„tommi boe“

Abiaufsicht oder: die Langeweile des Todes

Gepostet am Aktualisiert am

Abiaufsicht oder: die Langeweile des Todes

Langeweile bekommt nur 1,5 von 5 Sternen. Wäre Langeweile ein Film, keiner würde reingehen. Andererseits – zurzeit wären wahrscheinlich viele froh, mal für eineinhalb Stunden gepflegter Langeweile ins Kino zu dürfen!

Ich weiß, Langeweile muss nicht schlecht sein. Es gibt sie in der entspannenden, erholenden Variante, ein langweiliger Rosamunde Pilcher-Film mit einem langweiligen Weißwein. Große Langeweile kann dafür sorgen, dass die Wohnung geputzt oder gar Socken gebügelt werden und ein langweiliges Buch (z.B. Adalbert Stifters „Nachsommer“) kann hervorragend beim Einschlafen helfen!

Ich hatte gestern die Langeweile des Todes, mit anderen Worten: Abiaufsicht! Nicht dass eine normale Aufsicht bei Klausuren oder Klassenarbeiten besonders spannend wäre. Aber dabei kann man wenigstens lesen, vorbereiten oder korrigieren. Das alles ist bei der Abiaufsicht natürlich nicht erlaubt.

Wir sitzen in unserer Turnhalle, einem Ort von Spiel, Spaß und Bewegung, die Schüler:innen hochkonzentriert über ihren Abiaufgaben, ich atme. Nach einer Viertelstunde ist mein Kaffee ausgetrunken und mein Knoppers aufgeknoppert, mein Handlungsspielraum für die nächsten eineinhalb Stunden damit weitestgehend ausgeschöpft. Die Uhr an der Wand hat nicht einmal einen Sekundenzeiger, den ich aufmerksam verfolgen könnte. Und den Minutenzeiger zu beobachten… keine weitere Erklärung. Ich möchte Euch nicht langweilen!

Mir ist so langweilig, ich habe angefangen, meine Wohnung gedanklich zu putzen. Und alleine im Kopf zu prokrastinieren, ist gar nicht so leicht. Ich versuche mich mit einem Gedankenspaziergang und scheitere. Ich konzentriere mich auf meine Atmung, vier Sekunden einatmen, fünf Sekunden Luft anhalten, acht Sekunden ausatmen – Pranayama! Mein Herzschlag wird immer langsamer, aber mein Puls so hart, dass ich Angst bekomme, es könnte die Abiturient:innen ablenken. Meine yogische Selbsterfahrung lehrt mich: Die Zeit vergeht auch nicht schneller, wenn man sehr langsam atmet. Verdammt! Ich höre völlig auf zu atmen. Mein Metabolismus ist so weit runtergefahren, der lebensnotwendige Restsauerstoff diffundiert über die Haut.

Mein Kollege, der vorne sitzt, fängt an zu weben. Zur Klarstellung: Handarbeiten sind natürlich nicht erlaubt! Mit Weben ist hier der Hospitalismus gemeint, der bei eingesperrten Pferden auftritt, indem sie ihren Kopf großen Schleifen bewegen, um sich ein wenig selbst zu spüren. Ein kleines bisschen Pferd sein, also Pony quasi oder Isländer….

„Bohh – wat is dat langweilig“, denke ich und erinnere mich an einen alten Sketch von Hape Kerkeling. Aber Rätselhefte sind auch nicht erlaubt. Oh Mann, kann einer mal mein Leben vorspulen!

Als ich am Abend mit meiner Schwester telefoniere, erfahre ich, dass in Norwegen Rentner:innen die Aufsicht in den Abiprüfungen übernehmen. Wie geil ist das denn…?! Die Leute, die am meisten in Langeweile geschult, ja, gestählt sind, für Aufsichten einzusetzen. Hochqualifiziert im Endstadium! Viele deutsche Rentner:innen fänden diesen Job wahrscheinlich auch total abwechslungsreich und spannend.

Hallo Kultusministerium Baden-Württemberg, kannst du mich hören…?! – Ich will auch Rentner:innen!!!

