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Shoppingwahnsinn im Dreiländereck
Shoppingwahnsinn im Dreiländereck
Als ich in Ciudad del Este, dem paraguyischen Grenzort im Dreiländereck mit Brasilien und Argentinien, angekommen bin, eingecheckt habe und zum Essen ins Zentrum gegangen bin, ist es 7 oder 8 pm. Die Stadt ist tot! Dreckig zudem. Insgesamt wenig einladend. Außerdem gibt es keine Restaurants. Die drei Empfehlungen des Reiseführers gibt es nicht mehr. Schließlich bietet mir ein Fast-Food-Restaurant seine Dienste an. Das Resultat/Essen ist in Ordnung. Aber dennoch: komische Stadt!
Als ich am nächsten Tag nach meinem Staudammbesuch erneut ins Zentrum gehe, ist die Stadt nicht wachgeküsst, sondern völlig explodiert. Die Straßen sind voller Verkaufsstände, ein unglaublicher Trubel und ich werde ständig angequatscht, was ich brauche, wonach ich suche, ob ich vielleicht dies oder das haben möchte. – Ich erinnere mich an die Worte meines Couchsurfers aus Asuncion. Er meinte, in Ciudad del Este würde ich am ehesten einen neuen Bildschirm für meinen Laptop bekommen. – Ich lande in einem Shopping-Center vor einer Vitrine mit Tablets (für 240 $ incl. so einem extra Tastatur-Ständer-Teil). Da überlegt man ja doch…! Ich frage, ob es auch einen Laden für Bildschirme gibt. Und in der Tat werde ich auf das LaiLai-Center verwiesen. Ist klar, die Chinesen sind überall.
Ich frag und schlag mich durch. Im LaiLai werden Hunderte Kartons mit Elektrogeräten verpackt. Hier befinden sich unzählige kleine Läden mit ALLEM! Fünf Fragen und fünf Minuten später habe ich im zehnstöckigen Gebäude „meinen“ Laden gefunden. Die Jalousie ist schon zu Zweidrittel runtergelassen. In der Hocke kommuniziere ich mit dem Inneren, diktiere meinen Laptopnamen und meine Beschwerden. Nach einer Minute verweist mich der brasilianische Computerdoktor mit einem „Ja!“ auf morgen früh! Ja bedeutet, er hat einen passenden Screen und baut ihn mir (genauer: dem Rechner) morgen ein! Wow! Damit hätte ich nicht ernsthaft gerechnet. Aber mein inneres Bedenkenträgerteam abert natürlich rum: Abwarten! Das wollen wir doch erst mal sehen! Wir haben schon Pferde vor der Apotheke kotzen sehen!
Als Übersprungshandlung schaue ich mich nach einem neuen Smartphone um, da ich ja meines im ecuadorianischen Dschungel vergessen habe. 60 $, hmm, gute Gelegenheit eigentlich…
Nächster Morgen, Tag der Weiterreise nach Puerto Iguazu/ Argentinien: Ich bin früh raus und um 7 Uhr stehe ich in dem Laden und will mir meinen Bildschirm einbauen lassen. Aber – natürlich… Nichts Aber! In your face, ihr Bedenkenträgerarschlöcher! Alles klappt! Während der Bildschirm eingebaut wird, kaufe ich mir das gestrig begutachtete Smartphone und einen Kaffee dazu. So geht das!
Zurück zum Hotel, Frühstück, Sachenpacken, Auschecken, Grenze, Bus, Grenze und um 11 Uhr bin ich in Puerto Iguazu. Das ist mal ein effektiver Morgen. Wenn ich jetzt noch eine Bleibe finde und irgendwie schwarz an Pesos komme, ist der Tag perfekt. Dabei passt schwarz tauschen schlecht, schließlich nennt sich das in Argentinien „dolar blue“. Das Ganze ist nicht so krass wie in Venezuela. Aber zwischen dem offiziellen (1$=6,60 Peso) und dem blauen Kurs (1$=10,70, gemäß Internetseite für dolar blue) klafft doch eine interessante Lücke.
