Fundstück – „Pünktlich wie die Eisenbahn“
Fundstücke in Fernwest – „Pünktlich wie die Eisenbahn!“
„Pünktlich wie die Eisenbahn!“ Man kann es sich kaum vorstellen, dass dieser Satz einst völlig ironiefrei benutzt worden war. Heute sorgt er für Heiterkeit oder Betroffenheit. Aber mit Sicherheit ist er selten ernst gemeint.
Wir befanden uns in Esquel, einem kleinen Städtchen in Patagonien. Ich hatte mich für ein paar Tage Mauricio und Federico aus (nein, nicht Italien) Buenos Aires angeschlossen und wir waren auf unserem Roadtrip quer durch Patagonien in Richtung Atlantikküste gefahren.
Morgens im Hotel nach sehr feinem Frühstück, was nun wahrlich keine argentinische Kernkompetenz ist, wurde plötzlich aufs Tempo gedrückt. Denn wir wollten uns vor der Weiterfahrt noch „La Trochita“ anschauen. Das ist eine alte Schmalspurdampflok, die zu touristischen Zwecken durch Patagonien zuckelte und jeden Morgen um 10:00 den „Bahnhof“ verließ. Es war schon kurz vor 10, als wir losfuhren. Mauricio beeilte sich und ließ uns beiden anderen am Eingang rausspringen. Ich verstand die Hektik nicht so ganz, aber eilte Federico hinterher. Da hörten wir aber auch schon das pfeifende Dampfablassen der Bahn. Wir verfielen in den Laufschritt und joggten neben den Waggons her, um zur Lok zu gelangen.
Wir schossen schnell ein paar Fotos, als sich die Trochita auch schon in Bewegung setzte. Es war Punkt 10:00 Uhr! Als sich Mauricio nach dem Parken zu uns gesellte, war Patagoniens Touristenbahn auch schon nur noch von hinten zu sehen. Mauricio war aber schon mal hier gewesen und lächelte: „Die einzige pünktliche Bahn in ganz Argentinien!“ Die Deutsche Bahn hat in Südamerika übrigens noch immer einen hervorragenden Ruf, was Pünktlichkeit angeht. Jetzt musste ich lächeln!
Argentinien hatte übrigens das mit Abstand am besten ausbaute Bahnnetz in ganz Südamerika. Aber unter Präsident Menem wurde die Bahn dann in den 1990ern privatisiert und nur kurz später war bereits der Großteil der Strecken stillgelegt. Bravo! Inzwischen war natürlich ein Großteil des Schienennetzes nicht mehr nutzbar. Um Buenos Aires fahren noch ein paar alte Züge und es gibt ein paar touristische Strecken, wie die „Truchita“ oder den „Tren Patagonico“, der von Bariloche nach Viedma 15 Stunden durch Patagonien fährt – einmal pro Woche! Aber der Rest ist tot.
Ich schaute der Trochita nach und lächelte. „Pünktlich wie die Eisenbahn!“ Dass es so etwas noch gab…! In Südamerika…! Das glaubt mir doch wieder kein Mensch!