Ich sehe schon die Schlagzeile:

„SKANDAL!!1! Zweifach geimpfte Rentner:innen dürfen Abiturklausuren beaufsichtigen!“

Fundstück – Bier und Langeweile « tommiboe

Aktuelles zum Ablasshandel – oder: Luther hätte doch keinen Baum gepflanzt

Gepostet am Aktualisiert am

Aktuelles zum Ablasshandel – oder: Luther hätte doch keinen Baum gepflanzt

Vor sehr genau 500 Jahren hat Martin Luther in Worms den Ablasshandel angeprangert. Heute pflanzen wir hier ein Bäumchen, da ein Bäumchen und lächeln selig und mit befreitem Gewissen in den Untergang, äh, in die Zukunft.

Ach, so ein Baum… Herrlich! Was der alles kann! Er blüht und grünt, bietet Nahrung, Schutz, Lebensraum, er wirft Laub und Schatten, schon zwischen zwei Bäumen lässt sich eine Hängematte spannen, drei Bäume bilden ein Dreieck, vier Bäume einen Wald und schon fünf Bäume retten das Klima. Richtiger gesagt: Wir retten das Klima. Schließlich haben wir ja den Baum gepflanzt. Herrlich! Das gefällt uns! I like! Daumen hoch! Sogleich posten wir unsere Heldentat! Wir gehören zu den Guten! Das Leben ist so einfach. Wir lieben einfache Lösungen! Denn einfache Lösungen sind so einfach! Ich wiederhole mich…

Bäume Pflanzen ist gerade der heiße Scheiß! Der Gründer von „Atmosfair“ drückt es treffend aus: „Das Pflanzen von Bäumen hat einen hohen emotionalen Wert!“ Emotionen, yeah! Und sowas lässt sich nun mal gut vermarkten. Kein Wunder, dass jede*r mitmachen möchte beim großen Bäumepflanzen. Sat1 hat gerade in einer eigenen Sendung einen „Waldrekord“ aufgestellt und 1,5 Millionen Bäume gepflanzt. Wirklich jede*r Dödel kann mitmachen. Apropos Dödel: Es gibt sogar Fotos, wie Söder einen Baum umarmt (an dieser Stelle aus ästhetischen Gründen kein Beweisfoto!). Inzwischen gibt es unzählige Apps, Homepages, NGOs, über die man in der ganzen Welt sein Gewissen erleichtern und ja, ich wiederhole mich, Bäume pflanzen kann. (Recherchiert selber. Aber verliert nicht den Überblick!)

Man könnte sagen, Bäume sind der kleinste gemeinsame Nenner beim Klimaschutz. Wer keine Bäume mag, der frisst auch kleine Kinder und setzt seine Oma auf der Eisscholle aus. Nur gut, dass es bald keine Eisschollen mehr gibt. Aber das führt zu weit…

Aber wann kommt denn endlich der Haken, fragt sich das aufmerksame Lesery*? Warum regt sich der Herr Boe schon wieder auf? Was hat er nur? Mag er keine Bäume…? (*Entgendern nach Phettmann)

Doch er mag Bäume. Aber er regt sich auf, weil es sich vielfach leider nur um einen großen, modernen und grünen Ablasshandel handelt. Das Interesse von Regierungen und Konzernen, über CO2-Emissionshandel mit CO2-Zertikaten für Baumpflanzungsprojekte die eigenen Emissionen kleinzurechnen und auszugleichen, ist riesig. Dem Klima wird dabei leider wenig geholfen, weil viele Aktionen überbewertet sind und sich hübschrechnen. Das ist zwar schon lange bekannt, aber das möchte niemand so recht hören. Bäume pflanzen ist einfach zu einfach und zu sexy. Aber die Klimawirksamkeit des Regenwaldes lässt sich durch das Pflanzen von einem Bäumchen hier, einem Bäumchen da oder von Monokulturen leider nicht (wieder-)herstellen. (Im SPIEGEL Nr.15/2021 oder hier!)

Eins ist sicher: Martin Luther hätte bei diesem Scheiß nicht mitgemacht, sondern stattdessen sein Kohlekraftwerk dichtgemacht!

Quelle: DER SPIEGEL Nr.15/2021, S.95

Von Whataboutism zu Windpatriotism

Gepostet am Aktualisiert am

Von Whataboutism zu Windpatriotism

Von mir aus können wir die Dinger auch schwarz-rot-gold anstreichen. Vielleicht wird dann auch noch ganz anderen Leuten klar, wie geil Windenergie ist!