Gut, der erste Teil ist schnell erledigt: Ich finde ein Hostel. Allerdings kann man mir auf meine Wechselanfrage nicht richtig weiterhelfen. Ich könnte aber in Dollar zahlen (1$=7,50 Peso). Danach streife ich ohne einen Peso in der Tasche durch die Stadt, wobei ich weder Bank noch Geldautomaten finde. Und so Leute auf der Straße anquatschen…! Ich lande in einer netten Schlemmerstraße und setze mich schließlich in ein Lokal. Ich bestelle mir eine „Picada“ (Teller mit Käse, Salami und Oliven plus ein Gläschen Rotwein) mit dem Hinweis, dass ich nur Dollar dabei habe. Das sei kein Problem. Ich frage die Bedienung, wo man denn Dollar blau tauschen könne. Hmm! Wisse sie nicht! Aber bei ihrem Chef bestimmt, der komme später vorbei. Gut! Ich habe ja erst mal zu tun, denn die Picada ist so reichlich, dass ein Glas gar nicht ausreicht. Aber schließlich muss ich ja auch warten…
Schließlich wechselt mir der Chef die 100 $, die ich bei mir habe, 1 zu 9,50 ein. Damit kann ich doch erst mal hervorragend leben und geil konsumieren! (platte Anspielung auf den letzten Blog! https://tommiboe.wordpress.com/2014/01/07/du-bist-so-dumm-wie-die-yahoo-startseite/)


Busfahren in Paraguay
Busfahren in Paraguay
Richtig, wird der ein oder andere denken. Schon lange nichts mehr vom Busfahren gehört. Wie konnte das denn passieren? Ganz einfach. Busfahren war gut organisiert, verlief ohne Zwischenfälle und war langweilig!
Aber kaum bin ich in Paraguay, wird’s schon wieder interessant. Ich will nicht unbedingt behaupten, dass ich das vermisst habe. Zumal mir, während ich das schreibe, noch der Dreck zwischen den Zähnen knirscht. (Und das, was knirscht, ist keine Metapher sondern echter Dreck!)
Nach dem Grenzübergang steige ich direkt vom Taxi in den startenden Bus, als hätte der nur noch auf mich gewartet. So etwas darf man nicht unterschlagen, wenn man sonst stets behauptet, es wäre noch jeder Bus einem immer vor der Nase weggefahren. In Paraguay ist es wieder so, dass der Bus überall anhält, Leute zu- und aussteigen oder der Busfahrer aussteigt, um kurz auf die andere Straßenseite zu springen, um ein Paket abzuliefern oder einen Sack Weihnachtsgeschenke einzuladen. Irgend etwas ist immer!
Neben mich setzt sich eine alte, dicke Frau mit einem Rudel kaum zu bändigender Plastiktüten, die sich alle zwischen sich und dem Fenster verstaut, sodass sie, um Platz für sich selbst und ihren Hintern zu haben, halb auf meinen Sitz rüberrutscht. Hoppla! Mein Kuscheltraum sieht dann doch etwas anders aus, denke ich und weise sie daraufhin, mir doch bitte meinen Platz zu lassen. Sie quetscht sich ihre Tüten sonst wohin. Ich lehne mich zurück, um zu schlafen. Aber meine Nachbarin wühlt die ganze Zeit in ihrer Handtasche herum, wobei sie mir in regelmäßigen Abständen ihrer rechten Ellbogen in die Seite rammt. Danach muss sie ihre Plastiktüten, in denen sich u.a. noch mehr Plastiktüten befinden, durchforsten und umstrukturieren. Jedenfalls raschelt sie mir ein halbe Stunde das Ohr voll. Als sie damit fertig ist, befreit sie sich in einer aufwendigen, mehrstündigen Operation, der ich als OP-Schwester assistieren darf, aus ihrem Hemd, um mich dann erschöpft nach einem Becher Wasser fragt. Aha! Inzwischen hat der Busfahrer während einer seiner Stopps einen kleinen Wasserkanister und Plastikbecher für die Passagiere besorgt. Denn natürlich hat der Bus keine Klimaanlage. Ich gebe ihr einen Becher und schenke ihr ein. Gerade als ich den Kanister vorsichtig ablasse, zieht sie den Becher weg und sagt danke, sodass der letzte Schluck schön auf meiner Hose landet. Jetzt bedanke ich mich, nicht mehr ganz so freundlich, bei ihr. Die ganze Zeit auf ihrem Platz rumturnen und rumnerven und jetzt nässe ich auch noch die Hose ihretwegen.
