patagonien
Torres del Paine
Torres del Paine
Eines der Highlights Patagoniens schlechthin: der Parque Nacional Torres del Paine. „Torres del Paine“, das schon mal vorweg, bedeutet nicht „Türme der Schmerzen“, in Anspielung auf die Qualen und Entbehrungen, die seine Bewanderung mit sich bringen, sondern „blaue Türme“. In Puerto Natales habe ich mir für meine achttägige Wanderung meine Ausrüstung ausgeliehen: Zelt, Schlafsack, Matte, Kochset. Außerdem landen Verpflegung und ALLE warmen Kleidungsstücke, die ich dabei habe, im Rucksack. Man weiß ja nie, was einen wettertechnisch am Ende des patagonischen Sommers erwartet. Oder wie steht es so schön an einem Camp an der Hütte der Ranger geschrieben: „Fragt erst gar nicht, wie das Wetter wird. Wir sind in Patagonien!“ So spart man sich viele Fragen von nervenden Touristen. Auch eine praktische Dienstleistungseinstellung!
In jedem Fall spielt das Wetter eine wichtige Rolle. Schon bei meinem Start wird mir gesagt, dass der Paso John Gardner, mit 1200 Meter die höchste Stelle des Trecks, zurzeit wegen Schneefalls, schlechter Sicht und starkem Wind gesperrt sei. Das bedeutet, dass man das so genannte „O“, die große acht-Tage-Runde nicht laufen kann. Es bleibt aber unklar, wie lange das dauere. Schließlich sind wir ja in Patagonien. Ach richtig, gar nicht erst fragen…!
Und so kommen mir auf den ersten beiden Tagen reihenweise Wanderer entgegen, die die große Runde abbrechen mussten. Meine zweite Nacht verbringe ich bei ruhigem Wetter im Campamento Dickson in der vagen Hoffnung, dass der Pass vielleicht doch noch passierbar wird. Ansonsten muss auch ich umkehren, um nicht noch weiter in die „falsche“ Richtung (Sackgasse) zu laufen. Am nächsten Morgen tendiert meine Stimmung sehr zum Umkehren. Aber dann wird überraschend vom Ranger signalisiert, der Pass sei offen. Also los! Mittags bin ich am Campamento Los Perros, um direkt die Passquerung angehen zu können. Aber inzwischen ist das Wetter umgeschlagen, Schneefall und Sicht unter 10 Meter bedeuten: Der Pass ist wieder zu! Meine Stimmung ist bescheiden. Die Schneefallgrenze sinkt und es beginnt, auch im Camp zu schneien. Tolle Aussichten für den nächsten Tag also. Außerdem ist mir kalt und alle Klamotten sind nass. Ich will zu meiner Mama!
Aber irgendwie bekommt das Glück doch noch die Kurve. Denn am nächsten Morgen ist klare Sicht. Wir erwischen ein Gutwetterfenster und die Ranger lassen uns in einer Gruppe von 20 Personen aufbrechen. Mit der Auflage, dass wir alle zusammen bleiben! Die Ranger sind streng und auch ein bisschen nervös, weil vor zwei Monaten auf dem Pass ein Argentinier verschollen und bis heute nicht wieder aufgetaucht ist. Und vor ein paar Tagen wurde einer Gruppe, die trotz Schlechtwetters aufbrechen wollte, mit der Polizei gedroht.
Wir bekommen aber grünes Licht und dürfen den Paso John Gardner queren. Tolles Erlebnis bei Schnee und Wind aber guter Sicht! Oben auf dem Pass bläst es dann auch richtig. Aber der Blick auf den Gletscher Grey entschädigt und der folgende Abstieg durch den teils knietiefen Schnee ist ein großer Spaß.
Zur Belohnung gibt es an der Bar des nächsten Refugios einen „Pisco Sour“. Denn mit dem Pass liegt der härteste Brocken der Tour in jedem Fall hinter uns.


Fundstück – ein Trottel am Fluss
Fundstücke in Fernwest – ein Trottel am Fluss
Da sitzt er nun, der Trottel, und schaut sich die Torres del Paine an. Und er sitzt am Fluss und schaut und sitzt und schaut – immerhin am Rio Paine. Aber warum wandert er nicht? Weil der Trottel am Eingang des Parkes, wo man sich registrieren lassen muss, seine Regenjacke plus Mütze im verfickten Bus vergessen hat. Er hat noch seinen Rucksack aus der Ladeluke rausgeholt und dann das gemacht, was Trottel am besten können: das Denken eingestellt.
