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Bettenstreit in den Bergen
Bettenstreit in den Bergen
Ich schlendere durch Sucre, als ich zufällig vor einem vegetarischen Restaurant zum Stehen kommee. Eine meine Teilzeitreisebegleiterinnen ist Vegetarierin. Also inspiziere ich den Laden, der einen sehr netten Eindruck macht und zudem noch eine Reiseagentur beinhaltet, die sich mit dem Attribut schmückt, 100% der Gewinne in den beteiligten Kommunen zu belassen. Also etwas für die Leute, die hin und wieder mal ein gutes Gewissen brauchen. Ich informiere mich über die angebotenen Touren, Trekking in den Bergen um Sucre und entschließe mich für den übernächsten Tag, Montag, bei einer Tour mitzumachen. Außerdem erfahre ich, dass der australische Gründer von „Condor Trekkers“ vor etlichen Jahren einen ähnlichen Verein, die Quetzaltrekkers, in Quetzaltenango/ Guatemala aufgemacht hat und mit dem ich sogar vor sechs Jahren einen Trek gemacht hatte. Deren Gewinne setzte das Projekt für Straßenkinder ein. Also hier hiken und trekken die Gutmenschen. Da wollte ich dabei sein!
Am erster Nachmittag der Wanderung erreichen wir einen „Krater“, der aber kein Vulkankrater ist, aber verdächtig so aussieht. Leider ist die Erklärung über die Entstehung („Es ist eine geologische Form“) nicht ganz hinreichend. In diesem wunderschönen Nicht-Krater liegt umgeben von Feldern Marawa, ein kleines Dörfchen. Dort befinden sich die Cabañas, die der Comunidad/ Gemeinde gehören. Auf diese Weise kommt die Gemeinde zu regelmäßigen Einkünften durch den Tourismus. Die Cabañas sind überraschend geräumig und ausgesprochen hübsch. Da hat sich offensichtlich jemand neben Mühe auch noch Gedanken gemacht. Wir legen eine kleine Siesta ein, bevor es Abendessen geben soll.
Beim Essen kursieren dann plötzlich Gerüchte, wir müssen unsere Cabañas wieder verlassen. Aha! Natürlich ist es inzwischen dunkel. Vor unserem Haus ist schon ein nervöses Volk am Start: Israelis! Das ist ja klar, dass die wieder Ärger machen.
Was ist passiert? Eine Gruppe von einer anderen Agentur, die zwar deutlich später gekommen ist, hat ebenfalls „gebucht“ („Buchen“ im eigentlichen Sinne kann man hier gar nicht!). Dabei ist unser Anbieter der einzige, der mit der Gemeinde ausdrücklich ein Abkommen geschlossen hat, das sicherstellen soll, dass die Gruppen dann auch unterkommen. So etwas haben die anderen Touranbieter nicht. Allerdings hat diese Konkurrenz schon durch einen anderen Tourguide die Unterkunft für den heutigen Tag bezahlt. Das Problem indes ist, dass die Comunidad das bezahlte Geld der anderen Gruppe nun nicht wieder rausrücken will. Sie beruft sich dabei wohl auf die Formel „Bezahlt ist bezahlt, wieder ist gestohlen!“ Damit hatte die andere Gruppe nicht die Möglichkeit, eine Unterkunft zu beziehen. Also gut, zumindest sind die Israelis dieses Mal gar nicht Schuld. Auch wenn sich einer von ihnen unmöglich emotionalisiert und derart aufregt, dass man mit ihm das ganze Dorf für ein halbes Jahr mit Energie versorgen könnte.
Natürlich ist es eine Sauerei von der anderen Agentur, trotz besseren Wissens, die Unterkunft zu bezahlen. Andererseits ist es an der Community , sich an ihre Absprachen mit den Condor Trekkers zu halten und nicht ausgerechnet diese zu verärgern, die sich ja letzten Endes in den Gemeinden engagieren und keine eigenen ökonomischen Interessen verfolgen wie die anderen privaten Anbieter. Aber die Verlockung des Geldes ist wohl auch hier einfach stärker als die Verlockung der Vernunft.
Immerhin gibt es noch eine andere, allerdings private Unterkunft im Ort. Wir ziehen also weiter. Unsere Führerin klopft lange an eine Haustür, bis endlich ein Mädchen aufmacht und erklärt, ihr Vater sei nicht da. Bravo! Wir gehen direkt zur Herberge, die friedlich im Dunkeln liegt und, zum Glück, nicht abgeschlossen ist. Die Nacht ist gesichert.
