„tommi boe“

Viel Spaß mit VISA und FedEx, Teil 2

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Viel Spaß mit VISA und FedEx, Teil 2

Kommen wir zur guten Tat!
Mein Gastvater aus Mérida stellt Holzspielzeug her, tolle, raffinierte Sachen, Mobiles, Marionetten. Aber es gibt im sozialistischen Venezuela keinen gescheiten Holzleim. Und ohne Leim…! Also habe ich ihm versprochen, dass ich, wenn ich in Kolumbien in eine Stadt komme, ihm etwas zu kaufen und zu schicken, weil es in Kolumbien, wie in jedem „normalen“ Land, natürlich Holzleim gibt.
Ich habe heute morgen meinen Kreditkartenscheiß erledigt, bin in ein anderes Hostel gezogen und mache mich auf den Weg. Läden für Handwerksbedarf gibt’s gleich um die Ecke und so kaufe ich drei unterschiedliche Sorten von Holzleim. Hoffentlich ist etwas Brauchbares dabei. Im zweiten Laden lasse ich mir einen Karton mitgeben, um daraus ein schönes Paket zu basteln. Wenig später habe ich zu Hause mein Paket geschnürt, die Holzleimflaschen zwischen Zeitungspapier gelagert.
Ich frage mich auf der Straße durch und gelange zu einem Postservice, der auch Pakete abfertigt. Aber nicht nach Venezuela. Aha! Und wo gibt’s einen internationalen Service? Ich werde weitergeschickt, frage auf der Straße zweimal nach und finde in gar nicht mal so großer Entfernung den nächsten Postservice. Auch hier ist zum Glück wenig los und zwar so wenig, dass ich gar nicht erst bedient werde. Herrliche Schlafbedingungen in der Paketannahmestelle. Da stört man als Kunde ja ungern. Nach einigen Minuten des Räusperns, Trommelns und prächtigen Vogelstimmenimitationen wurde ich am Schalter entdeckt. Ja, nöh, nach Venezuela verschicken wir nicht. Aber drüben auf der anderen Seite der Plaza, dort! Bestimmt! – Zwei Minuten danach genau dort, genau die gleiche Frage, genau die gleiche Antwort: Nicht nach Venezuela! What?!
Die Frau wimmelt mich ab: da nebenan, 100 Meter rechts. Der Laden heißt „24h-irgendwas“ und ist geschlossen. Ich kehre zur gleichen Frau zurück und rede ihr ins Gewissen, dass es in dieser Stadt (1 Mio. Einwohner) doch wohl einen Drecksladen geben muss…! Ach ja, in Bocagrande gibt’s natürlich einen! Sie gibt mir die Adresse. Bocagrande ist die neue Stadt neben Cartagena mit Hochhäusern, Hotelburgen und einem relativ hässlichen Strand voll von nervendem Verkäufer-Massagepack, das einem schnell den Spaß am Strandleben raubt.
Sehen wir es mal positiv, auf diese Art komme ich noch zu meinem täglichen Spaziergang. Also gehe ich noch am Hostel vorbei und hole mein Badezeugs, um in Bocagrande mal kurz ins Meer zu hüpfen.
Der Weg ist lang und heiß. Ein Taxi hilft mir auf halbem Weg und wenig später stehe ich im nächsten Fachversand, wo mir vergewissert wird, dass Venezuela nicht beliefert wird. Aber nebenan ist ein FedEx und die machen so etwas professionell. Der FedEx-Shop ist derart klimatisiert, dass direkter Nippelalarm ausgelöst wird. Ich bin beeindruckt: sehr professionell.
