„tommi boe“
Fundstück – Scheißen und Fischen verboten
Fundstücke aus Fernwest – Scheißen und Fischen verboten!
Im Pantanal ist mir dieses schöne Schild vor die Flinte gekommen (das Wortspiel erschließt sich später!). Es stand in einiger Entfernung am Flussufer und ich brauchte schon den ganzen Zoom meiner neuen ecuadorianischen Kamera, um hinter die geheime Inschrift zu kommen. Dort stand „Proibido cacar e pescar!“. Da ich des Portunhols (einer Mischung aus Spanisch und Portugiesisch) mächtig bin, wusste ich sofort, was das heißt: „Scheißen und Fischen verboten!“
Okay, das ist doch mal eine klare Ansage: Also bitte nicht ans Ufer setzen und …! Interessant, dass es für so etwas Hinweisschilder gibt und braucht. Aber bitte… Ich weiß ja nichts von den kulturellen Zusammenhänge dieser beiden Aktivitäten hier im Mato Grosso. Oder ob das noch ein heiliges Ritual der Guaraní, der einheimischen Urbevölkerung, ist, um vor dem Angeln „ihrem“ Petrus noch schnell ein kleines (oder großes) Opfer abzudrücken…? Ein persönliches „Petri Heil“ quasi. Wer weiß? Oder lockte man auf diese Art Piranhas an…? Ich war jedenfalls mal wieder viel zu schlecht vorbereitet für solche Zwischenfragen meines inneren Teams. Gerade bei diesen kulturell interessanten Detailfragen habe ich immer wieder große Lücken!
Und während ich noch rätselte, zoomte ich weiter ins Bild hinein und erkannte, dass sich unter dem zweiten „c“ von „cacar“ (Scheißen) noch ein kleiner Haken befand. Da stand nämlich „Proibido caçar e pescar!“ Okay, das ergab jetzt zwar deutlich mehr Sinn, aber: Laaangweilig!!! Denn plötzlich stand da bloß noch: „Jagen und Fischen verboten!“ Menno!

Busfahren in Paraguay
Busfahren in Paraguay
Richtig, wird der ein oder andere denken. Schon lange nichts mehr vom Busfahren gehört. Wie konnte das denn passieren? Ganz einfach. Busfahren war gut organisiert, verlief ohne Zwischenfälle und war langweilig!
Aber kaum bin ich in Paraguay, wird’s schon wieder interessant. Ich will nicht unbedingt behaupten, dass ich das vermisst habe. Zumal mir, während ich das schreibe, noch der Dreck zwischen den Zähnen knirscht. (Und das, was knirscht, ist keine Metapher sondern echter Dreck!)
Nach dem Grenzübergang steige ich direkt vom Taxi in den startenden Bus, als hätte der nur noch auf mich gewartet. So etwas darf man nicht unterschlagen, wenn man sonst stets behauptet, es wäre noch jeder Bus einem immer vor der Nase weggefahren. In Paraguay ist es wieder so, dass der Bus überall anhält, Leute zu- und aussteigen oder der Busfahrer aussteigt, um kurz auf die andere Straßenseite zu springen, um ein Paket abzuliefern oder einen Sack Weihnachtsgeschenke einzuladen. Irgend etwas ist immer!
Neben mich setzt sich eine alte, dicke Frau mit einem Rudel kaum zu bändigender Plastiktüten, die sich alle zwischen sich und dem Fenster verstaut, sodass sie, um Platz für sich selbst und ihren Hintern zu haben, halb auf meinen Sitz rüberrutscht. Hoppla! Mein Kuscheltraum sieht dann doch etwas anders aus, denke ich und weise sie daraufhin, mir doch bitte meinen Platz zu lassen. Sie quetscht sich ihre Tüten sonst wohin. Ich lehne mich zurück, um zu schlafen. Aber meine Nachbarin wühlt die ganze Zeit in ihrer Handtasche herum, wobei sie mir in regelmäßigen Abständen ihrer rechten Ellbogen in die Seite rammt. Danach muss sie ihre Plastiktüten, in denen sich u.a. noch mehr Plastiktüten befinden, durchforsten und umstrukturieren. Jedenfalls raschelt sie mir ein halbe Stunde das Ohr voll. Als sie damit fertig ist, befreit sie sich in einer aufwendigen, mehrstündigen Operation, der ich als OP-Schwester assistieren darf, aus ihrem Hemd, um mich dann erschöpft nach einem Becher Wasser fragt. Aha! Inzwischen hat der Busfahrer während einer seiner Stopps einen kleinen Wasserkanister und Plastikbecher für die Passagiere besorgt. Denn natürlich hat der Bus keine Klimaanlage. Ich gebe ihr einen Becher und schenke ihr ein. Gerade als ich den Kanister vorsichtig ablasse, zieht sie den Becher weg und sagt danke, sodass der letzte Schluck schön auf meiner Hose landet. Jetzt bedanke ich mich, nicht mehr ganz so freundlich, bei ihr. Die ganze Zeit auf ihrem Platz rumturnen und rumnerven und jetzt nässe ich auch noch die Hose ihretwegen.
