Über die Entmännlichung des Grillens

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Über die Entmännlichung des Grillens oder: Willkommen am Kastratengrill

Früher stand der Mann vor der Höhle und entfachte ein derart großes Feuer, damit auch der Nachbarclan Bescheid wusste, dass dort gerade ein amtliches Mammut gegrillt wurde. Erste Gräser wurden gesammelt und vergoren, um Bier zu brauen, und die Männer standen um das Mammut herum und redeten klug daher. Zugegeben, „klug“ ist relativ, und es wurde auch schon damals viel gerülpst und hier und da an den Eiern gekratzt. Aber auch das gehörte und gehört zum Grillen dazu. Bisher!
Letzte Woche war ich mit einem befreundeten Pärchen am See und es sollte auch gegrillt werden. Als neueste Errungenschaft wurde dort ein Lotus-Grill mitgebracht. Der ein oder andere mag jetzt gähnend wegklicken, weil er das Ding schon lange kennt. Mir hingegen war es neu. Zugegeben, ich bin nicht so der Griller! Jedenfalls wurde mir dieser rauchfreie Holzkohle-Grill als DIE Revolution überhaupt präsentiert. Und für Revolutionen habe ich mich ja schon immer interessiert.
Keine Angst, es folgt hier keine Produktwerbung (Ich bin ja kein Influencer! Deswegen fehlt an dieser Stelle auch der Link!) sondern eine kritische soziologische Auseinandersetzung über die „Entmännlichung des Grillens“.
So verspricht der Lotusgrill, dass „der Grillmeister nicht mehr abseits steht, sondern dort wo gemeinsam gegessen wird.“ Allerdings ist der Grillmeister, da der Grill ja alles alleine kann, auch weder ein Meister seines Faches noch ein Mann. Er ist austauschbar geworden. Seine über Jahrzehnte hinweg im Rauch, an der fernen Gartenkante zum Nachbarn erworbenen Fähigkeiten sind in dieser Welt nichts mehr Wert. Er ist ersetzt worden durch den/die kompetenz- und geschlechtslose/n Lotus-Griller*ix von heute. Und jetzt sitzen die Männer, die ehemaligen Grillexperten, gemeinsam mit ihren Familien am Tisch, müssen miterleben, wie plötzlich sogar ihre frisch geborenen Kinder grillen können, und denken wehmütig an früher zurück: an die Höhle und an die windige, ferne Gartenecke, wo die biertrinkenden Männer schweigend und rülpsend zusammen standen, während die Frauen Tische deckten, Gemüse schnibbelten, Tischdekorationen bewunderten und Salatrezepte austauschten.

Aus einer Zeit, in der die Kompetenz des Grillens noch etwas wert war!

All das, was dort am Tisch passierte, interessierte ihn nie und jetzt sitzt er selbst am Gartentisch, auf dem der tolle Kastratengrill thront, fühlt sich überflüssig und hasst sein Leben. Und so wird er noch schweigsamer, während die Frauen über den tollen Neuen schwadronieren, als wäre früher alles schlecht gewesen.
„Und schau mal, man kann den Grill sogar anfassen, ohne dass man sich daran verbrennt!“ – „Nein, toll! Und es stinkt auch gar nicht.“ – „Und Gemüse kann man auch drauf grillen!“- „Und den gibt’s auch in limettengrün!“ – „Nein! Toll!“
Dass sich die Selbstmordquote unter exgrillenden Männern signifikant erhöhen wird, ist nur ein weiterer Beweis für eine voranschreitende Entmännlichung unserer Gesellschaft. Schade, Jungs, ihr werdet mir fehlen. Ich hab immer gerne mit euch dort im Rauch am Gartenzaun ein paar Bierchen gezischt.

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Herr Boe leckt am Grill – der Beweis: das Ding ist nicht heiß! Und JAAA! Man kann auch Gemüse drauf grillen! – Herr G. staunt im Hintergrund (Anfangsbuchstabe von der Redaktion geändert)

Auch sehr schön zum Thema Grillen:

http://ruthe.de/cartoon/2862/datum/asc/

Ein Kommentar zu „Über die Entmännlichung des Grillens

    tommiboe geantwortet:
    August 7, 2016 um 5:48 pm

    Hat dies auf tommiboe rebloggt.

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