Auch speziell und anders als in Brasilien: Bei jedem (!) offiziellen Halt läuft ein Dutzend (!) Jungen zwischen 10 und 14 (bei 20 Sitzplätzen) durch den Bus, um Getränke oder Essen zu verkaufen. Sie haben alle das gleiche Angebot. Und das passiert natürlich, während die Passagiere in dem bereits vollen Bus versuchen ein- und auszusteigen. Herrlich überflüssiges Gewusel! Da freut man sich schon auf den nächsten Halt. Der Lehrer in mir fragt sich natürlich, ob das nur jetzt zum Jahresanfang während der Schulferien so ist oder ob die Jungs dies hier als Vollzeitbeschäftigung ausüben?
Mein persönliches Highlight ist, als der volle Bus anhält und am Straßenrand eine einsame Frau mit einem ganzen Obststand steht, also ohne Stand aber mit dem kompletten Sortiment dafür (Foto). Der Busfahrer springt aufs Dach und lässt sich die Sachen hochreichen. Da die Frau aber zu klein und zu schwach für diesen Job ist, steige ich mit einem weiteren Mann aus und wir übernehmen das Hochhieven. Die Säcke sind zum Teil richtig schwer und auch die sandigen Kästen lassen sich nur mit vereinten Kräften nach oben wuchten.
Aber irgendwie gehört das alles zu einer normalen Busfahrt. Auch dass beim einsetzenden Starkregen, gerade als alles punktgenau am dem Dach verstaut ist, die Fenster großzügig Wasser durchlassen, erzeugt zwar keine Begeisterung aber auch keine Überraschung bei den Insassen!
Ich lächle und puhle mir den restlichen Sand aus den Zähnen. Endlich wieder richtiges Erlebnisbusfahren!
Frau mit Obststand am Straßenrand „Könnt ihr mich grad mal mitnehmen…?“
Kleiner Grenzverkehr, Teil 2
Kleiner Grenzverkehr, Teil 2
Man darf das jetzt nicht so formulieren, dass ich Schwierigkeiten bei der Einreise nach Paraguay gehabt hätte. Es verhält sich eher so, dass ich Schwierigkeiten bei der Ausreise aus Brasilien gehabt hatte.
Mein Weg führte mich nach meinem Pantanal-Aufenthalt und meinem Start ins Neue Jahr in Bonito am 2.Januar nach Bela Vista, dem nächsten Grenzort. Es handelt sich um einen kleinen Grenzübergang. Also hatte ich mich vorher bei Leuten in Bonito als auch im Internet erkundigt, ob ich dort auch die Grenze passieren konnte. Da kann man sich ja nie richtig sicher sein. Ich bestieg meinen Bus um 8:00, musste noch einmal nach 2 Stunden Wartezeit in Jardím umsteigen und war dann gegen 13 Uhr in Bela Vista angekommen.
Ich wollte mich nicht lange aufhalten, sondern schnappte mir ein Taxi und versuchte dem Fahrer mit meinen begrenzten, zu 104% auf dem Spanischen beruhenden Portugiesisch-Kenntnissen klarzumachen, dass ich an die Grenze wollte. Der nickte das überzeugend ab und wir fuhren los. Als wir nach einer Weile ein verdächtig nach einem Grenzgebäude aussehendes Grenzgebäude passierten, fragte ich vorsichtig, ob hier die nicht vielleicht die Grenze sei. Ich wiederholte mehrfach das Wort „sello“, was zumindest im Spanischen Stempel bedeutet. Er sagte Jaja und fuhr weiter über eine Brücke. Aha! Drei Minuten später hielten wir in einer Einkaufstraße eines kleinen Ortes auf der paraguayischen Seite direkt vor einer Geldwechselstube. Stolz lächelte mich mein Fahrer an. Ich erklärte ihm, dass ich einen Stempel für meinen Reisepass bräuchte, weil ich sonst später Probleme bekommen könnte, zum Beispiel bei der Ausreise. Jetzt machte sein Gesicht Aha!