Die Frau dort bestätigt, gegen alle Vorurteile, dass Venezuela natürlich beliefert wird! Stolz präsentiere ich ihr mein Paket. Sie schaut mich an und verlangt die „Factura“, die Quittung, für den Zoll! Ich zucke mit den Achseln und sage, es handele sich lediglich um Leim. Sie antwortet: keine Quittung, kein Zoll, kein Zustellung. – Ich spiele gerade gedanklich durch, was, abgesehen von Amoklauf, angemessene Alternativen sind. Da fällt mir ein, dass ich beim Verpacken neben der Zeitung auch noch die zerknüllten Quittungen ins Paket gestopft habe. Ha! Ihr Arschgeigen! Ich reiße mein Paket auf und präsentiere der überraschten FedEx-Tante die gewünschten Facturas. Bitte Schatz! Aber jetzt kann ja nichts mehr schief gehen!
Oder…?
Nach der problemlosen Aufnahme der Versanddaten wird mein Tarif berechnet und kalt lächelnd serviert: 205.000 Peso = 108 US $! Mein Lächeln gefriert. En serio? Nicht im Ernst! Das Paket soll doch bloß ins Nachbarland gebracht werden. – Mein Kassensturz ergibt 155.000 Peso = 62 €. Ich muss hier raus! Ich brauch erst einmal frische Luft (zugegeben: Scheißmetapher bei 35° draußen und 14°C drinnen!). Ich tigere auf und ab. Aber was bleibt mir?
Ich erkläre missgelaunt, dass ich erstmal mit dem Taxi Geld holen muss, also gleich wieder zurück bin. Ich bin schon halb raus, da ruft sie mich zurück. Das Paket könne ich nicht hier lassen. Ich antworte, dass das für 100$ im Service inbegriffen sein sollte. Nein, das ginge nicht, das müsse ich mitnehmen. Ich muss mich schon ein wenig zusammenreißen. Aber immerhin geht’s um die große Pfadfindertageswertung! Ich nehme grollend das Paket und verlasse den Laden. Fast! Denn noch einmal werde ich zurück gepfiffen. Was denn noch?!!! Ich solle auch die Quittungen mitnehmen. Da ich die Tür schon in der Hand habe, brülle ich sie an, sie solle mich in Ruhe lassen, sie könne den Scheiß doch wohl so lange behalten, bis ich wieder da sei! Das könne ja nicht zu viel verlangt sein! Zum Glück ist eine weitere Kundin im Geschäft, sodass mein Ausraster nicht ganz unbemerkt im Orbit verpufft.
Auf der Taxifahrt kotze ich mich beim Fahrer aus. Er ist klar auf meiner Seite und meint ich würde die Pfadfindertageswertung gewinnen – guter Mann! Hostelstop. Kreditkarte (sollte ja wieder funktionieren) plus Bargeld plus Schusswaffe. Das sollte doch reichen, sofern die Tussi inzwischen nicht aus Angst vor mir den Laden zugemacht hat.
Eine Taxifahrt später betrete ich wortlos den Laden und knalle ihr mein Paket mit Kreditkarte auf den Tisch. Ich habe mir vorgenommen, kein Wort zu sagen. Höflicher geht’s heute nicht mehr. Denn falls ich den Mund aufmachen müsste, würde ich wahrscheinlich platzen. Sie weiß, was die Stunde geschlagen hat, lässt das australische Pärchen, das sie gerade bedient, links liegen und kümmert sich in einem verzweifelten Akt der Deeskalation unmittelbar um mich.
Eine Minute danach verlasse ich den Laden ohne großes Blutvergießen aber um 100 $ ärmer die FedEx-Oficina. Dafür um die Erkenntnis reicher, dass jede gute Tat ihren Preis hat.

