Busfahren in Paraguay
Busfahren in Paraguay
Richtig, wird der ein oder andere denken. Schon lange nichts mehr vom Busfahren gehört. Wie konnte das denn passieren? Ganz einfach. Busfahren war gut organisiert, verlief ohne Zwischenfälle und war langweilig!
Aber kaum bin ich in Paraguay, wird’s schon wieder interessant. Ich will nicht unbedingt behaupten, dass ich das vermisst habe. Zumal mir, während ich das schreibe, noch der Dreck zwischen den Zähnen knirscht. (Und das, was knirscht, ist keine Metapher sondern echter Dreck!)
Nach dem Grenzübergang steige ich direkt vom Taxi in den startenden Bus, als hätte der nur noch auf mich gewartet. So etwas darf man nicht unterschlagen, wenn man sonst stets behauptet, es wäre noch jeder Bus einem immer vor der Nase weggefahren. In Paraguay ist es wieder so, dass der Bus überall anhält, Leute zu- und aussteigen oder der Busfahrer aussteigt, um kurz auf die andere Straßenseite zu springen, um ein Paket abzuliefern oder einen Sack Weihnachtsgeschenke einzuladen. Irgend etwas ist immer!
Neben mich setzt sich eine alte, dicke Frau mit einem Rudel kaum zu bändigender Plastiktüten, die sich alle zwischen sich und dem Fenster verstaut, sodass sie, um Platz für sich selbst und ihren Hintern zu haben, halb auf meinen Sitz rüberrutscht. Hoppla! Mein Kuscheltraum sieht dann doch etwas anders aus, denke ich und weise sie daraufhin, mir doch bitte meinen Platz zu lassen. Sie quetscht sich ihre Tüten sonst wohin. Ich lehne mich zurück, um zu schlafen. Aber meine Nachbarin wühlt die ganze Zeit in ihrer Handtasche herum, wobei sie mir in regelmäßigen Abständen ihrer rechten Ellbogen in die Seite rammt. Danach muss sie ihre Plastiktüten, in denen sich u.a. noch mehr Plastiktüten befinden, durchforsten und umstrukturieren. Jedenfalls raschelt sie mir ein halbe Stunde das Ohr voll. Als sie damit fertig ist, befreit sie sich in einer aufwendigen, mehrstündigen Operation, der ich als OP-Schwester assistieren darf, aus ihrem Hemd, um mich dann erschöpft nach einem Becher Wasser fragt. Aha! Inzwischen hat der Busfahrer während einer seiner Stopps einen kleinen Wasserkanister und Plastikbecher für die Passagiere besorgt. Denn natürlich hat der Bus keine Klimaanlage. Ich gebe ihr einen Becher und schenke ihr ein. Gerade als ich den Kanister vorsichtig ablasse, zieht sie den Becher weg und sagt danke, sodass der letzte Schluck schön auf meiner Hose landet. Jetzt bedanke ich mich, nicht mehr ganz so freundlich, bei ihr. Die ganze Zeit auf ihrem Platz rumturnen und rumnerven und jetzt nässe ich auch noch die Hose ihretwegen.
Auch speziell und anders als in Brasilien: Bei jedem (!) offiziellen Halt läuft ein Dutzend (!) Jungen zwischen 10 und 14 (bei 20 Sitzplätzen) durch den Bus, um Getränke oder Essen zu verkaufen. Sie haben alle das gleiche Angebot. Und das passiert natürlich, während die Passagiere in dem bereits vollen Bus versuchen ein- und auszusteigen. Herrlich überflüssiges Gewusel! Da freut man sich schon auf den nächsten Halt. Der Lehrer in mir fragt sich natürlich, ob das nur jetzt zum Jahresanfang während der Schulferien so ist oder ob die Jungs dies hier als Vollzeitbeschäftigung ausüben?
Mein persönliches Highlight ist, als der volle Bus anhält und am Straßenrand eine einsame Frau mit einem ganzen Obststand steht, also ohne Stand aber mit dem kompletten Sortiment dafür (Foto). Der Busfahrer springt aufs Dach und lässt sich die Sachen hochreichen. Da die Frau aber zu klein und zu schwach für diesen Job ist, steige ich mit einem weiteren Mann aus und wir übernehmen das Hochhieven. Die Säcke sind zum Teil richtig schwer und auch die sandigen Kästen lassen sich nur mit vereinten Kräften nach oben wuchten.
Aber irgendwie gehört das alles zu einer normalen Busfahrt. Auch dass beim einsetzenden Starkregen, gerade als alles punktgenau am dem Dach verstaut ist, die Fenster großzügig Wasser durchlassen, erzeugt zwar keine Begeisterung aber auch keine Überraschung bei den Insassen!
Ich lächle und puhle mir den restlichen Sand aus den Zähnen. Endlich wieder richtiges Erlebnisbusfahren!
Frau mit Obststand am Straßenrand „Könnt ihr mich grad mal mitnehmen…?“