Fundstücke in Fernwest
Fundstück – Heiße Schokolade
Fundstücke in Fernwest – Heiße Schokolade
Das letzte Mal, als ich eine heiße Schokolade getrunken habe, ist gefühlte 25 Jahre her.
Ich sitze in diesem historischen Moment in den Bergen vor Pucón. Gerade bin ich aus den Termas Geométricas (Hot springs) als zufriedene Ursuppe zurück an Land geschwappt. Materialisiere mich gerade wieder entgegen dem überzeugenden Gedanken, dass wir eigentlich doch alle bloß Wasser sind und ins Wasser gehören, bei 38-40°C versteht sich, geschüttelt und nicht gerührt.
Ein nettes Café mit Feuerkorb und Glasfront zu den Thermalquellen lädt ein, sich etwas zu gönnen. Einem Kaffeetrinker wie mir kommt Kaffee in den Sinn. Ich weiß längst, dass das ein fehlerhafter Gedanke in Südamerika ist, und ich bin natürlich selber Schuld. Aber hin und wieder lauern positive Überraschungen. In Buenos Aires gibt’s nette Cafés mit gutem Kaffee. Italienischer Einfluss macht sich hier bezahlt, neulich in Puerto Varas konnte ich einen Ristretto bestellen und ihn auch bekommen. Aber sonst…?! Abwarten und Teetrinken.
Aber ausgerechnet Chile, das bestentwickelte Land des Kontinents, muss es völlig übertreiben. What’s wrong with you?! Sollt ihr doch das verfickte Nestlé-Logo direkt in eure Fahne mit aufnehmen. Die stellen einem in Restaurants (!) neben den Becher mit heißem Wasser eine Instant-Kaffee-Dose auf den Tisch. Und das ist keine dieser merkwürdigen Metaphern von Herrn Boe, die keine Sau versteht! Nein, sondern tatsächlich eine Dose mit Instant-Kaffee! Das ist so entwürdigend. Greift hier nicht das Völkerrecht! Die blöde UN beschimpft Uruguay, weil sie Marihuana erlauben, aber was unternimmt sie gegen Chile…?!
Bolivien zerrt Chile ja gerade wegen des in den Salpeterkriegen (im 19. Jahrhundert wohlgemerkt) verloren/geklauten Meereszugangs vor den internationalen Gerichtshof in Den Haag. Das Gleiche sollte man mit Chile wegen Verachtung der Würde des Kaffees machen!
Aber, aber… Ich bin viel zu entspannt und gut gelaunt und so bestelle ich mir eine heiße Schokolade. Natürlich ist auch das eine Fertiglösung und natürlich nicht mit Milch und natürlich viel zu süß für meinen Geschmack und natürlich auch von Nestlé (ich bin ja immer noch in Chile!). Aber trotzdem einfach herrlich! Heiß und süß und einfach mal kein schlechter Kaffee! Manchmal ist das so einfach. Hat sieben Monate gedauert. Da hätte ich Depp auch schon mal früher drauf kommen können!

Fundstück – Find a crew.net
Fundstücke in Fernwest – Find a crew.net
Auf der Fähre nach Puerto Montt hörte ich folgende bewusstseinserweiternde Geschichte von einer Belgierin, deren Zimmergenossin im Hostel sich per Internet auf einem Kreuzfahrschiff beworben hatte und die kurz davor stand, an Bord zu gehen. Die Reise sollte zu den Osterinseln und weiter nach Tahiti gehen.
Auf der Seite „findacrew.net“ kann man sich über ein Formular für verschiedene Kreuzfahrschiffe bewerben, auf dem man dann für die entsprechenden Servicetätigkeiten angelernt wird. Auf diese Weise gelangen diese Hilfskräfte bei freier Kost und Logie in die entlegensten Ecken der Welt.
Beim Ausfüllen des Bewerbungsprofils kommt man schließlich, nach vielen anderen Fragen natürlich, auch zu der Frage, ob man sich eine Beziehung mit dem Kapitän vorstellen könnte. BÄM! Kein Scherz! Wenn das mal nicht großartig ist! Das schafft eine ganz neue Dimension: „Fuck&Ride“! – Mal schauen, ob die Fragestellung demnächst auch auf den Seiten von Mitfahrgelegenheiten auftaucht. Vielleicht entstehen auch ganz neue Seiten wie „Mit-verkehr.de“ oder so ähnlich. Bin schon ganz gespannt!
Allerdings doch nicht so neu. Denn es poppt gerade eine Geschichte in meinem Hirn auf, die mir eine Schwedin auf den Galapagos-Inseln erzählt hat. Sie hatte einige Jahre als Köchin auf unterschiedlichen Booten gearbeitet. Unter anderem auch auf einem Boot, das sich unmittelbar aus den übelsten Männerphantasien materialisiert hatte, auf dem halb- bis ganz nackte junge Mädels zwischen reichen alten Säcken aus der Modell/Foto/alter-Mann-verarscht-junges-dummes-Mädel-Branche herum hüpften, um dort für irgendeinen anspruchsvollen Tittenkalender mit interessanter Rahmenhandlung zu poposieren.
Und auch wenn ich jedem alternden und einsamen Kapitän eine kleine, knackige Liebschaft von Herzen gönne (vielleicht werde ich ja selber mal ein alternder und einsamer Kapitän), befürchte ich, dass die Kalender-Fotoshooting-Strategie hinsichtlich des Fuck&Cruise-Faktors um ein Vielfaches erfolgreicher ist.
Zurück zur „Fuck a crew“, äh, „Find a crew“-Seite! Es besteht natürlich auch die Möglichkeit, dass einfach ein gelangweilter/notgeiler Computernerd die Sex-Frage beim Programmieren in den Fragebogen eingeschmuggelt hat. Aber auch das werde ich heute nicht mehr herausfinden.
Euch allen viel Vergnügen, wobei auch immer!