Auch speziell und anders als in Brasilien: Bei jedem (!) offiziellen Halt läuft ein Dutzend (!) Jungen zwischen 10 und 14 (bei 20 Sitzplätzen) durch den Bus, um Getränke oder Essen zu verkaufen. Sie haben alle das gleiche Angebot. Und das passiert natürlich, während die Passagiere in dem bereits vollen Bus versuchen ein- und auszusteigen. Herrlich überflüssiges Gewusel! Da freut man sich schon auf den nächsten Halt. Der Lehrer in mir fragt sich natürlich, ob das nur jetzt zum Jahresanfang während der Schulferien so ist oder ob die Jungs dies hier als Vollzeitbeschäftigung ausüben?
Mein persönliches Highlight ist, als der volle Bus anhält und am Straßenrand eine einsame Frau mit einem ganzen Obststand steht, also ohne Stand aber mit dem kompletten Sortiment dafür (Foto). Der Busfahrer springt aufs Dach und lässt sich die Sachen hochreichen. Da die Frau aber zu klein und zu schwach für diesen Job ist, steige ich mit einem weiteren Mann aus und wir übernehmen das Hochhieven. Die Säcke sind zum Teil richtig schwer und auch die sandigen Kästen lassen sich nur mit vereinten Kräften nach oben wuchten.
Aber irgendwie gehört das alles zu einer normalen Busfahrt. Auch dass beim einsetzenden Starkregen, gerade als alles punktgenau am dem Dach verstaut ist, die Fenster großzügig Wasser durchlassen, erzeugt zwar keine Begeisterung aber auch keine Überraschung bei den Insassen!
Ich lächle und puhle mir den restlichen Sand aus den Zähnen. Endlich wieder richtiges Erlebnisbusfahren!
Frau mit Obststand am Straßenrand „Könnt ihr mich grad mal mitnehmen…?“
Fundstück – peskale Kollateralschäden
Fundstücke in Fernwest – peskale Kollateralschäden
Entweder die Piranhas im Rio Miranda im Pantanal sind total bescheuert oder alle gekauft! Denn nach zwei frustrierenden Piranha-Fütterungserlebnissen im Llanos (Venezuela) und im Amazonas (Ecuador) beißen die Piranhas im Pantanal wie die Weltmeister (hoffentlich nimmt sich die Seleção dies nicht zum Vorbild). Vielleicht liegt es aber auch an meiner inzwischen ausgereiften, auf internationalen Misserfolgen beruhenden Angeltechnik.
Tatsächlich bin ich überzeugt, allen Piranhaangelneulingen fünf wertvolle Tipps geben zu können. So konnte ich nach Null Piranhas in zwei Ländern 15 Stück in einer guten Stunde aus dem Wasser ziehen. Wir waren so erfolgreich, dass uns der Küchenchef Piranha-Sushimi zubereitet hat – sehr lecker.
1. Angelt im Pantanal! Die Viecher sind hier einfach zu blöd! 2. Der Haken sollte nicht zu groß sein. 3. Den Köder vorne auf der Spitze des Hakens befestigen. 4. Als Köder immer Rindfleisch benutzen und nicht Huhn, das zerfällt zu schnell und die Piranhas können es leicht vom Haken klauen und 5. mit der Rute ein paar Mal kräftig ins Wasser schlagen/rühren, um die Piranhas anzulocken, die denken, dort ist etwas Totes ins Wasser gefallen. Die Piranhas kommen daraufhin angeschossen, hören direkt auf zu denken und beißen sprichwörtlich wie wildgewordene Piranhas um sich.
Es ist nicht unbekannt, dass die angreifenden Piranhas beim unkontrollierten Umsichbeißen im Blutrausch gerne auch mal den einen oder anderen Kollegen dabei erwischen. Was die wenigsten wissen, dass der heute bekannte Begriff dafür ursprünglich aus dem Anglerlatein kommt. Angler hatten bei der Beobachtung dieses Phänomens scherzhaft den Begriff „friendly fire“ erfunden. Ebenso spricht man unter Anglern in diesem Zusammenhang von Kollateralschäden unter den angreifenden Piranhas. Erst später sind diese Begriffe von der Fisch- in die Kriegswelt übernommen worden. Ob das unsere neue Verteidigungsministerin schon weiß…?