 

(Nachtrag: Dieses Paket ist im übrigen nie in Mérida angekommen. Es konnte nicht zur der Adresse zugestellt werden!)

Zum ersten Teil:

https://tommiboe.com/2013/10/24/viel-spas-mit-visa-und-fedex-teil-1/

das gesicht gibt nur sehr ungenau den tatsächlich angepisstheitsgrad wieder
das Gesicht gibt nur sehr ungenau den tatsächlich Angepisstheitsgrad wieder

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Viel Spaß mit VISA und FedEx – Teil 1

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Viel Spaß mit VISA und FedEx – Teil 1

Sicher, sich aufzuregen hilft oft gar nichts. Aber sich nicht aufzuregen, bringt meistens genau so wenig! Und, jetzt mal ehrlich, sich aufregen macht manchmal auch ganz schön Spaß.
Heute soll es der Tag einer guten Tat werden! Naja, ehrlich gesagt, soll daraus gar kein ganzer Tag werden. Ich habe heute morgen schon meinen Kreditkartenscheiß erledigt. Die letzten drei Tage habe ich vergebens versucht, Geld abzuheben. Ich habe es bei allen möglichen Banken probiert und musste bei meiner Bezahlung in Palomino sogar auf meine heiligen Euro-Reserven zurückgreifen. Toll! Meine einzige Kreditkarte hat also genau zwei Abhebungen gehalten. Davor, in Venezuela, bin ich ja nicht an Geldautomaten aktiv gewesen, da diese (noch!) keinen Schwarzmarktkurs anbieten. Würde mich aber nicht wundern, wenn es das bald auch gibt. So ein südamerikanischer Sozialismus ist ja voller  Überraschungen!
Jetzt bin ich in Cartagena und hier gibt’s einen Haufen Banken. Ich versuche, in einer Bank meine Karte prüfen zu lassen, ob der Chip kaputt ist oder so ähnlich. Kann man ja vielleicht in einer großen Bank machen! Kann man ja mal checken! denke ich mir. Das Personal ist durchaus freundlich, kann das Problem aber nicht lösen. Meine Bankfachangestellte telefoniert herum und schaut meine Karte schließlich skeptisch an. Jaja, der Chip sehe irgendwie beschädigt aus. Irgendwie beschädigt…? Aha. Ich solle doch besser meine Bank anrufen.
Gut, das hatte ich ohnehin vor. Ich suche also einen Laden für internationale Gespräche auf. Diesen Service bieten die unzähligen Personen in der Straße mit ihren „Llamada“-Schildern leider noch nicht an (siehe Foto unten).
Das erste Telefonat ergibt, dass es die internationale Hotline der DKB nicht mehr gibt – aha!
Das zweite Telefonat spült mich in die Warteschleife der normalen deutschen Hotline, was natürlich immer schön ist, wenn man aus dem Ausland anruft (von wegen 9 Ct/min aus dem deutschen Festnetz, ihr Arschgeigen!). Ich werde mehrfach vertröstet, dass schon der nächste freie Mitarbeiter mit mir und nur mir verbunden wird. Scheiß Nervmusik dazu! Nach ein paar Vertröstungen wird mir geheißen, später noch mal anzurufen. Das tue ich dann auch. Was bleibt mir anderes übrig…? Als beim fünften Anruf tatsächlich jemand dran ist, bin ich viel zu überrascht und zu froh, dass ich ganz vergesse mich zu beschweren, dass ich als Auslandsnotfall nicht direkt in die Notaufnahme komme, sondern mit all den Kassenpatienten ins Warteschleifenzimmer gesteckt werde.
Der Telefonseelsorger kann mir allerdings nicht weiterhelfen, da der Zugriff auf mein Kreditkartenkonto derzeit nicht möglich ist: Aus Sicherheitsgründen gesperrt! Das Warum werde ich erst morgen erfahren, da der zuständige VISA-Service keinen 24-Stunden-Dienst hat.
Am nächsten Morgen erreiche ich direkt (auch das gibt es!) meinen Problemlöser in München. Und Ja in der Tat wurde meine Karte aus Sicherheitsgründen gesperrt, da jemand damit in Kolumbien Geld abgehoben habe! – Okay, das kann ich erklären! „Ja, wir waren uns nicht ganz sicher, ob es dieses Kolumbien wirklich gibt!“ Aber natürlich kann ich meine Karte wieder benutzen. Komisch nur, warum sie mir die Karte sperren, mich aber nicht darüber informieren können? (Später habe ich herausgefunden, dass mir VISA tatsächlich einen Brief nach Hause geschickt hat. Toll. Wie wäre es mit einer Email, ihr Flachzangen?! Wahrscheinlich nicht sicher genug. Dann lieber einen Brief schreiben. Einen Brief! Kann mir leider niemand erklären, wie ich an diesen Brief kommen soll, falls ich tatsächlich in Kolumbien sein sollte…?! Au Mann! Also wirklich, Freunde!)
Ach, übrigens konnte ich zeitgleich mit meiner Maestro-Karte in Kolumbien natürlich Geld abheben. Das ist ja klar!

