Dörty-Schwestern-Talk

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Dörty-Schwestern-Talk

Wenn man in Krankenhäusern auch nur ein wenig Respekt gegenüber den Kranken haben würde, dann ließe man den Patienten morgens seine Ruhe!
Ich weiß nicht, wann Sie das letzte Mal im Krankenhaus waren. Bei mir ist das noch gar nicht so lange her. Ein überflüssiges Körperteil rebellierte in der Nähe von Bitterfeld. So kann’s gehen.
Um halb sechs zupfte mich die Nachtschwester vorsichtig an der Schulter. Sie wollte mir ein Fieberthermometer ins Ohr schieben, wofür ich die Ohropax aus dem Ohr ziehen musste. Ohropax sind im Krankenhaus überlebensnotwendig. Sie schützen gleichermaßen vor dem Schnarchen und der Volksmusik der Zimmergenossen und sogar vor deren Heimatdialekt. Praktisch! Bevor sie meinen Puls fertig gemessen hatte, schlief ich auch schon wieder. – Aber nicht lange!
„Morgen!!!“ Die Tür polterte auf, das Licht ging an und zwei Schwestern betraten die Bühne. Ich kam mir „originaaal“ vor wie bei Werner im Comic! Im Gegensatz zur Nachtschwester musste es sich bei diesen beiden Wesen dem Lärm nach aber um Tagschwestern handeln. War schließlich auch schon fast sechs Uhr!
„Da fangen wir mal mit dem jungen Mann an, woa?!“ bellte es mir entgegen. (Hinweis für alle dem Fuhnedeutschen unmächtigen*: „Woa?!“ bedeutet so viel wie „nicht wahr“ und wird immer mit Frage- und mindestens einem Ausrufezeichen ausgesprochen!) Ich weiß nicht warum, aber sie mussten mein Bett machen – was ein Stress! Ich schälte mich aus dem Bett und setzte mich auf den nächsten Stuhl, während die Schwestern, laut über meinen Müdigkeitszustand schnatternd, mein Bett machten und dabei auffallend korrekt den Dialogstil von „Rede und Widerrede“ beachteten.
„Da sind wa aba noch müde, woa?“ – „Ja, aba ganz schön müde, woa?!“ Zumindest war mein Zutun dabei nicht gefordert. Hätte ich sprechen müssen oder können, mir wäre wahrscheinlich nur „Ruhe!“ oder „Raus!“ eingefallen.
Da ich schon mal auf war – so halb wenigstens, konnte ich ja auch aufs Klo, dachte ich mir und nutzte die Gelegenheit. Denn zumindest pissen kann ich morgens immer. Als ich zurück schlich, keifte die eine Schwester los: „Na, da ham wa wohl keene Hausschuhe dabei, woa?!“ – „Ja, wie? Tatsächlich! Da hamse Ihre Hausschuhe wohl vajessen, woa?!“ Was für ein Thema! Ich deutete unter mein Bett, wo meine Schlappen lagen und dachte mir: Ätsch! „Ah! Da sind ja die Hausschuhe!“ – „Ach ja, da sindse!“ Ich legte mich erst mal wieder ins Bett. Was soll man auch sonst um sechs Uhr morgens im Krankenhaus machen, zumindest wenn man hier nicht fürs Rumschreien bezahlt wird?
„So, Herr Hanke, jetzt stehnse mal vorsichtig auf!“ – „Ja, aba schön vorsichtig, woa?!“ – „Nicht dass Se uns hinfallen, woa?!“ – „Ja, nur nicht hinfallen, woa?!“ – „Se dürfen hier alles machen, woa? Nur nicht hinfallen, woa?!“ – „Aba sonst dürfen Se alles!“ Ich möchte laut dazwischen schreien: „Aba nur nicht hinfallen, woa?!“ Das verkniff ich mir aber, weil ich Angst hatte, dass sich die Schwestern zu mir umdrehen würden und genau in dem Moment der kranke und geschwächte Herr Hanke umfallen würde, woa! Und ich sah schon den armen Herrn Hanke genau auf seine frische OP-Narbe stürzen… Nene, das wollte ich dann nun auch wieder nicht verantworten.
„Se können sogar ins Bett kackern, nur nicht umfallen, woa?!“ – Pause. Moment mal. Hatte ich richtig gehört? Auch die zweite Schwester reagierte gar nicht. Was hatte das zu bedeuten? Gingen solche Themen sogar ihr zu weit? Verstieß das gegen geltende ethische Grundlagen der Schwesternkommunikation? Interessant…
Aber die erste Schwester ließ sich nicht weiter beirren, sondern wiederholte ihren Satz einfach noch mal – nur lauter: „Er kann ruhig ins Bett kackern, nur nicht umfallen, woa?!!“ – „Jaja, alles nur nicht umfallen…“ Hilfe! Wo waren meine Oropax? Fand sie auf dem Nachttisch und stopfte sie mir tief rein. Hoffentlich würde ich sie je wieder rausbekommen…
Das Krasseste daran war, dass die beiden Schwestern mit dieser Nummer auch noch auf den anderen fünfzehn Zimmer der Station auftraten! Jeden Morgen, woa?!

 

* Die Fuhne ist ein Flüsschen – immerhin eine Bifurkation – in der Nähe von Bitterfeld. Wobei es sich fast um ein stehendes Wässerchen handelt, daher kommt auch der Name „Fuhne“, was ursprünglich so etwas wie „faulig“ bedeutet. Vielleicht wirkt ja auch deshalb die Aussprache des Fuhnedeutschen so unglaublich faulig, woa?!

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