Kleiner Grenzverkehr, Teil 2
Kleiner Grenzverkehr, Teil 2
Man darf das jetzt nicht so formulieren, dass ich Schwierigkeiten bei der Einreise nach Paraguay gehabt hätte. Es verhält sich eher so, dass ich Schwierigkeiten bei der Ausreise aus Brasilien gehabt hatte.
Mein Weg führte mich nach meinem Pantanal-Aufenthalt und meinem Start ins Neue Jahr in Bonito am 2.Januar nach Bela Vista, dem nächsten Grenzort. Es handelt sich um einen kleinen Grenzübergang. Also hatte ich mich vorher bei Leuten in Bonito als auch im Internet erkundigt, ob ich dort auch die Grenze passieren konnte. Da kann man sich ja nie richtig sicher sein. Ich bestieg meinen Bus um 8:00, musste noch einmal nach 2 Stunden Wartezeit in Jardím umsteigen und war dann gegen 13 Uhr in Bela Vista angekommen.
Ich wollte mich nicht lange aufhalten, sondern schnappte mir ein Taxi und versuchte dem Fahrer mit meinen begrenzten, zu 104% auf dem Spanischen beruhenden Portugiesisch-Kenntnissen klarzumachen, dass ich an die Grenze wollte. Der nickte das überzeugend ab und wir fuhren los. Als wir nach einer Weile ein verdächtig nach einem Grenzgebäude aussehendes Grenzgebäude passierten, fragte ich vorsichtig, ob hier die nicht vielleicht die Grenze sei. Ich wiederholte mehrfach das Wort „sello“, was zumindest im Spanischen Stempel bedeutet. Er sagte Jaja und fuhr weiter über eine Brücke. Aha! Drei Minuten später hielten wir in einer Einkaufstraße eines kleinen Ortes auf der paraguayischen Seite direkt vor einer Geldwechselstube. Stolz lächelte mich mein Fahrer an. Ich erklärte ihm, dass ich einen Stempel für meinen Reisepass bräuchte, weil ich sonst später Probleme bekommen könnte, zum Beispiel bei der Ausreise. Jetzt machte sein Gesicht Aha!
Zwei Minuten später hielten wir vor einem kleinen Gebäude am Straßenrand, noch auf der Seite Paraguays. Ich versuchte einen vorsichtigen Einwand „Sello de Saida“, was Ausreisestempel auf Portunhol heißt, so wird das Sprachgemisch aus Portugiesisch und Spanisch hier liebevoll genannt. Mein Taxifahrer war aber schon halb im Gebäude. Na gut! Ich folgte und durfte endlich mal wieder guten Gewissens jemanden auf Spanisch anreden. Der Grenzbeamte bestätigte mir, dass ich hier meinen Einreisestempel bekommen könnte. Ja, schön, aber ich bräuchte ja noch einen Ausreisestempel Brasiliens, nicht wahr? Ja, aber den gebe es auf der anderen Seite nicht, war die Antwort. Bitte was? Dafür müsse ich nach Ponta Pora. Das ist der nächste Grenzübergang zwei Busstunden weiter südlich. Ja wie, Moment, noch mal zum Mitdenken und Nachvollziehen. Auf der einen Seite der Grenze gibt es Stempel und bei den Kollegen von anderen Seite gibt es keine? Ja, das habe ich richtig verstanden und schön zusammengefasst.
Ich hatte vorher schon gelesen und gehört, dass die Brasilianer an der Grenze wenig Spaß verstehen, wenn ein Stempel fehlen würde. Und hier war ihnen plötzlich alles egal…? Da ich aber die Absicht hatte, in ein paar Tagen wieder nach Brasilien einzureisen und zwar nicht über diesen putzigen Grenzübergang, würde der fehlende Ausreisestempel unter Umständen Scherereien bedeuten. Auch diese Vermutung konnte mir der paraguayische Grenzer bestätigen. Ich müsse, um meine Papiere in Ordnung zu halten, über Ponta Pora einreisen.
Und so kutschierte mich mein Taxifahrer nach einem Kurzaufenthalt auf paraguayischem Boden wieder zurück zum Busterminal nach Bela Vista, wo ich, um den Tag perfekt zu machen, für heute kein Busticket mehr nach Ponta Pora bekam, sondern nur für den nächsten Morgen um 6.
Sollte ich erwähnen, dass mir der Wirt meiner letzten Pousada empfohlen hatte, direkt nach Ponta Pora zu fahren, und ich am Vortag bestimmt auch noch ein Busticket bekommen hätte? Tja, da will man mal die eingetrampelten Pfade des Grenzverkehrs verlassen und schon strandet man im Grenznirgendwo zwischen Brasilien und Paraguay.