Der Bus ist dann artig weiter in den Park gefahren, wo es noch zwei zusätzliche Haltestellen gibt. Der einzige Plan: Warten auf den Bus, der hier um 14:30 auf seinem Rückweg wieder hier am Eingang vorbeikommt. Der Trottel hat also Zeit und setzt sich an den Fluss, um sich dort mit Flüchen einzudecken.
Immerhin ist die Aussicht schön und sogar das Wetter lächelt dem Trottel zu.


If you like wind, you’ll love Patagonia
If you like wind, you’ll love Patagonia!
Ich hab ja ein bisschen Angst! Bin natürlich auch ein Schisser, ist ja klar!
Bin seit gestern in Puerto Natales/Chile, von wo aus es morgen zu den Torres del Paine geht, dem Klassiker Patagoniens schlechthin. Heute lass ich mich schon mal probeweise durch Puerto Natales wehen, bevor morgen das richtige Starkwindwandern beginnt.
Meine letzten beiden Wandertage, noch in Argentinien von El Chaltén aus, waren schon extrem windig. Nicht schön, den ganzen Tag von den eigenen Haaren verprügelt zu werden. Auf der zweiten Wanderung wurden wir noch fünfzig Meter neben dem Fluss nass, als uns der Wind die Gischt ins Gesicht wehte. Meine leichtgebaute Begleiterin musste sich auf dem Rückweg aus Sicherheitsgründen Steine in die Taschen stecken. Eine Maßnahme, die mir dank meines schweren Knochenbaus erspart blieb. – Am Tag davor, auf dem Aufstieg zum letzten Mirador am Fitz Roy war der Seitenwind so stark, dass er mir regelrecht die Füße weggeblasen hat. Am Ende des Tages hatte ich wunde Knöchel, weil sie immer wieder im Vorbeilaufen aneinandergeweht worden waren. So etwas war mir nüchtern auch noch nicht passiert! Bei beiden Wanderungen war es jedenfalls am Zielort, dem vermeintlich besten Aussichtspunkt, kaum ein paar Minuten auszuhalten.
Das Beruhigende dabei: Am Abend war man wieder im warmen Hostel. Diese Aussicht werde ich in der nächsten Woche nicht haben. Da wird gezeltet, falls es mir nicht vorher wegfliegt oder mich unfreiwillig zum Kitesurfer macht. Das wollte ich ja immer schon mal ausprobieren. Die Wind- und Wettervorhersage ist zumindest nicht sparsam im Umgang mit Windstärken. Da werde ich wohl das ganz kleine Segel einpacken…
Aber auch auf den sonstigen Reisealltag hat der Wind seine Auswirkungen, wie das heutige Foto vor der chilenische Flagge zeigt, das eigentlich als Windbeweis dienen sollte. Erstmals auf meiner Reise musste ich für ein Selfie beide Hände an die Kamera nehmen, weil es mit einer Hand nicht möglich war!


Fundstück – Desayuno Argentino
Desayuno Argentino
Reisen ist ja nicht nur schön! So gibt es auch Dinge, die ich definitiv nicht vermissen werde. Gutes Beispiel dafür: Frühstück in Hostels. Okay, was will man/ich erwarten?! Und eine Beschwerde aus dem Mund eines Menschen, der schon Schwierigkeiten hat, frühmorgens Essen zu sehen oder daran zu denken, ohne dass ihm übel wird, und dessen Frühstück aus Coffee- und Brezel-to-go besteht, sollte wirklich keine Referenz sein. Andererseits müssten alle mitteleuropäischen Normalfrühstücker hier erst so richtig wahnsinnig werden.
Aber heute morgen…! Heute morgen…! Dabei ist es ein sehr nettes Hostel sogar mit einem ansässigen Restaurant. Und das Essen sah abends auch ganz lecker aus. Aber das Frühstück…! Selbst einem abgestumpftem Sinn mit quasi Null Erwartungshaltung schlägt so ein Frühstück ins nüchterne Gesicht. Schlimmer dünner Kaffee mit in heißem Wasser aufgelöstem Milchpulver ist ja nichts Ungewöhnliches mehr und ich verstehe solche Beleidigung inzwischen als großangelegtes, wenn auch übertriebenes Toleranztraining. Als „“Essen““ wurde heute folgendes „“Büffet““ feilgeboten (hier sind doppelte Anführungszeichen unumgänglich): schon vorbereitet und hinreichend abgekühlt ein paar Dutzend ganz schwach getoastete Toastbrotscheiben, daneben ein großer Teller vollgestapelt mit portionierten Butterbrocken und auf einem Teller daneben drei (3!) kleine Erdbeermarmeladenportiönchen. Dazu weiter nichts. Ach, doch, ich vergaß. In meiner Not wähle ich die Cornflakes (worauf ich in einem normalen Leben nie zurückgreifen würde!). Allerdings enthält die bereitgestellte Karaffe nicht die erwartete Milch sondern kaltes Wasser mit sehr wenig Milchpulver. Das fällt mir allerdings erst beim Probieren auf. Muss man aber zu Hause nicht nachmachen. Denn: ganz doll BÄÄH!!!
