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Auslassgletscher mit Kalbungsfront oder: Rosenmontag aber mal ganz anders!
Auslassgletscher mit Kalbungsfront oder: Rosenmontag aber mal ganz anders!
Definitiv ganz großes Kino und ganz doll „Wow!!!“ – Nun bin ich also da gewesen, am vielleicht weltberühmtesten Gletscher. Wie man das auch immer in einer Zeit mit Weltrekord verdächtig vielen Superlativen nennen mag. Ist ja auch wumpe! Jedenfalls beeindruckend ist dieser Gletscher – wow!
Der Perito Moreno ist einer der größten „Auslassgletscher“ der Welt und schiebt sich mit einer Geschwindigkeit von ungefähr drei Metern pro Tag in den Lago Argentino. Damit ist er der Sebastian Vettel unter den Formel-1-Gletschern, lassen wir mal die aktuellen Schwierigkeiten vom Red-Bull-Boliden außer acht. Der Perito Moreno bewegt sich derart konstant und zuverlässig, dass der Ort El Calafate, 80 Kilometer vom Gletscher entfernt, in einer völlig monozentrierten Abhängigkeit von diesem Naturspektakel steht. Zum Glück zieht sich der Perito Moreno nicht wie andere patagonische Gletscher zurück, hat also keine negative Massenbilanz. Hoffen wir mal für alle Touris und El Calafate, dass das trotz Klimaerwärmung so bleibt.
Jedenfalls garantiert diese Konstanz quasi jedem Reisenden jeden Tag die Möglichkeit, dem Gletscher beim Kalben zu beobachten. Riesige Eisblöcke stürzen sich dabei aus der 60 bis 80 Meter hohen Eiswand in den Lago Argentino. An der flachsten Stelle des Sees drückt es die Wand sogar bis auf über 100 Meter Höhe über das Seeniveau. Diese Eiswand nennt man in Geographenkreisen, und es ist damit mein Angeberwort des Tages: „Kalbungsfront“! Die berühmteste Kalbungsfront Deutschlands ist im übrigen Ursula von der Leyen. Ta-ta! Sorry, aber zumindest ein übler Kalauer während des Karnevals muss erlaubt sein!
Apropos, eine kleine Karnevalsgruppe hat es am Rosenmontag auch zum Gletscher geschafft, nachdem ich sie am Tag vorher noch in El Calafate auf der Straße gesehen habe. Ja, Straßenkarneval in Patagonien, aber so richtig im ganz kleinen Stil!
Aber beim Gedanken an Karneval kommt auch an so einem tollen (nicht jecken!) Tag ein bisschen Wermut auf – äh, Wehmut natürlich (Sorry, bin wohl ein bisschen im Karnevalsspaßmodus). Aber nächstes Jahr werde in dieser Jahreszeit wieder meine übliche Rheinland- plus Gran Canaria-Tour machen. So! Jetzt aber nur kurz geweint, Tränen weggewischt und schnell den Rotz wieder hochgezogen. Denn: wie übelst krass war dieser Auslassgletscher mit Kalbungsfront!
gespaltenes Wasser
gespaltenes Wasser
Ruta de los 7 Lagos, 2. Teil
(1. Teil: https://tommiboe.wordpress.com/2014/02/16/asche-und-kase/)
Am dritten Tag liegt der längste Abschnitt der Ruta de los 7 Lagos vor mir, ca. 80-85 Kilometer. Auch hier wartet wieder ein gutes Stück Dirtroad. Die Straßenarbeiter sind dran dieses Stück zu verkürzen und asphaltieren munter vor sich hin. Ich starte um 8:00, da ich keine Ahnung habe wie lang, schlimm und mühsam die Passage ist und wie viel es wieder auf und ab geht. Der frühe Vogel… Außerdem ist um diese Uhrzeit tatsächlich noch wenig auf der Straße los.
Heute überwiegt das Positive. Die Schotterpiste ist nur für einen kleinen Teil so grottig wie gestern, außerdem hält sich die Staubbelastung heute in Grenzen, da die Piste gewässert wird, und Patagoniens Wunderwaffe der Wind erweist sich als schläfrig gestimmt. Meine Fluchdichte ist im Vergleich zu gestern verschwindend gering und Radfahren mach plötzlich wieder Spaß.
Am höchsten Punkt meiner Etappe befindet sich etwas sehr Interessantes (ja, sogar Spektakuläres für Geographen!): der „Arroyo Partido“. Hier kann man von einer Brücke aus zusehen, wie sich das Flüsschen Arroyo Partido gabelt. Es kommt mit Schwung aus den Bergen um eine Kurve herum und teilt sich dann plötzlich in zwei Flüsschen, von denen das eine in den Atlantischen und das andere in Pazifischen Ozean fließt. Verrückt was? Keine Ahnung, was das Flüsschen dazu veranlasst (naja, Gefälle vermutlich!) oder was es sich davon verspricht (Eintrag ins Guiness-Buch?)! Aber schon eine krasse Idee, sich da so mitten im Gebirge zu spalten. Vielleicht hatte es schon im oberen Flussverlauf Streitigkeiten zwischen den rivalisierenden Wassermassen gegeben. (Was weiß denn ich? Schmelzwasser gegen Regenwasser oder ähnliche Konflikte… „Dann fließ doch woanders lang!“ – „Mach ich auch!“ – „Das will ich ja mal sehen!“ – „Ja, wirste auch sehen!“ und so weiter. Wasser kann mitunter ganz schön zickig sein!)
