Sanitärcontainer

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Sanitärcontainer

Die deutsche Sprache ist bekannt und berüchtigt für ihre Vielfalt an Wortkombinationen. Wahl- und zum Teil willenlos lassen sich Substantive aneinander hängen und sich neue Worte zusammenbasteln. Sowohl Phantasie als auch Beklopptheit sind dahingehend quasi keine Grenzen gesetzt.
Ich glaube, in keiner anderen Sprache kann man sich bei Scrabble besser in die Haare geraten, da man im Prinzip aus jedem bereits zusammengesetzten Wort noch ein neues basteln kann. Fraglich nur, was ist erlaubt und welche geglückte Kreation gönnt man dem anderen, wenn er damit auf den dreifachen Wortwert kommt und im Gesamtklassement uneinholbar enteilt. – Mein Vater erzählt noch heute von der inzwischen familienlegendären „Kuhbude“, die ihm meine Mutter vor gefühlten hundert Jahren nicht anerkannte und ihm damit ein empfindliches Waterloo auf dem Scrabble-Schlachtfeld zugefügt hatte.
Auch so ein schönes Wort ist „Sanitärcontainer“. Und irgendwie klingt es hübscher, als so etwas tatsächlich ist. Wer schon einmal genötigt war, regelmäßig einen solchen Container zu besuchen, der weiß Bescheid.
Und ich meine nicht diese – zugegeben hässliche – Extremsituation, wie auf einem verregneten Openairfestival ohne Ganzkörperschutzanzug auf ein geflutetes Dixiklo zu müssen…! Holla! Dahingehend bin ich wirklich froh, ein Mann zu sein! Und da lächele ich auch befreit über solche Sprüche wie „Männer sind ja so eklig!“ Nur kein Neid. Wer kann, der kann!
Dabei muss man solche Chemoklos fast noch in Schutz nehmen. Denn was in aller Welt soll dem Ansturm von 10000 Pissern schon standhalten? Da geht sogar eine deutsche Eiche in die Knie!
Ich hingegen hatte das zweifelhafte Vergnügen, über einen Zeitraum von fast einem Jahr einen Sanitärcontainer als mein Bad bezeichnen zu müssen. Es ging also nicht um den singulären Nutzungsakt sondern um die Geschäfte des täglichen Bedarfs. Es musste also auch geduscht werden. Ganz ohne Zweifel: duschen im Prekariat!
Okay, ich habe nicht den Anspruch an einen Duschcontainer, dass es gemütlich sein soll oder gar heimelig oder kuschelig. Ich erwarte keine überschäumenden Dusch- oder Badeorgien. Ich benötige keine Duftöle, Lavalampen, Wasserenthärter unter den Duschköpfen, Badeschwämme, Fußsohlenreflexmassagen, fengshuigerecht installierte Armaturen oder karibische Duschkabinenmalereien. Wenn ich dreckig bin, dann möchte ich duschen. Es muss ja nicht alles im Leben zum Spektakel werden.
Aber eines sollten diese Container können: Sie sollten funktionieren! – Ich weiß nicht, wie oft wir den Servicedienst gerufen haben, weil hier etwas nicht dicht war oder der Boiler überkochte und vor lauter Überkocherei zu platzen drohte, um als Folge in einem gefluteten oder nicht beheizbaren oder einfach nicht funktionierenden Container zu stehen und zu fluchen.
Der Servicemann kam mit einem sturmerprobten Entschuldigungslächeln und reparierte den in die Jahre gekommenen Duschcontainer – fürs erste – und dann fürs zweite – fürs dritte und so weiter!
Was mich aber am Nachhaltigsten verärgert hat, das sind die Duschvorhänge! Dass eine Duschkabine mal kaputtgeht, ein Abfluss verstopft, eine Leitung leckt, ein Boiler explodiert, Gott sicher, das kann alles jedem mal passieren. Ich bin auch schon explodiert. Jeder hat mal einen schlechten Tag.