(Zweiter Teil folgt! Muss mich erst noch beruhigen!)

https://tommiboe.com/2013/10/26/viel-spas-mit-visa-und-fedex-teil-2/

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Telefonservice am Straßenrand (in Venezuela)

 

 

Kleiner Grenzverkehr

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Kleiner Grenzverkehr – Teil 1

Ich nehme den „kleinen“ Grenzübergang zwischen Venezuela und Kolumbien, zwischen Maracaibo und der Península La Guajíra, vor dem in manchen Reiseführern gewarnt wird. Ui! Das klingt doch nach Abenteuer. Ich weiß aber inzwischen, dass das nichts weiter zu bedeuten hat.
Nach einem schwül-heißen Tag in Maracaibo fällt mir der Abschied aus der Ölhauptstadt Venezuelas nicht sonderlich schwer. Immerhin konnte ich beim gestrigen Abendessen im einzigen sich drehenden Restaurants Venezuelas das einzigartige Naturphänomen Catatumbo über dem Lago de Maracaibo zumindest noch von Weitem erblicken. Das ist so etwas wie Polarlicht light für Venezolaner: ständig zuckende Blitze ohne Donner!
Am Terminal wird mir dieses Mal schon vorm Eingang „Maicao!“ entgegen gerufen, mein kolumbianischer Grenzort. Es wird mir der Dienst in einem „Por Puesto Taxi“ angeboten. Dabei handelt es sich um eines dieser uralten US-Schlachtschiffe, in denen man einen Platz (also nicht das ganze Taxi) erwirbt. Das Ganze ist zwar etwas teurer als ein Bus aber natürlich viel billiger als ein Taxi selbst. Außerdem hält es nicht überall und sollte dadurch eigentlich schneller sein. Immer verdächtig, wenn das Wort „eigentlich“ in solchen Zusammenhängen fällt!
Naja, warum nicht? – Warum nicht, erklärt sich mir im Verlauf der nächsten Stunde, in der wir auf die nötigen 5 Passagiere warten, die das „Por Puesto“ voll machen! Jaja, es geht gleich los… Sonst wird weiter gewartet…
Nach einer Stunde sind die Wartenden (inklusive mir) sauer genug, sodass uns das Personal dieses „Por Puestos“, dann auch zu viert losfahren lässt. (Auf dem Foto unten erkennt man die vier Männer, die sich mit unserer Fahrt beschäftigt haben, also mehr oder weniger für das „Reiseunternehmen“ arbeiten, unter dessen Flagge unser rollender Mülleimer segelt. – Nicht eingerechnet auf dem Extra-Foto der freiberufliche Typ, der mit Trillerpfeife den Leuten beim Einparken hilft, ob sie wollen oder nicht. Was auch so ein Job ist, den man mal für ’ne Viertelstunde, aber bitte keine Minute länger, übernehmen würde.)
Um Fahrweisen und deren -vergehen soll es hier nicht gehen. Das würde den Rahmen völlig sprengen. Nur so viel: Wer auch nur einen einzigen Tag auf venezolanischen Straßen er- und überlebt hat, wird sich in Europa nie wieder über irgendetwas aufregen (können). Versprochen!
Natürlich müssen wir, bevor’s losgeht, auch noch mal volltanken, was verständlich ist, wenn man sich erinnert, dass Tanken in Venezuela nur Zeit, aber niemals Geld kostet. Die Strecke dauert ungefähr zwei Stunden (theoretische Fahrzeit) und auf den letzten hundert Kilometern vor der Grenze gibt es keine Tankstellen mehr.
Unser junger Fahrer hält aber später trotzdem noch zweimal an, um sich am Straßenrand den Tank auffüllen zu lassen (siehe Foto). Das eine Mal auf offener Strecke an einer wilden Müllhalde, an der dann eine dubiose Person mit Plastikflaschen zwischen den Büschen hervorspringt… Hä?! Ich begreife das nicht! Das Benzin ist in Venezuela quasi ein Werbegeschenk der sozialistischen Regierung an sein Volk. Warum also kurz vor der Grenze überteuerten illegalen Sprit tanken? Hä?! – Beim zweiten Nachtanken sind es gerade mal ein paar Literchen für 20 Bolos, was, wie wir gelernt haben, für vier venezolanische Tankfüllungen ausreicht!
