist erreicht und ich glaube kaum, dass ich je wieder unter den Grenzwert komme. Auch soll mir keiner mit originellen Zubereitungstipps kommen. Ich kenne sie alle! Wer also Ärger will, serviert mir Zucchini, das Arschlochgemüse.
Zum Abschluss noch ein kleines Gemüsezitat von meiner Oma. Sie hat mir mal gesagt: „Wer keine Gemüsesuppe zubereiten kann, der ist entweder zu faul zum Gemüseschnippeln oder einfach nur zu blöd zum Wasserkochen.“
Ach ja. Zucchinis haben in einer Gemüsesuppe natürlich auch nichts verloren. Versteht sich von selbst!

 

Auch wenn sie in neuem Gewand daher kommen, wie hier als kleine, süße, runde Bio-Baby-Zucchini! Arschloch bleibt Arschloch!

zucch1n2

Hier geht’s zu den anderen Gemüse-Geschichten:

https://tommiboe.wordpress.com/category/gemuse/

Über Radieschen und anderes Obst

Gepostet am Aktualisiert am

Über Radieschen und anderes Obst

„Wer über Obst schreibt, ist ein guter Mensch!“ Das zumindest hat meine Oma mal gesagt. Kann mich leider überhaupt nicht mehr an den Zusammenhang erinnern. Meine Mutter ließ mich wissen, als ich sie danach fragte, ob sie diesen Spruch noch einordnen könne, dass ich da wohl, mal wieder, etwas falsch verstanden habe (hörte ich da als guter Sohn etwa einen Vorwurf mitschwingen…?) oder aber dass mein Oma zu der Zeit schon ein wenig „wunderlich“ gewesen sei.
Tja, wenn Zeitzeugen nicht funktionieren, dann muss man schon sich selbst oder der wunderlichen Oma vertrauen. Denn ich höre sie noch heute sagen: „Wer über Obst schreibt, ist ein guter Mensch!“
Zugegeben, es klingt ein wenig wie „Böse Menschen singen keine Lieder“. Aber bei diesem Spruch wurde leider nie hinreichend geklärt, wer diese Lieder eigentlich geschrieben hatte, um sie dann von guten Menschen singen zu lassen. Oder „One apple a day keeps Putin away!“ Aber das führt (mal wieder) zu weit… Und ich will gar nicht politisch werden und, wenn man unseren Ex-Landwirtschaftsminister zitiert, müsste man sich eigentlich schon wieder aufregen. Ha! Will ich aber heute gar nicht. Außerdem vertraue ich ohnehin mehr den Zitaten meiner Oma als denen von Christian Schmidt. Selbst wenn es darin um Obst gehen sollte!
Schließlich hat mir meine Oma beigebracht: „Wer ein Bier holen kann, der kann auch zwei holen!“ Hat mir schon oft geholfen! Könnte ihr gerne mal ausprobieren!
Zurück zur Sache! Frage: Bin ich auch noch ein guter Mensch, wenn ich schlecht über Obst schreibe? Oder ist das heutige Obst überhaupt noch das, was meine Oma damals damit meinte…? Denn sie dachte bestimmt nicht an eine Mango, die vierzig Tage auf einem Schiff mit 10000 anderen Mangos und noch mal 10000 anderen Containern über so viele Weltmeere geschippert wird, bis sie endlich reif ist oder zumindest das, was wir dafür halten. Hmm…?! Zumindest hätte sie mit besagten 40 Tagen wenigstens die Quarantäne eingehalten – und zwar wortwörtlich!
Mal abgesehen davon, dass meine Oma noch Gemüse im Garten hatte, das wie Gemüse schmeckte und nicht bloß so aussah, als hätte es einige Gemüse-Model-Wettbewerbe bei RTL 2 gewonnen. Eine Gesellschaft, die sich Lippen und Titten machen lässt, lässt sich eben auch Tomaten und Radieschen machen. Das geht oberflächlich dann schon manchmal in Ordnung. Früher kam es auch beim Gemüse noch auf die inneren Werte an, nicht nur auf eine verbraucherfreundliche Oberweite, äh, sorry, Oberfläche natürlich! – Tja, jede Generation bekommt das Gemüse, das es verdient.
Eine Aubergine soll nicht glänzen, lächeln, wie ein Flummi vom Boden zurückhüpfen und dabei Lieder singen, sondern in Olivenöl baden und schmecken. Und wer sie nicht rechtzeitig zubereitet, dem soll sie gefälligst wegschimmeln! „Ich hab mir doch da vor drei Monaten eine Aubergine runtergeladen und im 3D-Drucker ausgedruckt. Die muss doch noch gut sein!“ Nein, verdammt, muss sie nicht!