Fundstück – ein Trottel am Fluss
Fundstücke in Fernwest – ein Trottel am Fluss
Da sitzt er nun, der Trottel, und schaut sich die Torres del Paine an. Und er sitzt am Fluss und schaut und sitzt und schaut – immerhin am Rio Paine. Aber warum wandert er nicht? Weil der Trottel am Eingang des Parkes, wo man sich registrieren lassen muss, seine Regenjacke plus Mütze im verfickten Bus vergessen hat. Er hat noch seinen Rucksack aus der Ladeluke rausgeholt und dann das gemacht, was Trottel am besten können: das Denken eingestellt.
Der Bus ist dann artig weiter in den Park gefahren, wo es noch zwei zusätzliche Haltestellen gibt. Der einzige Plan: Warten auf den Bus, der hier um 14:30 auf seinem Rückweg wieder hier am Eingang vorbeikommt. Der Trottel hat also Zeit und setzt sich an den Fluss, um sich dort mit Flüchen einzudecken.
Immerhin ist die Aussicht schön und sogar das Wetter lächelt dem Trottel zu.


Fundstück – Verkehrsregeln am Ende der Welt
Fundstücke in Fernwest – Verkehrsregeln am Ende der Welt
Bei meinem Aufenthalt in Ushuaia war mir das seltsame Fahrverhalten der Autofahrer aufgefallen. Irgendetwas stimmte hier nicht. Mir war erst nicht so klar, was es genau war. Immer wieder, wenn ich als Fußgänger an eine befahrene Kreuzung kam, war ich unsicher und wusste nicht, welches Auto wohl anhalten und welches weiterfahren würde. Die zentrale Frage, die unbeantwortet blieb, war: Wer hatte hier eigentlich Vorfahrt? Rechts vor links, links vor rechts trotz Rechtsverkehrs, mehr Hubraum, höhere Autokennzeichennummer, mehr Promille, größerer Penis…?
Zum Teil donnerten die Autos mit ziemlich großer Geschwindigkeit in die Kreuzung, sodass sie unmöglich erkennen konnten, ob von links oder rechts ebenfalls jemand etwas von der Kreuzung wollte, geschweige denn die Größe des Penisses. Was recht gefährlich aussah. Auch gab es natürlich keine Vorfahrtsschilder, die eine solch offensive Fahrweise rechtfertigten. Wachte ein feuerländischer Schutzengel über seine Schäfchen? Oder hatte es doch etwas mit der Coriolisbeschleunigung zu tun, die bekanntlich auf der Südhalbkugel in die andere Richtung ablenkt?
Auf der Fahrt zum Flughafen fragte ich meinen Taxifahrer und der kam tatsächlich mit einer plausiblen Erklärung daher. Das Straßennetz in Ushuaia ist grundsätzlich als Schachbrettmuster angelegt. Da sich die Stadt vom Beagle-Kanal aus am Hang hochzieht, verlaufen die einen Straßen parallel und die anderen senkrecht zum Gefälle und zum Teil ziemlich steil. Daraus ergibt sich besonders im feuerländischen Winter eine gewisse Verkehrsgefährdung. Und damit auf dem unter Umständen glatten Untergrund die bergauf- und die bergabfahrenden Autos nicht zu riskanten Bremsmanövern gezwungen werden, haben diese hier Vorrang und jene Autos, die ohne Gefälle parallel zum Hang unterwegs sind, müssen die Vorfahrt achten. Und um das nicht zu kompliziert zu machen, hält man sich auch im Sommer daran. Bei allen anderen Fällen, in denen sich die Fahrer selbst nicht ganz klar sind, sieht man sie, wie sie sich gegenseitig zu- und über die Kreuzung winken. Und zwar nicht mit dem ausgestreckten Mittelfinger! Vernunft und Straßenverkehr scheinen sich also nicht grundsätzlich auszuschließen, zumindest am Ende der Welt…