Der (alt-)kluge Geograph hält für solche seltene Momente, und viele gibt es davon weltweit tatsächlich nicht, natürlich ein eigenes Angeberwort parat. Also Zettel raus und mitschreiben: „Bifurkation“ (da steckt „zwei“ und „Gabel“ drin, also Gabelung).
Von diesem Punkt aus geht’s dann 15 Kilometer mit viel Gefälle (Richtung Atlantik) und Gegenwind (Richtung Pazifik) hinab nach San Martín de los Andes, wo ich am Terminal vorbeirolle und schon eine Stunde später in einen Bus einsteige, der mich genau den gleichen Weg direkt wieder zurückfährt, was irgendwie auch ein komisches Gefühl ist und die Frage zurücklässt: „Wofür das Ganze?“ Aber das ist natürlich eine Frage, mit der man letztlich fast alles kontern kann. Und jetzt wollen wir mal nicht philosophisch werden um diese Uhrzeit. Denn zumindest schön war’s! Das muss auch mal reichen!
Hier zum Videobeweis:
Fundstücke in Fernwest – Mate
Fundstücke in Fernwest – Mate
Okay, okay, darüber muss ich dann wohl doch ein paar Worte verlieren. Obwohl ich mich bisher davor gedrückt habe. Aber nach Argentinien/ Uruguay zu fahren, ohne etwas zu Mate zu sagen, geht nicht. Aber, auch wenn ich damit ein ewiges Einreiseverbot erwirke: Mate ist völlig überbewertet!
Ich weiß, andere Länder andere Sitten, Toleranz, Akzeptanz, blabla… In manchen Ländern sind Kühe, Froschschenkel, Autobahnen, im Erdboden vergrabener Käse, selbstgebrannter Slivovic oder gar die Todesstrafe heilig. Warum nicht auch Mate? Bitte, geschenkt! Also relativiere ich meine Aussage: Ich finde, Mate ist völlig überbewertet. Wenn das mal keine gescheite Ich-Aussage ist!
Ich hab’s probiert, bin ja kein totaler Ignorant. Aber diese ewige Rumgezuzel, Rumgesauge, Nachschenken, Saugen, Nachschenken, Rumsaugen, den ganzen Tag Raumlaufen mit Thermoskanne. Bah! Das nervt! Es schmeckt auch nicht (mir!), aber in erster Linie nervt’s einfach (mich!). Egal wo und wann: auf der Straße, im Bus, in der Schlange stehend, am Strand, beim Einkaufen, beim Begräbnis, beim Sex…! Ach, wie schrecklich gesellig das doch ist! Immer schön nachfüllen und weiterreichen, saugi saugi, weiterreichen, saugi saugi, weiterreichen, saugi saugi… Bah! Und ich finde nicht die Tatsache eklig, dass alle am gleichen Röhrchen saugen. Das ist sogar noch das Beste dran!
Und wenn ich jetzt noch sage, dass es eine „akzeptable“ Variante davon gibt, habe ich in Uruguay und Argentinien vermutlich endgültig verschissen: Tereré. So nennt sich die paraguayische Variante. Sie wird kalt getrunken und gerne mit Zitronenlimonade oder Orangensaft statt Wasser. Und das kann tatsächlich sehr erfrischend sein! Und schmeckt auch nicht so nach Mate!
Hoffentlich liest das niemand von der argentinischen Staatssicherheit. Ich wollte eigentlich noch einen Monat in Argentinien bleiben. Aber scheiß drauf! Es musste einfach mal gesagt werden: Mate nervt! Ja, doch: Mate nervt mich! So!

Fundstück – Grüße aus Hollywood
Fundstücke in Fernwest – Grüße aus Hollywood
Ich komme mir ein bisschen wie in dem Lied von Trio Rio „New York, Rio, Tokio!“ vor, nur das alles an einem Platz ist.