Neulich bei Lanz (bis 9:19 min). Nicht dass ich mir häufig Lanz anschauen würde, so tolerant bin ich nun auch nicht. Aber der Ausschnitt, in dem Lanz versucht, Sarah Wagenknecht zu grillen, und ihr mehrfach das Wort abschneidet und reflexhaft Whataboutism vorwirft, war mal wieder sehr hübsch. Lanz, traditionell in Stars and Stripes gekleidet, versucht Wagenknecht zwanghaft, die Russlandfahne umzuhängen, während sie in aller Ruhe die geopolitischen Ränkespiele um Nordstream 2 erklärt oder, besser gesagt, zu erklären versucht, denn davon will Lanz ja gar nichts wissen. Denn: Whataboutism!

Putzig der Lanz! Denn letztlich betreibt Lanz jetzt selber eben jenen Whataboutism, indem er zwanghaft darauf besteht, Wagenknecht würde von der Diskussion ablenken und Nebenkriegsschauplätze aufmachen. Damit lenkt er nämlich von den durchaus berechtigten Vergleichen ab, die Wagenknecht anführt und auf die deutsche und US-amerikanische Doppelmoral verweist. Denn wenn wir den Giftanschlag auf Alexei Nawalny (was ohne Zweifel ein Verbrechen ist und aufgeklärt werden muss) tatsächlich mit einem möglichen Stopp von Nordstream 2 verknüpfen, wie seltsam ist unser moralischer Kompass denn geeicht, wenn wir gleichzeitig von Saudi-Arabien weiterhin Öl beziehen können. Der Kronprinz bin Salman hat den prominenten kritischen Journalisten Jamal Kashoggi mutmaßlich ermorden lassen. Ich mein: Hallo…?!

Das Gleiche gilt für die US-Interessen, ihr teureres, noch umweltschädlicheres Fracking-Gas nach Deutschland zu exportieren. Auch diese Zusammenhänge und Einordnungen sind wichtig.

Und diese Vergleiche mit Whataboutism abzucanceln, ist der klägliche Versuch von Lanz, von der eigenen deutschen Doppelmoral abzulenken, und zeigt letzten Endes, wie egal uns nämlich die Menschenrechtsverletzung in den Herkunftsländern der Rohstoffe sind. Russland ist böse, na klar; aber Saudi-Arabien ein seriöser, verlässlicher Handelspartner oder was? Geht’s noch billiger?!

Conclusio: Und wenn ihr mich fragt: Ja, sollen wir nun Gas von Putin oder doch lieber Fracking-Gas aus den USA importierten? Dann antworte ich: nein, verdammte Scheiße! – Stattdessen schlagen wir mit dem konsequenten Ausbau von Wind- und Solarkraft drei Fliegen mit einer Klappe. 1. Wir machen uns importunabhängig, 2. investieren in Zukunftstechnologien und retten 3., verdammt noch mal, unseren kleinen unschuldigen Planeten. Klingt eigentlich ganz einfach!

Und so kommt man von Whataboutism zu Windpatriotism: Deutscher Wind durch deutsche Räder zu deutschem Strom! (Hier bitte ein selbstironisches Lächeln mitdenken!)

Windpatriot Herr Boe checkt die Wetterlage. Sonne und Wind scheinen unbegrenzte Energielieferanten zu sein, aber halten sie sich auch an die Menschenrechte? Das wäre uns Deutschen schon sehr wichtig, irgendwie, manchmal, also je nach dem…

„Klöckner Porn“ – Das geht zu weit!

Gepostet am Aktualisiert am

„Klöckner Porn“ – Das geht zu weit!

Das Wissen ist begrenzt, die Phantasie ist grenzenlos! Jedem seine Phantasie und jeder ihre. Geschenkt! Ich bin da recht großzügig…

Aber als ich las, dass ich auf meiner Seite einen Zugriff aufgrund des Google-Suchbegriffs „Klöckner porn“ hatte, machte ich mir doch Sorgen! Was ist los mit den Algorithmen von Google…?! Sind die fiebrig, haben die Corona?

Sicher, ich habe schon ein paar Blogs über unsere Superministerin Julia Klöckner schreiben müssen und es ging ordentlich zur Sache dabei, aber vollkommen unpornographisch das Ganze. Dafür ist ihre Gesamtperformance einfach zu unsexy.

Und, na klar, in dem ein oder anderen Blog kam vielleicht auch schon mal das Wort „porn“ vor, aber hauptsächlich in meiner Kategorie „food no porn“ und das ist nun wirklich wieder etwas ganz anderes und hat mit Julia gar nichts zu tun!