Das wirkt, auf den ersten Blick, bizarr. Aber es lohnt sich ein zweiter. Denn es lohnt sich sehr, mit einem randvollen Tank über die Grenze zu kommen, um dort so viele Liter wie möglich abzusaugen und zu verkaufen. Klingt idiotisch. Aber nicht lange, wenn man sich bewusst macht, dass der Sprit in Kolumbien zu handelsüblichen Preisen gehandelt wird (3000 Peso pro Liter = 1,15 €) und in Venezuela verschenkt wird. Zur Wiederholung und zum Weitererzählen: „An einer venezolanischen Tankstellen ist Pissen teurer als Volltanken!“ Und das ist kein Witz!
Auf der Fahrt von Maracaibo bis zur Grenze kommen wir an geschätzten acht bis zwölf Kontrollposten vorbei. Wir müssen meist nicht mal die Pässe zeigen, aber es staut sich trotzdem jedes Mal der Verkehr auf.
Schließlich kommen wir an die Grenze. Die venezolanische Grenzstelle ist geschlossen, Mittagspause. Dementsprechend vergrößert sich die Schlange der Anstehenden. Nach der Pause wird die Schlange aber dann erstaunlich schnell und ohne lästige Fragen weggestempelt. Unfreundlich natürlich und bei mir landet der Stempel auf einer Seite im Reisepass, die ausdrücklich für deutsche Vermerke vorgesehen ist. Aber sich jetzt zu beschweren, das hieße, sich selbst ins Knie zu schießen.
Bei den Kolumbianern geht’s etwas gediegener zu. Man sitzt an, in einem klimatisierten Raum! Ich bin im übrigen der einzige nicht-Venezolaner/Kolumbianer im ganzen Grenzbereich, was dafür sorgt, dass es natürlich bei mir zu Verzögerungen kommt. Mein Fachbearbeiter hat mir schon mit Schwung den Stempel in den Pass gepresst, verharrt aber und verschwindet von seinem Platz und läuft zu Kollegen im hinteren Bereich! Och, nöh! geht mir durch den Kopf! Was denn nun? Der Typ kommt trällernd, lächelnd zurück und fragt mich, ob ich nach Santa Marta fahren würde. Ich sage: Ja, wahrscheinlich schon. Ja, weil es hier Probleme gibt mit dem Pass, da müsste ich dort noch mal auf ein Amt. Hä…?! Was ist…?! – Zum Glück wartet die Kolumbianerin, die mit mir ihm Taxi saß, noch so halb neben mir und eilt zu Hilfe und fragt nach! Damit hat der Typ nicht gerechnet! Sie sagt, er soll mal genau die Adresse und seinen Namen aufschreiben und noch mal genau erklären, was denn nun Sache sei. Tatsächlich beginnt er, etwas aufzuschreiben, aber hört dann plötzlich auf und meint, irgendwie habe sich jetzt doch alles geklärt. Pasaporte und Tschüss! Hä?! Ich schüttele innerlich ein paar Mal den Kopf. Was sollte das denn werden? Mal hübsch den einzigen Gringo über den Tisch ziehen…? Von wegen Probleme und dann mit ein paar Scheinchen die Sache erledigen… Netter Versuch! Ihr Schweinepriester!
Meine Reise endet für heute in Riohacha, der größten Stadt von La Guajira, einem der trockensten Flecken Kolumbiens. Demwidersprechend geraten wir in ein extrem potentes Tropengewitter mit allem Drum und Dran. Die fünf Schritte, die ich im Terminal vom Bus zum Unterstand machen muss, machen mich nass! – Es scheppert, zuckt und knallt, als hätte der Himmel Totalschaden. Dann haut’s im Terminal auch noch den Strom raus. Die Gesamtchoreographie stimmt!
Eine Stunde später fährt mich ein Taxi durch die Seenplatte Riohachas. Was ein Spaß. Jetzt fehlt nur noch ein kaltes Aguila (das Bier der kolumbianischen Küste).
Bienvenido a Colombia!