Ich lasse meinen angebissenen Toast, meine aufgeweichten Cornflakes und meine halbvolle Tasse Wasauchimmer möglichst lieblos stehen und gehe ins Städtchen. Ich finde ein Café, das auch tatsächlich Kaffee serviert und bestelle dazu die Rettung eines argentinischen Frühstücks: „Medialunas“, denn die gibt es im Gegensatz zu ALLEN sonstigen Backwaren hier auch „saladas“ / salzig und nicht bloß „dulce“, was richtig übersetzt übrigens nicht „süß“ sondern „extrem süß“ bedeutet.
Was mich zu der Unterhaltung bringt, die ich häufig mit Südamerikanern führe. Was ich denn so frühstücke, wenn ihr Frühstück schon nichts tauge? Naja, jetzt nicht an einem normalen Morgen um 7:00. Dafür ist die Antwort einfach: Nix! Aber mit Zeit, Appetit und Spaß…? Aber egal, was ich dann nenne, der Südamerikaner schüttelt nur unwissend und oder ungläubig den Kopf. Denn was weiß er schon über Brezeln, Brötchen, Käse, Salami, eingelegte Tomaten oder Oliven? Auch diese Antwort ist einfach: Nix! – Schade eigentlich!
Oh, was werde ich frühstücken, wenn ich zurück auf dem guten alten Heimatkontinenten bin…!
Auslassgletscher mit Kalbungsfront oder: Rosenmontag aber mal ganz anders!
Auslassgletscher mit Kalbungsfront oder: Rosenmontag aber mal ganz anders!
Definitiv ganz großes Kino und ganz doll „Wow!!!“ – Nun bin ich also da gewesen, am vielleicht weltberühmtesten Gletscher. Wie man das auch immer in einer Zeit mit Weltrekord verdächtig vielen Superlativen nennen mag. Ist ja auch wumpe! Jedenfalls beeindruckend ist dieser Gletscher – wow!
Der Perito Moreno ist einer der größten „Auslassgletscher“ der Welt und schiebt sich mit einer Geschwindigkeit von ungefähr drei Metern pro Tag in den Lago Argentino. Damit ist er der Sebastian Vettel unter den Formel-1-Gletschern, lassen wir mal die aktuellen Schwierigkeiten vom Red-Bull-Boliden außer acht. Der Perito Moreno bewegt sich derart konstant und zuverlässig, dass der Ort El Calafate, 80 Kilometer vom Gletscher entfernt, in einer völlig monozentrierten Abhängigkeit von diesem Naturspektakel steht. Zum Glück zieht sich der Perito Moreno nicht wie andere patagonische Gletscher zurück, hat also keine negative Massenbilanz. Hoffen wir mal für alle Touris und El Calafate, dass das trotz Klimaerwärmung so bleibt.
Jedenfalls garantiert diese Konstanz quasi jedem Reisenden jeden Tag die Möglichkeit, dem Gletscher beim Kalben zu beobachten. Riesige Eisblöcke stürzen sich dabei aus der 60 bis 80 Meter hohen Eiswand in den Lago Argentino. An der flachsten Stelle des Sees drückt es die Wand sogar bis auf über 100 Meter Höhe über das Seeniveau. Diese Eiswand nennt man in Geographenkreisen, und es ist damit mein Angeberwort des Tages: „Kalbungsfront“! Die berühmteste Kalbungsfront Deutschlands ist im übrigen Ursula von der Leyen. Ta-ta! Sorry, aber zumindest ein übler Kalauer während des Karnevals muss erlaubt sein!
Apropos, eine kleine Karnevalsgruppe hat es am Rosenmontag auch zum Gletscher geschafft, nachdem ich sie am Tag vorher noch in El Calafate auf der Straße gesehen habe. Ja, Straßenkarneval in Patagonien, aber so richtig im ganz kleinen Stil!
Aber beim Gedanken an Karneval kommt auch an so einem tollen (nicht jecken!) Tag ein bisschen Wermut auf – äh, Wehmut natürlich (Sorry, bin wohl ein bisschen im Karnevalsspaßmodus). Aber nächstes Jahr werde in dieser Jahreszeit wieder meine übliche Rheinland- plus Gran Canaria-Tour machen. So! Jetzt aber nur kurz geweint, Tränen weggewischt und schnell den Rotz wieder hochgezogen. Denn: wie übelst krass war dieser Auslassgletscher mit Kalbungsfront!