Zumindest sind hier die Pousadapreise niedriger als in Bonito. Und mal schauen, was man hier zu essen bekommt. Außerdem, Herr Boe, Abenteuer buchen und wenn’s dann eintritt, den Veranstalter verklagen, das passt auch nicht zusammen! (ja, ich bin ja schon ruhig…)
Nächster Tag: Die blöden Hähne hatten bereits die blöden Hunde geweckt, sodass sie mich auf meinem frühmorgendlichen Weg (5:30) zum Rodoviario (übertrieben kompliziertes Wort für Terminal) ordentlich verbellen durften. Hoffentlich wurden deren blöden Besitzer dadurch auch geweckt.
Drei Stunden später war ich in Ponta Pora, dem Grenzort, der funktionieren sollte. Ich fand das hervorragend versteckte Migracion-Gebäude und landete in einer langen, langsamen Schlange, die sich nach einer halben Stunde des Wartens auch noch als die falsche Schlange herausstellte. Sehen wir das mal positiv: Die andere war wesentlich kürzer. Wir lernen: Nachfragen hilft nicht immer. Nur mehrmaliges Nachfragen!
Nach meinem „Saida“-Stempel nahm ich mir ein Taxi, um das gleiche Spektakel bei den Paraguayos durchzuführen, was zum Glück viel schneller ging. Auf dem Weg zum Terminal kamen wir sogar noch an einer Wechselstube vorbei.
Die Grenze zwischen Brasilien und Paraguay ist einfach ein Grünstreifen, der zwischen zwei Straßen verläuft. Wenn man das nicht weiß, würde das niemand merken. Die Stadt (oder die beiden, Ponta Pora und Pedro Juan Caballero) sitzt also mitten auf der Grenze. Man kann also unkontrolliert drüberfahren, -gehen und theoretisch auch drüberpinkeln.
Aber wehe du hast keinen Stempel! Dann musst du ohne abzuschütteln zurück!

Fundstück – Termitenzucht
Fundstücke in Fernwest – Termitenzucht
Der Mato Grosso in Brasilien ist neben dem Pantanal für seine intensive extensive landwirtschaftliche Nutzung bekannt. Zum einen wird hier für den Weltfuttermarkt und die Ethanolherstellung Soja angebaut und zum anderen: Was bietet sich auf einer seeehr großen, sehr ebenen Fläche bei schlechter Bodenqualität an? Viehwirtschaft, richtig! Es stehen also Rinder in der Gegend herum. An dem am Fenster vorbeifliegenden Bild ändert sich (ohne Übertreibung) über 500 Kilometer lang überhaupt nichts. Eintönig! Die Straße geht schnurgeradeaus. Links wie rechts Weideflächen und hin und wieder stehen sogar mal Rinder drauf. Aber extrem extensiv!
Aber mein genauer Blick entdeckte eine neue, in Europa weitestgehend unbekannte Nutzungsform: die Termitenzucht! Denn was schon die indigene Bevölkerung wusste, und selbst Schimpansen kann man dabei beobachten, wie sie mit Stöcken Termiten aus den Bauten angeln, wissen jetzt auch (US-amerikanische) Experten. Die gehen nämlich heute davon aus, dass Brasilien die weltweit größten Reserven an tierischen Proteinen besitzt. Und zwar in Form von Termiten. Denn bei Termiten handelt es sich um die Lebewesen mit der größten Biomasse der Welt. Wenn sich also alle Termiten der Welt auf eine Waage stellen, wiegen sie zusammen mehr als jede andere Lebensform (für sich).
Und Brasilien als erstes Land der Welt beginnt diese Ressourcen, mit konspirativer Unterstützung von Nestlé, zu nutzen. Und so entstehen in Brasilien erste Farmen, die sich der Termitenzucht widmen. Die beiden Bundesstaaten Mato Grosso und Mato Grosso do Sul sind zusammen fast viermal so groß wie die Bundesrepublik. Mit Nutzung des Supercomputers „Deep Thought“ konnte das Forscherteam aktuelle Hochrechnungen präsentieren, die besagen, dass allein durch intensive Termitenzucht in Mato Grosso ein Viertel des weltweiten Bedarfs an tierischen Einweißen gedeckt werden könnte.
Zumindest sollten dank Nestlé, das uns ja schon heute garantieren kann, dass kein Mensch mehr weiß, was er tatsächlich isst, konservative Essgewohnheiten keine Probleme bei der Vermarktung darstellen.
Und da auch Monsanto schon an der Entwicklung gentechnisch veränderter Hybridtermiten arbeitet, können wir davon ausgehen, dass alles (vermutlich) gut werden wird!
Ein gutes, erfolgreiches und gesundes 2014! Und achtet auf eine eiweißreiche Ernährung!