Maracaibo: Taxi, Taxifahrer plus Personal des
Maracaibo: Taxi, Taxifahrer plus Personal des „Reiseunternehmens“
„Nachtanken“ vor der kolumbianischen Grenze, um so viel Sprit wie möglich über die Grenze zu bringen!
Kolumbianischer Straßenrand: Hier wird das frisch abgesaugte, venezolanische Benzin wieder verkauft.
Kolumbianischer Straßenrand: Hier wird das frisch abgesaugte, venezolanische Benzin wieder verkauft.

Spaß mit der DHL

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Spaß mit der DHL in Venezuela

Heute ist Abreisetag und mir bleibt, ein letzter Job zu erledigen. Meine Tagesaufgabe ist der Versand eines Paketes nach Deutschland. Klingt erstmal nicht zu kompliziert. Aber nicht vergessen: Ich bin in Venezuela. Und das zuständige venezolanische Sprichwort heißt: „Tan fácil como uno se imagina que no puede ser!“ So einfach, wie man sich das vorstellt, kann das gar nicht werden.

Nachdem ich mir meine Fahrkarte für den Nachtbus nach Maracaibo gekauft habe, steige ich in ein Taxi und frage nach einem internationalen Postservice, weil es der Service im Terminal nur national macht. Der Taxifahrer weiß was und fährt los. So soll es sein. Kurz darauf stehe ich vor einer DHL-Filiale. Aha. Darauf wäre ich gar nicht gekommen, dass es in Venezuela sowas gibt. Na, die werden ja wohl Deutschland beliefern können.
Der junge Mann am Schalter ist schnell von der Aufgabe überfordert. Zum Glück steht ihm eine erfahrenere Kollegin zur Seite, die ihm hilft, meinen Namen fehlerfrei von meinem Reisepass ins Auftragsformular am Computer einzutragen. Dann noch meine Anschrift, meine Telefonnummer und schon kommen wir zur Lieferadresse.
Das Paket enthält im übrigen zwei sehr schöne, handgefertigte Holzspielzeuge, von meinem „Gastvater“ in seiner Werkstatt angefertigt. Wirklich schön! Ich sag das an dieser Stelle, lieber Christoph, (lieber Moritz und Fiete,) vielleicht ein wenig übertrieben. Aber ich weiß halt nicht, ob diese Fracht jemals ankommen wird.
Denn bei der Eingabe des Codigo postal, der Postleitzahl, sagt das System: No! Meine beiden DHL-Dienstleister können diesen Code nicht eingeben. Vielleicht bedarf es für solche Eingaben einer dritten Fachkraft? Ich weiß es nicht. Jedenfalls überprüfe ich erst einmal, ob die PLZ stimmt, und scheide damit wenigstens für heute als Fehlerquelle aus. Die Frau glaubt mir nicht und holt als Beweismittel ein großes internationales PLZ-Verzeichnis hervor und findet, o Wunder, die besagte PLZ. Trotzdem verweigert sich das System standhaft – was soll es auch tun?
Ein weiterer, noch erfahrenerer Mitarbeiter eilt zu Hilfe und erklärt, der Fall sei ganz einfach: Die Region mit dieser PLZ würde von der DHL nicht beliefert werden, deshalb stünde sie natürlich auch nicht im System! Aha, na sicher! Denn der Ort, erklärt er weiter, befinde sich irgendwo außerhalb und damit auch außerhalb des Zuständigkeitsbereiches der DHL. Klarer Fall und Tschüss! Er ist so schnell verschwunden, dass ich gar nicht dazu komme, ihn persönlich auszulachen. Jaja, fügt die Frau noch hinzu, in Mérida würden nämlich auch nicht alle Bezirke von der DHL beliefert werden!