Aber dass so Grundsätzlichkeiten wie Duschvorhänge nicht funktionieren und ich meine damit jeden verschissenen Tag ihrer verdammten Existenz und zwar in jedem Dreckscontainer, das kann doch wohl nicht wahr sein! Doch! Oh doch!
Ich stehe also in dieser Duschkabine und dusche mich. Ich dusche heiß, nicht so heiß, wie es viele Frauen können, aber doch: Ich bin ein bekennender Heißduscher! – Aber damit muss doch ein Duschvorhang klarkommen. Damit kann und muss ich als Duschvorhang doch rechnen beziehungsweise als Firma, die ihr Geld mit der Vermietung dieser erbärmlichen Drecksdinger verdient. Man muss doch damit rechnen, dass Menschen, die in eine Duschkabine gehen, das heiße Wasser aufdrehen. Und auch die Folgen sind einigermaßen überschaubar:
Das heiße Wasser erhitzt nämlich nicht nur mich, sondern gleichzeitig die Umgebungsluft in der Kabine. Heiße Luft, so haben wir im Kindergarten gelernt, dehnt sich aus und steigt auf. Was bleibt ihr in der Duschkabine auch anderes übrig? Die heiße, aufsteigende Luft wabert also nach oben und dort irgendwie seitlich weg in den Vorraum des Duschcontainers. Das führt innerhalb der Kabine zu einem Massenverlust und so entsteht am Boden der Duschkabine, thermisch gesehen, ein relatives Tiefdruckgebiet. Und mit einem Tiefdruckgebiet zu meinen Füßen bleibe ich in der Dreckskabine und warte auf die fällige Ausgleichsströmung, die da kommen muss. Und sie kommt! Und zwar nicht ausnahmsweise! Sie drückt von draußen – außerhalb meines 80 mal 80cm-Duschparadieses – nach drinnen. Denn dort draußen befindet sich ein relatives Hoch. Und wie wir im Einführungsseminar für angehende Sanitärcontaineringenieure gelernt haben, bewegen sich Luftmassen als Ausgleichsströmung immer vom hohen zum tiefen Druck. Mit Betonung auf: Immer! Nein, das ist keine neue Erkenntnis aus der Nuklearphysik und dafür braucht man auch kein Diplom in Meteorologie. Dafür reicht schon ein Bachelor in „Nur-mal-kurz-das-Hirn-anschalten“.
Die Luft drückt nun von außen den (vorsichtig geschätzt) zwölf Jahre alten Duschvorhang, über dessen Vergangenheit ich lieber nicht bescheid wissen möchte, nach innen und zwar bis ungefähr in die Mitte meiner Kabine und klebt sich, je nachdem wie herum ich stehe, an meine Wade oder mein Schienbein. Und beides möchte ich nicht! Ich würde sogar noch weiter gehen und sagen, beides finde ich unangenehm, unhygienisch und ekelerregend. In einem Etwas, in das ich mich stelle, um mich sauberzumachen, möchte ich nicht von einem alten klebrigen Plastiksack belästigt oder gar umarmt werden, der schon wer weiß wie viele Vorgänger und Vorduscher im Würge- oder Klammergriff gehabt hatte. Das gehört absolut nicht in die Rubrik Hygiene. Da kann ich mich danach ja gleich noch mal duschen. Nur das würde ja wieder nichts ändern!
Das sollte sich mal jemand merken. Falls es überhaupt jemanden vor Ort interessiert. Aber das bezweifle ich aufs Gröbste! Denn kennen Sie irgendwelche Anbieter solcher Kabinen…? Mir sind genau zwei Namen eingefallen: Dixi und ToiToi! Ja, und ist das nicht herrlich, wenn sich zwei Marken den Markt aufteilen können? Aber es kommt noch besser. Denn wissen Sie was…? Beide gehören zu einer Firma! Ja, ist das nicht herrlich?!
Und was schert es schon einen Monopolisten, wenn einem kleinen Kunden bei jedem Duschvorgang der Duschvorhang am Arsch klebt? – Richtig, es geht ihm am Arsch vorbei!

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