Wir alle wissen, dass die Wahrheit unendlich viele Spielarten hat. Aber was wissen wir schon wirklich und was wissen wir alles nicht, was noch viel wirklicher ist? Und ebenso hat die Geschichte Null Chance gegen die Geschichtsschreiber. Hat meine Oma Elisabeth diesen Spruch nun rausgelassen oder nicht? Spielt ja auch keine Rolle! Im Zweifel für den Angeklagten. Aber in jedem Fall ist folgender Spruch verbrieft. Könnt ihr gleich in euer Poesiealbum kleben: „Die besten Radieschen sind von Oma Lieschen!“ – Die hatten noch Feuer! Heute schmeckt ja alles irgendwie wie Gurke!

über radieschen02
Und wenn ihr euch fragt, wird dieser Artikel noch bekloppter? Dann natürlich: Ja. Ich erinnere an den LIDL-Werbeclip, in dem die Frage „Woran erkennt man gutes Obst?“ original mit „Gutes Obst erkennt man an gutem Obst!“ beantwortet wird. Danke, LIDL!

 

Und hier geht’s zu Grace, meiner Grapefruit.

https://tommiboe.wordpress.com/2015/02/25/uber-grapefruit-und-anderes-gemuse/

Außerdem kann man sich aus Radieschen rosarote Elefanten schnitzen!
Und günstiger Helloween-Spaß lässt sich auch basteln.
Spart einem auch die unvermeidbare Kürbissuppe!

Armutsverniedlichungsbericht

Gepostet am Aktualisiert am

Der Armutsverniedlichungsbericht ist da!

Armin Käfer…? Schon mal gehört? Nicht…? Ich auch nicht. Bisher! Er schreibt für die Stuttgarter Zeitung und braucht, in der Ausgabe vom Freitag, 20. Februar, gerade mal 30 Zeilen, um die aktuelle Nachricht vom Paritätischen Wohlfahrtsverband (über das steigende Armutsrisiko in Deutschland) zu relativieren. Er kommt für seinen Kommentar auch völlig ohne Fakten oder Belege aus. Praktisch! Und für uns alle schön! Denn:
1. Es gehe in dem Bericht ja gar nicht um Armut in Deutschland sondern bloß um „Armutsrisiko“. Klingt doch gleich viel niedlicher oder? Könnte durchaus als Titel für ein neues lustiges Gesellschaftsspiel durchgehen.
2. Die öffentliche Hand gebe jährlich zweistellige Milliardenbeträge zur Hilfe aus.
3. „Existenzielle Armut“ sei in Deutschland selten. – Also Armut im Streichelzoo oder was?
4. Armut bemesse sich am Durchschnittseinkommen. Und wenn dieses steige, so auch die Anzahl der Armen. – Hmm, klingt ein bisschen so, als würden die Durchschnittseinkommen in Deutschland steigen oder? Lieber, Herr Käfer, von Reallohnentwicklung schon mal was gehört und eine flüchtig Ahnung, wenn man schon solche Themen kommentiert, wie die aktuellen Zahlen in Deutschland aussehen…? Ach so, war auch nur eine rhetorische Frage. Denn die Antwort ist: Offensichtlich keine Ahnung! (Zwischen 2000 und 2010 ist in Deutschland der Reallohn gesunken, dem EINZIGEN Land der gesamten EU!)
5. Geringes Einkommen sei meist eine Folge von schlechter Qualifikation. – Auch mal ein hübscher Schlag in die Fresse für ein Fünftel aller deutschen Beschäftigten, die als Geringverdienende gelten.
6. In unseren Nachbarländern sei man damit noch ganz gut bedient.