Ich befinde mich nämlich gerade in Palermo, genauer gesagt, in Palermo Hollywood. Hä…?! Doch, doch, nach wie vor bin ich in Südamerika und ich habe es auch nicht mit bewusstseinserweiternden und landkartenverändernden Drogen übertrieben. Bei Palermo Hollywood handelt es sich um ein richtig nettes Wohnviertel in Buenos Aires, in dem ich gerade eine Freundin aus gemeinsamen Marburger Studientagen besuche. (Man sagt das so „Studientage“, auch wenn damit viele, viele Jahre gemeint sind!) Sie wohnt mit Mann und Tochter in einem sehr gediegenen Wohnkomplex mit viel Grün drumherum und einem Pool. Hier wird Latte Macchiato statt Mate getrunken, als wäre das der wesentliche Schritt auf der gesellschaftlichen Evolutionsleiter. Immerhin werden hier ansprechende Kaffeemaschinen benutzt, die kulturelle Entfernung nach Italien ist in Argentinien und besonders Buenos Aires ja nicht so weit.
Nachdem ich mit der dreijährigen Tochter meiner Gastgeberin ein bisschen Bade- und Schwimmspaß betrieben habe, drehe ich selbst ein paar Runden im Pool und verfolge anschließend von einem schattigen Liegestuhl aus die private Trainingseinheit eines Oberschichtssprösslings und seines Personal Bademeisters. Der vergnügt sich, während der Junge seine Bahnen abreißt, am Beckenrand mit den, nicht berufstätigen Oberschichtsgattinnen.
Ansonsten ist Palermo eine nette Abwechslung zum hektischen Wesen Buenos Aires. Platanen säumen die Straßen und bewerfen sie mit Schatten, links wie rechts laden gemütliche Cafés und appetitliche Restaurants zum Verweilen ein. Und wenn ich eine Sache während meines Sabbatjahrs perfektioniert habe, dann das Verweilen. Was allerdings extrem nervend ist, dass sich das Viertel mit Leichtigkeit zum Wettbewerb um den Titel der Hundekothauptstadt Südamerikas qualifiziert hat. Deshalb kann man sich die Stadt gar nicht richtig anschauen, weil der Blick ständig vor die eigenen Füße gerichtet ist.
Was bietet (mir) Buenos Aires außerdem? Unter anderem:
– die „Subte“: eine U-Bahn im Stile eines „Öffentlichen-Personen-Nahverkehr-Saunabetriebes“! Klingt nach einer super Geschäftsidee! in einer Zeit, in der Menschen keine Zeit mehr haben, kann man einfach schon den Heimweg mit dem Saunabesuch verbinden!
– eine Panasonic-Service-Niederlassung: So kann ich meine Kamera professionell von uruguayischem Sand befreien lassen. Allerdings verbirgt sich der Service hinter einer grünen Tür ohne Schild und ich bin jetzt von stolz wie Bolle (nicht der gleichnamige Frisbeespieler), dass ich den Laden überhaupt gefunden habe.
– Avenida 9 de Julio: die breiteste Straße der Welt, nachgemessen von einem argentinischen Forscherteam vom „Instituto para el Desarrollo del Orgullo Nacional Argentino“ („Institut zur Förderung des argentinischen Nationalstolzes“)

Fundstück – 36 Grad
Fundstücke in Fernwest – 36 Grad
„36 Grad und es wird noch heißer! Mach den Beat nie wieder leiser! 36 Grad, kein Ventilator! Das Leben kommt mir gar nicht hart vor!“
Meint Inga Humpe!
„36 Grad und es wird noch heißer! Mach den Beat nie wieder leiser! 36 Grad, Klimaanlage! Rausgehen kommt nicht in Frage!“
Meint Tommi Boe!
Es ist natürlich nicht ganz unproblematisch, eine Geschichte über eine Hitzewelle im mitteleuropäischen Januar zu platzieren. Von Beileidsbekundigungen ist daher abzusehen. In der Zeitung habe ich gelesen, dass es selbst in Patagonien deutlich über 30° hat, für Neuquén, das „Tor nach Patagonien“, wurden im Internet sogar 40° angesagt (ja, auch in Argentinien meinen die damit „im Schatten!“).
Aber es ist nicht so, als würde das nicht normal sein. Die Zeitung in Posadas meinte, dass würde sich für die Jahreszeit in den „normalen Parametern“ bewegen. Und die meinen damit 40,8°C! (siehe Foto)!
Heute (in Carmelo/Uruguay) bin ich erst um 19:30 an den Strand des Rio de la Plata gegangen. Davor war’s einfach zu heiß, liebe Freunde. Die Frau von der Rezeption meint allerdings, dass es diesen Sommer in Uruguay extrem sei. Na, immerhin. Das Wasser verspricht keine große Abkühlung. Es ist bis 100 Meter weit noch nicht mal hüfttief und dementsprechend aufgewärmt. Zumindest das Bier wird eiskalt serviert. Nicht so wie in Deutschland! Denn das eine wissen die Menschen in Südamerika über Deutschland. Und ständig werde ich darauf angesprochen, in Deutschland trinke man das Bier doch „caliente“, nicht wahr? Wobei „caliente“ warm oder auch heiß bedeuten kann. Ich muss daraufhin ganz Südamerika aufklären, dass wir unser Bier NICHT warm trinken. Apropos Bier: das war mein Stichwort! Prost!