Tolle Wanderung, wunderschöne Landschaft, klasse Projekt und blöder Beigeschmack!



Zwischen den Welten
Zwischen den Welten
Zwischen den Welten! So fühle ich mich wieder, seit ich in Bolivien bin. Das meine ich weder positiv noch negativ. Aber nach den letzten Monaten in doch relativ gut entwickelten Ländern, ist die Umstellung in Bolivien riesig: auf der einen Seite das touristische Leben mit entsprechenden Ansprüchen und Angeboten und auf der anderen die spürbare Armut, durch die man mit dem Fotoapparat spaziert, als wäre es ein Erlebnispark.
In Chile, Argentinien und auch in Uruguay und Brasilien traf ich immer wieder auf einheimische Touristen, die die Highlights ihres Landes besuchten. Das fehlt in Bolivien komplett. Tourismus bedeutet hier internationaler Tourismus!
Gestern bin ich zum Mirador Recoleta gelaufen, von wo es die beste Aussicht auf Sucre geben soll. Dort befindet sich eine alte Kirche, davor ein Platz mit einem kleinen Markt, auf dem sich viele Indios befanden und, man muss schon sagen, auch etliche lagen dort herum. Viele von ihnen in Trachten. Auch das natürlich ein großer Unterschied zu den zuvor bereisten Ländern. Bolivien ist das Land Südamerikas mit der deutlich höchsten Indio-Dichte. Weder die europäischen Besatzer oder ihnen folgende Einwanderer noch afrikanische Einflüsse haben sich in der bolivianischen Bevölkerung nachhaltig eingemischt. Zwar versuchten die Spanier, wie auch in anderen Regionen, afrikanische Sklaven einzusetzen und auszunutzen. Allerdings kamen diese mit der Mischung aus körperlicher Ausbeutung und extremen Höhenbedingungen überhaupt nicht zurecht (z.B. in Potosí im Silberbergbau) und starben ihrer Ausbeutern einfach weg.
Auf der anderen Seite des Platzes (quasi nur durch eine Mauer getrennt) befindet sich mit Blick auf die Stadt das „Café Gourmet Mirador“. Der Name ist Programm! Dort residieren die internationalen Touristen – so auch ich. Denn unsere Vorstellung von „mal gemütlich einen schönen Kaffee trinken“ existiert in Bolivien einfach nicht. Punkt! Gemütlich Kaffee trinken ist Touristensache. Und schon ist man auf seinem vorgesehenen Platz! Kaffee mit Milchschaum dazu internationale Essenkarte… Die Preise sorgen dafür, dass Gringos und Artverwandte reinrassig ihre Aussicht genießen können. Da hilft es auch nicht, dass sich seit Beginn der Präsidentschaft von Evo Morales, seit acht Jahren also, die Durchschnittslöhne um 175% gesteigert haben.
Natürlich hätte ich mich auch oben auf den Platz vor die Kirche fläzen können. Vielleicht hätte ich sogar eine nette Unterhaltung geführt und ein paar Worte Quechua gelernt. Ging es nicht darum beim Reisen…? Aber…! Tja, hier ist der Unterschied zwischen den Welten so hart zu spüren, dass er Beklemmungen auslöst. Zu hart! Also bleiben wir (und ich) bequem auf „unserer“ Seite der Mauer. Der einzige Begegnungspunkt zwischen den Kulturen bleibt, wenn hin und wieder, bei ungünstigem Wind, ein Hauch von Urin (in der Bandstärke von Hundert Pumas) von der anderen Seite herüber zieht. Denn die andere Seite der Mauer dient dort als kostenloses Urinal.
Dann taucht auch noch eine verkleidete Kapelle auf, um für ein bisschen Kulturaustausch zu sorgen. Das mag der Bildungsbürger natürlich gerne. Hach, Kultur! Herrlich! klatscht er in die Hände und bewirft anschließend die Indios noch hübsch mit Indianergeld und darf sich auch noch gönnerhaft fühlen! Meiner Ansicht nach ist das völlig überbewertet und die kulturrevolutionäre Panflöte kann sich gerne selber einen blasen und mich solange in Ruhe lassen. Der Bildungsbürger ruft mir „Pfui! Interkulturelle Intoleranz!“ entgegen. Und wenn schon! Panflöten sind fast so große Nervtöter wie Dudelsäcke und Jürgen Drews. Das hat doch nichts mit Intoleranz zu tun, wenn mir das weh tut! Wenn Panflötisten und Dudelsackgänger (ja, und auch Jürgen Drews!) selber auch nur einen Funken Resttoleranz vor ihrer Umwelt hätten, würden sie ihr Tun einfach lassen!