Hmm, alles also halb so schlimm und dann noch selbst verschuldet oder was?! So einfach scheint die Welt vom Verniedlichungsexperten der Stuttgarter Zeitung zu sein.
Zu den Fakten: In Deutschland leben derzeit 15,5% der Bevölkerung unter der Armutsgrenze (das ist eine weltweit einheitliche Bemessung, und sie entspricht 60 % des Durchschnittseinkommens). Zudem: Die Schere zwischen und Arm und Reich wächst weiter. Der Anteil der Rentner, die in Armutsrisiko leben, ist seit 2006 um 50% gestiegen. Ebenfalls ein hohes Armutsrisiko gilt für alleinerziehende Frauen.
Und dies ist kein Zustand sondern ein schon lange beobachteter und von der Politik weitestgehend ignorierter Prozess, der noch weiter anhalten und die Situation weiter verschärfen wird. Ist das nicht deutlich zu erkennen, Armin Käfer? Oder ist der Kommentar eher als Bewerbungsschreiben fürs Kanzleramt zu verstehen und weiß der Speichellecker Seibert schon davon?
Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Ulrich Schneider begründet die Entwicklung wie folgt: „Die Armutsrisiken sind weniger ein wirtschaftliches Problem als eines der politischen Unterlassung!“
Tja, mal wieder nichts Neues, möchte man meinen. Aber was könnte man dagegen tun, liebe Politiker? Eingreifen, regulieren, umverteilen…? Hmm… oder doch vielleicht einfach aussitzen, ablenken, weiter deregulieren und hoffen, dass die angepassten Verniedlungsorgane mitspielen und ins „ist doch alles nicht so schlimm!“-Horn blasen…? Na…? – Korrekt, war auch wieder nur eine rhetorische Frage!

Hier geht’s zu den übrigen Artikeln aus der Rubrik „dümmer geht immer“

https://tommiboe.wordpress.com/category/dummer-geht-immer-2/

Aufregen? Ja bitte!

Gepostet am Aktualisiert am

Aufregen? Ja bitte!

Muss ich mich eigentlich immer so aufregen…?
Ja! Natürlich! Was denn sonst?! Wie soll das denn gehen, sich nicht aufzuregen, angesichts der umherfliegenden Scheiße (heutzutage)?!

Dummdidumm, Scheiße ist doch gar nicht so schlimm. Scheiße ist doch eigentlich ganz schön, so schön braun. Bist doch auch St.Pauli-Fan, die sind doch auch braun…! Dummdidumm! 