So ist das also, liebe DHL?
Ich versuche zu erklären, dass die DHL durchaus in der Lage sei, alle Postleitzahlen in München zu beliefern und unter Garantie auch die meines Bruders. Es handele sich hier um einen Fehler im System. Aber das mögen die Beschäftigten nicht einsehen.
Ich könne ja mein Paket an einer andere Postleitzahl in München schicken und dann könne der Abholer dort anrufen und das Paket abholen. Hä?! Sprachverwirrung? Ich frage zweimal nach. Aber das „Hä?!“ bleibt. Es handelt sich offensichtlich um eine Sprecherverwirrung. Wer soll wann und wo anrufen (bei einer Postleitzahl)? Und wie soll das funktionieren?
Natürlich bin ich auf so etwas nicht vorbereitet und habe keine Münchner Ausweichadresse mit gültiger und belieferbarer PLZ im Hirn. Also schicke ich das Paket zu meinen Eltern. Denn natürlich wird das 600 Seelen-Dorf Barum von der DHL beliefert, sogar aus Venezuela!
Wenig später darf ich Aufträge unterschreiben und mit zwei Daumenabdrücken (kein Witz!) besiegeln. Dann kommen wir zur Bezahlung. Ich war schon vorher gespannt, was mich der Spaß kosten würde. Aber die Realität haut mich dann doch fast um: 816 Bolivares. Das entspricht beim offiziellen Wechselkurs ziemlich genau 100 Euro! Spätestens jetzt weiß ich auch, warum ich der einzige Kunde im Laden bin. Denn während ich mit dem Schwarzmarktkurs im Rücken über die 16 € lächeln kann, lächelt bei diesen Preisen kein Venezolaner.
Für diese 100 € kann mir die DHL aber nicht garantieren, dass die Versandstücke unbeschädigt ankommen, denn die Guardia Nacional öffnet gerne und robust ausgehende Pakete. Dafür ist die Lieferung an eine Ausweichadresse nicht mit zusätzlichen Kosten verbunden.
Vorm Rausgehen empfehle ich dem Personal, den Systemfehler wenigstens zu melden. Es wäre doch schön zu wissen, wer der DHL ins venezolanische System geschissen hat und wer dafür verantwortlich ist, die Scheiße wieder wegzumachen. Oder nicht, liebe DHL?
Ach ja, wer Lust hat, kann ja mal gucken, wo das Paket zurzeit festsitzt: Tracking-Nr: 1773629804.

(aktuell in: David, Panama. Da hatte ich letztes Jahr übrigens eine lustige Begegnung mit einem volltrunkenen Panameño, der uns auf Englisch erzählen wollte, warum er seine Freundin, die mit am Tisch saß, betrogen hatte. Er war aber so voll, dass nicht ein (keine Übertreibung!) gerader Satz aus ihm raustorkelte. Und wenn wir ihm mit den fehlenden Worten, die ein Satz so braucht, aushelfen wollten, hatte er sich vorgebeugt und uns mit „no no no!“ unterbrochen.

Noch Fragen…? No no no!

kompentenzteam der DHL-venezuela.
Kompentenzteam der DHL-Venezuela.

Schümli

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Schümli 

Ich würde jede Wette eingehen, dass ich eine andere Assoziation zum Wort „Schümli“ habe als Ihr. Gut, vielleicht habt Ihr gar keine Assoziation zu „Schümli“. Vielleicht neigt Ihr nicht so zu Assoziationen. Muss ja auch nicht. So etwas wird gnadenlos überbewertet.

