Potosí
Potosí
„Potosí, Potosí, Potosíííííííí!!! A las dieeeeeeeez!!!“
Das hört sich doch verdächtig nach meinem Bus an, der da am Terminal in Tupiza von einer Ticketverkäuferin / Marktschreierin im Nebenerwerb angepriesen wird. Die fünfstündige Fahrt führt mich in die mit 4050 Metern höchst gelegene Großstadt (mit 175000 Einwohner) der Welt, nach Potosí.
Potosí ist vielleicht das Sinnbild einer Stadt zwischen Reichtum und Elend. Wegen ihrer bemerkenswert skrupellosen kolonialen Ausbeutung spricht man auch vom „Potosí-Prinzip“. Schon als die Spanier über den Kontinent schwappten, hatten die Inkas den besonderen Reichtum des „Cerro Rico“, des „reichen Berges“, entdeckt und genutzt. Die Spanier erfanden allerdings ein ganz neues Niveau der Ausbeutung. Sie machten diese Stadt mit ihren Silberschätzen zum Zentrum Südamerikas, sodass die Bevölkerung von Potosí im 17. Jahrhundert die von Paris und London übertraf.
Unter verheerenden Bedingungen mussten die versklavten Indigenes in den Minen arbeiten. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu acht Millionen Indigenes dem Raubbau zum Opfer fielen. Entweder durch Grubenunglücke, an den Menschen unwürdigen Arbeitsbedingungen oder an den gesundheitlichen Folgen wie der Silikose (durch das Jahrelange Einatmen des Feinstaubs/ zu deutsch: Quarzstaublunge). Noch heute trägt der Berg den Namen: „La montaña que come los hombres vivos!“ – Der Berg, der die lebenden Menschen frisst.
Aus Furcht vor dem Berg entstand der Glaube an den Tío/ Teufel, der im Gegensatz zu Gott für die Geschicke unter der Erde verantwortlich ist. Ihm werden von den Mineros Opfer in Form von Kokablättern, Zigaretten und Alkohol gebracht und einmal im Jahr wird ein Lama geschlachtet und das Blut am Eingang des Stollens verspritzt, um damit den Blutdurst des Tíos zu stillen.
Bei unserer Führung durch die Minen kamen wir zuerst am Mercado de los Mineros vorbei, den Markt, auf dem sich die Minenarbeiter mit Essen, Getränken, ihrer täglichen Ration an Kokablättern und (ja!) Sprengstoff eindecken. Es handelt sich dabei wohl um einen der weltweit einzigen Märkte, auf dem man als Privatperson Dynamit kaufen kann.
Bei unserem Minengang erkunden wir einen aktiven Stollen, der heute allerdings, am Karfreitag, völlig leer ist. Denn außerhalb der Minen sind die Leute hier verdammt katholisch. Normaler Weise werden die Führungen bei regulärem Minenbetrieb durchgeführt, was noch einmal andere/ krassere Einblicke ermöglicht. Bei uns hat das Ganze daher eher etwas Museales.
Ansonsten arbeiten in dieser besichtigten Mine um die Hundert Mineros, im ganzen Cerro Rico sind es zurzeit etwa 15000, darunter etwa 1000 Kinder und Jugendliche, was natürlich illegal ist, aber nicht kontrolliert wird/ werden kann. Noch immer sind die Arbeitsbedingungen extrem, es wird hauptsächlich per Hand gearbeitet, eine industrialisierte Förderung findet so gut wie nicht statt.
Eine meiner Teilzeitmitreisenden, um den missverständlichen Ausdruck „Reiseabschnittsgefährtin“ zu vermeiden, erzählt mir von Straßensperren in Peru, wo die dortigen Mineros gegen legale Beschäftigung protestieren. Sie wollen lieber illegal beschäftigt werden, weil sie dann ja keine Steuern zahlen müssen, verzichten dafür lieber auf eine Versicherung. Putzige Welt!
„Sucre, Sucre, Sucreeeeeeeeee!!!“ schreit die Marktschreierin/ Busticketverkäuferin im Nebenerwerb uns direkt ins Ohr, während sie unsere Namen ins Ticket einträgt. Beeindruckendes Echo im neuen Terminal von Potosí! Respekt! Ich schätze die Ticketverkäuferinnen durften beim Kuppelentwurf des Terminaldachs ein gehöriges Wörtchen mitschreien.