Wie soll das denn gehen? Ich kann mich nicht nicht aufregen. Dann müsste ich mir ja ständig Augen, Ohren und Verstand zuhalten oder mich einer lebenslangen RTL-BILD-Dummdidumm-Hirnwäsche unterziehen. Wer über Jahre hinweg die Yahoo-Startseite liest, regt sich deutlich weniger auf, schaut sich signifikant mehr Kätzchen-Clips an, informiert sich über die neusten Busenblitzer von Doppel-D-Promi und ist einfach zufriedener und ausgeglichener als der Rest der Bevölkerung, naja, und zugeben dümmer natürlich auch. Aber das sind nur kleine charakterliche Kollateralschäden. Dumm sein, ist gar nicht so schlimm. Schließlich fickt dumm zum Beispiel bekanntlich gut. Haben amerikanische (von Yahoo finanzierte) Wissenschaftler herausgefunden.
Außerdem: Sich aufregen macht krank. Dummdidumm!
Wer sagt das denn? Und selber außerdem: Warum ist dann unsere Gesellschaft so krank? Hat die sich vielleicht zuviel aufgeregt oder was? Natürlich ist „sich aufregen“ schlecht. Schlecht fürs Establishment, schlecht für die Regierenden, die Machthaber, die Bonzen, die Allesbesitzer, die Nichtsabgebenwoller, die Drecksäcke, die Arschgeigen, schlecht für die da oben! Deswegen gibt es auch so viel Verdummungsmedien. Damit man Zuhause nicht auf dumme Gedanken kommt, sondern einfach gedankenlos und dumm bleibt. Denn dumme Menschen machen sich keine dummen Gedanken! (Wer diesem Widerspruch nicht standhält, schalte bitte wieder auf RTL!)
Dummdidumm! Aber du darfst doch deine Regierung selbst wählen! Dummdidumm!
Richtig! Auch so eine Sache, die ich nicht verstehe! Warum gibt’s eigentlich nur noch Interessen- und keine Volksvertreter mehr? Ich meine, ich finde das schon nett, dass wir als Volk, quasi symbolisch, immerhin noch die Interessenvertreter wählen dürfen. Aber wofür taugt dieser symbolische Akt überhaupt? Als ein Symbol der demokratischen Grundidee oder doch eher als Symbol der strukturellen Volksverarsche. Wenn die große Mehrheit eine große Koalition wählt, die Politik für die Großkonzerne und das Großkapital macht, hat mein Großhirn große Schwierigkeiten, das zu verstehen.

Vielleicht hab ich nicht genug Angst?! Und das ist mein Problem. Denn, wenn ich nur genügend Angst vor der Zukunft hätte, dann würde ich verstehen, warum auch ich eine Politik brauche, die nur für die obersten zehn Prozent unserer Bevölkerung gemacht wird.

Die einzigen Parteien, die überhaupt noch Interessen von Wählern vertreten, wenngleich zum Teil recht fragwürdige, sind die am linken und rechten Rand der Parteienlandschaft. Das nennen die Handpuppen der Wirtschaft dann schnell „Extremismus“, weil Extremismus, das weiß ja jeder, böse ist. Aber Vorsicht, Freunde der vorschnellen Extremisierung von Bürgerinteressen! Einige Bürger sind intellektuell noch nicht so verflacht, dass sie sich alles gefallen lassen. Vieles schon. Aber nicht alles. Andererseits kann ich die Politik auch verstehen, dass sie jetzt alles versucht, da sie ja schon mit so viel Unglaublichem durchgekommen ist.

Interessant finde ich das aktuelle Duell „Seelenfänger versus verkaufte Seelen“. Dabei wird beispielsweise die Pegida-Bewegung, wahlweise auch die AFD, als gerne auch „brauner“ Seelenfänger diskreditiert, was man vielleicht als passend und auch berechtigt bewerten könnte, wenn es nicht ausgerechnet von den „verkauften Seelen“ der neoliberalen, wirtschaftshörigen, gewinnmaximierenden Politikerkaste kommen würde. Genau die haben es nämlich zu verantworten, dass jeder fünfte Job in Deutschland nicht mehr zum würdigen Leben und Überleben reicht, womit sie jene Bürger, die sie jetzt auch noch offen diffamieren, erst in die Fangnetze der Seelenfänger getrieben haben.
Da darf man schon mal fragen: Wem dienst du, liebe Regierung? Wessen Interessen schützt du? Die der Allgemeinheit, der Solidargemeinschaft nämlich mit Sicherheit und ganz offensichtlich nicht?
Sonst würden in einem der reichsten Länder der Welt die Reichen nicht reicher und die Armen nicht ärmer werden, wie jedes Jahr der Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes beweist.

Und als Symbol des verinnerlichten Neoliberalismus im Denken der Politiker wird, statt etwas gegen diese real wachsende Armut und die klaffende Kluft zwischen oben und unten zu tun („Deutschland so gespalten wie nie!“), einfach der Bericht geschönt.
Und da soll man sich nicht weiter aufregen…? Ich denke schon, dass wir uns alle entschieden mehr und lauter und öffentlicher aufregen sollten!