Was wollte ich noch mal sagen? Ach, auch egal…! Frohe Ostern weiterhin!
Potosí
Potosí
„Potosí, Potosí, Potosíííííííí!!! A las dieeeeeeeez!!!“
Das hört sich doch verdächtig nach meinem Bus an, der da am Terminal in Tupiza von einer Ticketverkäuferin / Marktschreierin im Nebenerwerb angepriesen wird. Die fünfstündige Fahrt führt mich in die mit 4050 Metern höchst gelegene Großstadt (mit 175000 Einwohner) der Welt, nach Potosí.
Potosí ist vielleicht das Sinnbild einer Stadt zwischen Reichtum und Elend. Wegen ihrer bemerkenswert skrupellosen kolonialen Ausbeutung spricht man auch vom „Potosí-Prinzip“. Schon als die Spanier über den Kontinent schwappten, hatten die Inkas den besonderen Reichtum des „Cerro Rico“, des „reichen Berges“, entdeckt und genutzt. Die Spanier erfanden allerdings ein ganz neues Niveau der Ausbeutung. Sie machten diese Stadt mit ihren Silberschätzen zum Zentrum Südamerikas, sodass die Bevölkerung von Potosí im 17. Jahrhundert die von Paris und London übertraf.
Unter verheerenden Bedingungen mussten die versklavten Indigenes in den Minen arbeiten. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu acht Millionen Indigenes dem Raubbau zum Opfer fielen. Entweder durch Grubenunglücke, an den Menschen unwürdigen Arbeitsbedingungen oder an den gesundheitlichen Folgen wie der Silikose (durch das Jahrelange Einatmen des Feinstaubs/ zu deutsch: Quarzstaublunge). Noch heute trägt der Berg den Namen: „La montaña que come los hombres vivos!“ – Der Berg, der die lebenden Menschen frisst.
Aus Furcht vor dem Berg entstand der Glaube an den Tío/ Teufel, der im Gegensatz zu Gott für die Geschicke unter der Erde verantwortlich ist. Ihm werden von den Mineros Opfer in Form von Kokablättern, Zigaretten und Alkohol gebracht und einmal im Jahr wird ein Lama geschlachtet und das Blut am Eingang des Stollens verspritzt, um damit den Blutdurst des Tíos zu stillen.
Bei unserer Führung durch die Minen kamen wir zuerst am Mercado de los Mineros vorbei, den Markt, auf dem sich die Minenarbeiter mit Essen, Getränken, ihrer täglichen Ration an Kokablättern und (ja!) Sprengstoff eindecken. Es handelt sich dabei wohl um einen der weltweit einzigen Märkte, auf dem man als Privatperson Dynamit kaufen kann.
Bei unserem Minengang erkunden wir einen aktiven Stollen, der heute allerdings, am Karfreitag, völlig leer ist. Denn außerhalb der Minen sind die Leute hier verdammt katholisch. Normaler Weise werden die Führungen bei regulärem Minenbetrieb durchgeführt, was noch einmal andere/ krassere Einblicke ermöglicht. Bei uns hat das Ganze daher eher etwas Museales.
Ansonsten arbeiten in dieser besichtigten Mine um die Hundert Mineros, im ganzen Cerro Rico sind es zurzeit etwa 15000, darunter etwa 1000 Kinder und Jugendliche, was natürlich illegal ist, aber nicht kontrolliert wird/ werden kann. Noch immer sind die Arbeitsbedingungen extrem, es wird hauptsächlich per Hand gearbeitet, eine industrialisierte Förderung findet so gut wie nicht statt.
Eine meiner Teilzeitmitreisenden, um den missverständlichen Ausdruck „Reiseabschnittsgefährtin“ zu vermeiden, erzählt mir von Straßensperren in Peru, wo die dortigen Mineros gegen legale Beschäftigung protestieren. Sie wollen lieber illegal beschäftigt werden, weil sie dann ja keine Steuern zahlen müssen, verzichten dafür lieber auf eine Versicherung. Putzige Welt!