Zwei Minuten später hielten wir vor einem kleinen Gebäude am Straßenrand, noch auf der Seite Paraguays. Ich versuchte einen vorsichtigen Einwand „Sello de Saida“, was Ausreisestempel auf Portunhol heißt, so wird das Sprachgemisch aus Portugiesisch und Spanisch hier liebevoll genannt. Mein Taxifahrer war aber schon halb im Gebäude. Na gut! Ich folgte und durfte endlich mal wieder guten Gewissens jemanden auf Spanisch anreden. Der Grenzbeamte bestätigte mir, dass ich hier meinen Einreisestempel bekommen könnte. Ja, schön, aber ich bräuchte ja noch einen Ausreisestempel Brasiliens, nicht wahr? Ja, aber den gebe es auf der anderen Seite nicht, war die Antwort. Bitte was? Dafür müsse ich nach Ponta Pora. Das ist der nächste Grenzübergang zwei Busstunden weiter südlich. Ja wie, Moment, noch mal zum Mitdenken und Nachvollziehen. Auf der einen Seite der Grenze gibt es Stempel und bei den Kollegen von anderen Seite gibt es keine? Ja, das habe ich richtig verstanden und schön zusammengefasst.
Ich hatte vorher schon gelesen und gehört, dass die Brasilianer an der Grenze wenig Spaß verstehen, wenn ein Stempel fehlen würde. Und hier war ihnen plötzlich alles egal…? Da ich aber die Absicht hatte, in ein paar Tagen wieder nach Brasilien einzureisen und zwar nicht über diesen putzigen Grenzübergang, würde der fehlende Ausreisestempel unter Umständen Scherereien bedeuten. Auch diese Vermutung konnte mir der paraguayische Grenzer bestätigen. Ich müsse, um meine Papiere in Ordnung zu halten, über Ponta Pora einreisen.
Und so kutschierte mich mein Taxifahrer nach einem Kurzaufenthalt auf paraguayischem Boden wieder zurück zum Busterminal nach Bela Vista, wo ich, um den Tag perfekt zu machen, für heute kein Busticket mehr nach Ponta Pora bekam, sondern nur für den nächsten Morgen um 6.
Sollte ich erwähnen, dass mir der Wirt meiner letzten Pousada empfohlen hatte, direkt nach Ponta Pora zu fahren, und ich am Vortag bestimmt auch noch ein Busticket bekommen hätte? Tja, da will man mal die eingetrampelten Pfade des Grenzverkehrs verlassen und schon strandet man im Grenznirgendwo zwischen Brasilien und Paraguay.
Zumindest sind hier die Pousadapreise niedriger als in Bonito. Und mal schauen, was man hier zu essen bekommt. Außerdem, Herr Boe, Abenteuer buchen und wenn’s dann eintritt, den Veranstalter verklagen, das passt auch nicht zusammen! (ja, ich bin ja schon ruhig…)
Nächster Tag: Die blöden Hähne hatten bereits die blöden Hunde geweckt, sodass sie mich auf meinem frühmorgendlichen Weg (5:30) zum Rodoviario (übertrieben kompliziertes Wort für Terminal) ordentlich verbellen durften. Hoffentlich wurden deren blöden Besitzer dadurch auch geweckt.
Drei Stunden später war ich in Ponta Pora, dem Grenzort, der funktionieren sollte. Ich fand das hervorragend versteckte Migracion-Gebäude und landete in einer langen, langsamen Schlange, die sich nach einer halben Stunde des Wartens auch noch als die falsche Schlange herausstellte. Sehen wir das mal positiv: Die andere war wesentlich kürzer. Wir lernen: Nachfragen hilft nicht immer. Nur mehrmaliges Nachfragen!
Nach meinem „Saida“-Stempel nahm ich mir ein Taxi, um das gleiche Spektakel bei den Paraguayos durchzuführen, was zum Glück viel schneller ging. Auf dem Weg zum Terminal kamen wir sogar noch an einer Wechselstube vorbei.
Die Grenze zwischen Brasilien und Paraguay ist einfach ein Grünstreifen, der zwischen zwei Straßen verläuft. Wenn man das nicht weiß, würde das niemand merken. Die Stadt (oder die beiden, Ponta Pora und Pedro Juan Caballero) sitzt also mitten auf der Grenze. Man kann also unkontrolliert drüberfahren, -gehen und theoretisch auch drüberpinkeln.
Aber wehe du hast keinen Stempel! Dann musst du ohne abzuschütteln zurück!