Also Google, mal unter uns: Wo ist der Zusammenhang?! „Klöckner porn“? Dein Ernst…?! Jetzt tummeln sich solche Leute mit solchen Suchanfragen und solchen Vorlieben auf meiner Seite!! Okay, bisher ist es nur eine Person und ja, ich weiß, Einzelpersonen tummeln sich nicht. Aber so fängt es ja immer an! Ich habe vielleicht keinen so guten Ruf zu verlieren. Aber das geht echt zu weit! Meine Seite ist doch keine Promi-Wichsvorlage!

Also, Google, erzieh deine Algorithmen mal besser. Ich behalte mir rechtliche Schritte vor!

Immerhin, wenn man bei Google „Klöckner no porn“ eingibt, bin ich schon auf der ersten Seite!

Hallo VW! Anstand oder Vorstand…?

Gepostet am Aktualisiert am

Hallo VW! Anstand oder Vorstand…?

Manchmal kommt es mir vor, als würde sich in Corona-Zeiten hin und wieder ein Fenster öffnen, durch das wir sonst nicht schauen können oder dürfen. Herbert Diess, Vorstandsvorsitzender von VW, hat gerade so ein Fenster aufgemacht und der Welt erklärt, warum es kein Problem und auch kein Widerspruch sei, satte 3,3 Milliarden Euro an Dividenden auszuschütten und gleichzeitig für 70000 Beschäftigte Kurzarbeitergeld zu beanspruchen. Schließlich habe der Konzern ja bereits in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt. Ende des Statements (ab min. 5:54)!

Dass die Rücklagen der Arbeitslosenversicherung bei derzeit ungefähr 10 Millionen Kurzarbeitsanträgen nicht ausreichen werden, sollte jedem mittelmäßig geschulten Milchmädchen/jungen klar sein. Warum also nicht auch einem Vorstandsvorsitzenden von VW…?! Mögliche Antwort: Dies könnte Diess einfach egal sein!

Denn wenn das Versicherungsprinzip, auf das sich Diess ja ausdrücklich bezieht, in einer Krisensituation wie jetzt nicht mehr funktioniert (Schätzungen zufolge fehlen bis zu 15 Milliarden Euro), dann sollte sich auch die Bewertungsgrundlage von VW ändern. Denn das, was VW höchstselbst in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat, reicht offensichtlich bei weitem nicht aus, um dieses selbstgefällige Statement von Diess zu rechtfertigen. Und die Frage, wer denn für die Differenz aufkommen soll, stellt sich jedem, der einigermaßen geradeaus denken kann.

Aber Diess sieht hier wohl (natürlich) keine gesellschaftliche oder moralische Verpflichtung von VW. Stattdessen sollen vermutlich wir Steuerzahler:innen wie üblich herhalten und diese Versicherungslücke stopfen, während der VW-Konzern 3,3 Mrd. Euro als Dividenden raushaut (das dreiste Thema Abwrackprämie, ebenfalls aus Steuergeldern finanziert, bleibt hier mal außenvor!). Und Diess fühlt sich auch noch kackfrech im Recht.

Er hätte eigentlich nur noch das Peace-Zeichen von Jo Ackermann machen und ein paar Peanuts a la Hilmar Kopper unter den Journalisten verteilen können, während er das Wirtschaftsprinzip von VW diktiert:

„Natürlich sind wir dazu verpflichtet, Gewinne zu privatisieren und Verluste zu solidarisieren. Sorry, dafür werde ich von den Aktionären von VW bezahlt! It‘s capitalism, stupid!“

Und ich mag denken „Okay! Was macht man nicht alles für acht Millionen im Jahr! Fairer Preis, um seine Seele zu verkaufen!“ Das ist übrigens das 127fache einer/s normalen VW-Mitarbeiter:in – nur mal so! Dafür könnte er sich eigentlich eine vernünftige Portion Moral leisten. Aber mein Denkfehler…! Anstand und Vorstand passen wohl einfach nicht recht zusammen… Denn so etwas ist einfach nicht im Sinn des Konzerns.

Darf man solche Leute eigentlich ungestraft „Arschkrampen“ nennen…? Ich denke schon, dass man das sollte!

Ach, und dies hier noch für die deutsche Politik: Die dänische Regierung würde so einen Drecks-Konzern, der Dividenden auszahlt, im Übrigen nicht unterstützen. Recht so!

Moral…, Anstand…? Ich…? Das kann ich mir bei meinem Gehalt gar nicht leisten!