„Sucre, Sucre, Sucreeeeeeeeee!!!“ schreit die Marktschreierin/ Busticketverkäuferin im Nebenerwerb uns direkt ins Ohr, während sie unsere Namen ins Ticket einträgt. Beeindruckendes Echo im neuen Terminal von Potosí! Respekt! Ich schätze die Ticketverkäuferinnen durften beim Kuppelentwurf des Terminaldachs ein gehöriges Wörtchen mitschreien.





Ohne Phil Collins durch den Altiplano
Ohne Phil Collins durch den Altiplano
(Roadtrip durch den Altiplano, Teil2. Hier geht’s zum 1. Teil:
https://tommiboe.wordpress.com/2014/04/14/mit-phil-collins-durch-den-altiplano/)
Gut! Zwei Probleme bei der großartigen Landschaft waren geblieben: Höhenluft und Phil Collins!
Von beidem hatte ich am ersten Tag ein bisschen Kopfschmerzen bekommen. Richtig höhenkrank, mit Übelkeit und deren Auswurfpraktiken, war ich nicht geworden, obwohl wir uns die meiste Zeit deutlich über 4000 Metern befanden. Aber so ein latenter, nervender Kopfschmerz war dennoch da. Ich trank artig meinen Koka-Tee, auf die angebotenen Koka-Blätter verzichtete ich hingegen. Diese unangenehme Geschmackserfahrung kannte ich schon, danke!
Am zweiten Tag verschwinden dann der Kopfschmerz und auch Phil Collins und seine Freunde. Meine Weggefährten an Bord des Jeeps haben ihr Musik-Equipment heute am Start. Am Tag zuvor ist dies noch in den Tiefen der Rucksäcken auf dem Dach sorgfältig aber umständig verschnürt gewesen.
Unsere Fahrt ist großartig. Wir kommen reihenweise an farbenfrohen Lagunen vorbei, die zum Teil aufwändig mit Flamingos bestückt sind. Auch Lamas tummeln sich dort herum. Die Vicunyas lassen sich allerdings nur aus größerer Entfernung bewundern. Sie sind die wildlebenden, während die Lamas die domestizierten sind, das heißt, geschoren und gegessen werden dürfen. Die bunten Fäden in den Lamaohren (siehe Foto) zeigen übrigens den Besitzer an.
Das einzige, was hier oben neben Lamas noch wächst, ist Quinoa, auch Inkareis genannt. Ach ja, und Salz natürlich! Im Salar de Uyuni werden pro Jahr 25000 Tonnen Salz abgebaut.
Womit wir auch zum Höhepunkt unserer Fahrt kommen: dem Salar de Uyuni, dem größten Salzsee der Welt, auf 3600 Meter gelegen und 12000 Quadratkilometer groß. Mein holländischer Reisegefährte konnte diese Zahl gleich mal anschaulich umrechnen: ein Drittel der Fläche der Niederlanden. Wie vielen Wohnwagenstellplätzen das entspricht, konnte er hingegen nicht ausrechnen.
Aber auch ohne diese Zahlenspiele ist der Salar natürlich eine beeindruckende Angelegenheit.
So ist die Isla Incahuasi, auch Isla del Pescado genannt, ein ehemaliges Korallenriff, in 3600 Metern Höhe (!), das aus dem Salzmeer herausragt und auf dem über 1000 Jahre alte Kakteen stehen. Krass! Oder die hexagonale Struktur der Eisfläche, die den ganzen See durchzieht und jedes Jahr um 4mm wächst, ist einfach wunderschön. Außerdem kann man schön blöde Fotos machen. Könnt ja mal die schönsten Fotos googeln…!
Kleiner salziger Beigeschmack war unser Fahrer, der im Idealfall gleichzeitig auch ein Guide hätte sein können. War er aber nicht. Das heißt, er wusste schon ein paar Dinge. Aber man musste schon ordentlich an ihm schütteln, dass Informationen aus ihm raus kamen. Andere Südamerikaner scherzen ja nicht umsonst, das spanische Wort für „maulfaul“ sei „boliviano“. Und so einen hatten wir!
Aber ich habe gelernt, das Positive zu sehen, und davon gab es so viel zu sehen, dass das hier nicht als Jammerschrift rüber kommen soll. Freunde, es war ganz ganz großes Breitwandkino!