Das Bild, das sich vor meinem inneren Augen formiert, wenn ich „Schümli“ denke, ist zwar nicht besonders schön oder appetitlich aber mit Sicherheit einzigartig. Und ich könnte mir gut vorstellen, dass demnächst der eine oder andere von Euch auch eine ganz neue Assoziation zu Schümli haben wird.
Neuerdings geh ich schwimmen. Fand ich früher doof und langweilig. Und Schwimmer:innen waren auch doof und langweilig. Alle. Logisch. Und so ist es ja auch immer noch. Ich hab mir also eine Schwimmbrille gekauft und eine 10er-Karte und schon war ich selber ein doofer Langweiler. War gar nicht so schwer. War fast ein bisschen stolz auf mich. Über meine Wandlungsfähigkeit. Über meine Offenheit, mich alten Vorurteilen zu stellen. Muss ich meiner Exfreundin erzählen, die immer meinte, dass ich so schrecklich eingefahren sei und mich auf nichts Neues einlassen würde. Soll sie sich doch mit Heißwachs enthaaren – also wirklich!
Zurück zum Schwimmen: Aber bei aller Langeweile, hin und wieder kann man im Schwimmbad etwas erleben, was man so woanders nicht erleben könnte. Nach dem Schwimmen geh ich zu den Duschräumen, wo sich schon ein paar Männer duschen. Es gibt zwei halboffene Duschkabinen und einen offenen Gruppenduschraum. Also, die meisten Männer duschen sich in einem öffentlichen Schwimmbad nackt. Machen Frauen das eigentlich auch? Konnte ich bisher noch nicht überprüfen. Saunafreunde sind Nacktduscher, das ist klar, aber ansonsten im normalen Badebetrieb zeigen sich Frauen städtisch-öffentlich gegenseitig ihre Brüste…?
Über Brüste gibt es sicherlich viele schöne Geschichten. Aber sie gehören jetzt nicht hier her. Also schnell zurück in die Männerdusche. Drei, vier Männer duschen dort bereits und einer von ihnen ist besonders vergnügt bei der Sache. Der war mir schon beim Schwimmen aufgefallen. Beim Bahnenschwimmen begegnet man sich ja regelmäßig und dieser Mann war besonders dick, also ausnehmend dick. Und ich dachte mir schon beim Schwimmen: Bohr, ist der dick! Muss man ja regelrecht außen rum schwimmen! – Aber ich dachte auch: Cool, dass der trotzdem schwimmen geht!
Jedenfalls macht er unter der Dusche einen höchst vergnügten Eindruck, was ich daran erkenne, dass er sich wie ein Verrückter einschäumt. Nicht nur so ein bisschen Duschgel zum Saubermachen, nein, sondern weil er Spaß daran hat. Ich denke: Aha, viel Schaum = viel Spaß! Ich lächele für mich und schenke mir auch noch eine extra Portion Duschgel in die Handfläche ein und schäume ordentlich nach.

Dicker Mann beim Einschäumen!

Dann bückt sich der dicke Mann, um sich seine Beine einzuschäumen. Ganz schön gelenkig für sein Volumen, denk ich. Und er beugt sich noch weiter runter, um auch an die Füße zu kommen, und genau in diesem Moment, durch das Zusammenklappen von Ober- und Unterkörper, schießt ihm zwischen den gewaltigen Pobacken eine weiße Schaumfontäne heraus! Abgerundet wurde dieses Spektakel durch eine dezente Note von Jojoba-Grapefruit in der Luft.
Schön, zu welchen Tricks dicke Männer in der Lage sind!

„Opa, Opa, machst du noch mal Schaum hinten raus?!“


Und ich sehe seine Enkel vor mir, wie sie rufen: „Opa, Opa, machst du noch mal Schaum hinten raus?!“ – Und er sagt: „Och, Kinder…!“ – Aber sie schreien und hüpfen und flehen: „Opa, bitte, noch einmal Schaum machen, bitte!“ – Und schließlich lächelt er sein bestes Opalächeln, seift sich noch mal gründlich ein und sagt – und ich weiß auch nicht, woher er plötzlich diesen schweizer Akzent hat:
„Also gut – Opa macht noch einmal Schümli!“