Mit Phil Collins durch den Altiplano
Mit Phil Collins durch den Altiplano
Es gibt ja nicht umsonst das Sprichwort: „Alles, was schön ist, ist nicht nur schön!“ Oder war das auch wieder bloß so ein Spruch von meiner Oma…?
In jedem Fall passt das auch zu unserer Tour durch den atemberaubenden Altiplano. Wobei hier „Atem beraubend“ endlich auch mal wortwörtlich zu gebrauchen ist. Denn wir kratzten bei unserem Roadtrip mehrfach an der 5000 Höhenmeter-Marke. Da wird’s schon dünne!
Das Ganze ging in San Pedro de Atacama, Chile, los. Morgens um 8 Uhr wurde in von einem Mercedes Sprinter eingesammelt und zur chilenischen Migrationsstelle gebracht. Als wir dort ankamen, standen dort schon acht bis zehn andere Sprinter und vor der Stempelstelle, an der eine Person arbeitete, die entsprechenden Sprinterbesatzungen in der Schlange. Nicht zum ersten Mal stellte sich mir die Frage: Warum müssen eigentlich ALLE Touren IMMER zur genau gleichen Zeit beginnen? (Ich meine, wenn man irgendwo den Sonnenaufgang sehen will, leuchtet mir das ein…)
In Torres del Paine durfte ich ebenfalls Zeuge dieser Idiotie werden. Dort starteten ALLE Reisebusse um 7:45, was dazu führte, dass ALLE Busse zur gleichen Zeit an der Rangerstation waren, wo man sich, busweise, registrieren ließ und dann eine Belehrung über die Regeln im Nationalpark bekam. Das dauerte pro Bus so 20-30 Minuten. Die anderen Busse mussten also warten. Und das machen die JEDEN Tag so. Aber auf die Idee, dass die Busse womöglich zu unterschiedlichen Zeiten aufbrechen könnten (Ich hätte gerne einen späteren Bus genommen), kommt niemand. Nach unserer Busschlange war jedenfalls den ganzen Tag nichts mehr los an der Rangerstation. Ich Depp durfte das bezeugen, weil ich auf meine Regenjacke warten musste, die ich im Bus vergessen hatte.
In San Pedro war es das gleiche Spiel. Alle Gruppen starteten zur exakt gleichen Zeit. Und so trafen wir uns auf unserer dreitägigen Tour immer wieder.
An einer der winzigsten Grenzstationen der Welt bekamen wir unseren Einreisestempel und wechselten in bolivianische Toyota Landcruiser 4×4, zu je fünf oder sechs Personen. In dieser Besatzung blieben wir dann für die nächsten Tage zusammen. Allerdings trafen wir auf unserem Trip an JEDER Station auf alle anderen Gruppen. Zum Glück befanden wir uns in der Nebensaison und so rollten nur 20-25 Jeeps pro Tag und Richtung durch den Altiplano. Zur Hauptsaison sind es dann über 80! Krasse Vorstellung! Ich kam mir schon jetzt beinahe vor wie ein Teil der Rallye Paris-Dakar-Uyuni!
Ich entwickelte eine spezielle Fotografiertechnik, die ich mir noch rechtlich schützen lassen werde, die den perfiden Eindruck entstehen lässt, dass nur wir dort ganz allein unterwegs waren.
Das Schlimme an dem tollen Trip war, um wenigstens einmal während der zehn Monate auf die Einleitung zurückzukommen, die Musik. Unser Fahrer ließ einen Gruselmix der scheußlichsten, weichgespülten Softporno-, Einkaufs- und Fahrstuhlmusik aller Zeiten laufen. Eine kleine Auswahl des Grauens gefällig? Nicht, auch gut! Wer das in seiner Ballung nicht erträgt, sollte beim Lesen zwischendrin eine Pause machen oder hier aufhören zu lesen.
James Blunt, Backstreet Boys, Lionel Richie, Meat Loaf, Kansas, Michael Boldon, Guns N’Roses, Genesis, U2, Georg Michael, Whitney Houston, Maria Carey, Sinnead O’Connor, Roxette, Britney Spears und vieles Schlimmes mehr. Ach, ja, hätte ich ja fast vergessen, und natürlich und reichlich die Obernervbratze von Phil Collins.
Und dazu die dünne Höhenluft…! Freunde, Freunde!
Aber sonst, ich will ja nicht nur klagen: ein Oskar für die großartige Kulisse! Mehr dazu!



