ecuador
Postkartentraum(a)
Postkartentraum(a)
Neulich bekam ich die brüderliche Aufforderung, meinen Onkelpflichten doch bitte nachzukommen. Moritz würde sich so sehr über Postkarten freuen! – Wer schon mal in Venezuela oder Kolumbien versucht hat, Postkarten zu verschicken, der weiß: Klingt einfach, ist es aber nicht! Der Traum von der Postkarte wird schnell zum Trauma!
In Popayán hatte ich eine wichtige Hausaufgabe zu erledigen: Meine Meldung zur Rückführung in den Schuldienst, mein Resozialisierungsprogramm also. Online hatte ich das schon aus Bogotá erledigt. Aber der bürokratische Verwaltungsapparat braucht zwanghaft etwas zum Abheften! Also musste ich das ganze in Papierform nach Deutschland schicken und in Popayán fand einen entzückenden, zentral gelegenen internationalen Postservice, bei dem ich meine Dokumente problemlos abschicken konnte. (Ja, problemlos! Während der 100$-Klebstoff noch immer nicht wegen Adressschwierigkeiten in Mérida/Venezuela angekommen ist. Aber ich rege mich gar nicht mehr auf!)
Den Umschlag hatte ich in der einen Block entfernten Universitäts-Papeleria gefunden. Heute war alles einfach und langweilig!
Da das so prima geklappt hatte, wurde ich natürlich sofort übermütig und beschloss (Onkelpflichterfüllung!), mich auf Postkartensuche zu machen. Die meisten verdächtigen Läden hatten zwar nichts, aber dann bekam ich in meinem Hostel einen sicheren Tipp: Denn ja verdammt, es gäbe diesen einen total verrückten Laden, in dem so krasse Sachen wie Postkarten gehandelt würden. Wahrscheinlich ein ehemaliger Drogenkartellanaußendienstangestellter, der einen neuen Kick brauchte!
Und tatsächlich gab es dort Postkarten. Mir wurde ein ganzer Stapel gereicht und ich konnte zwischen Karten von Popayán mit Kirchen und mit Karten von Popayán mit anderen Kirchen auswählen. Genau das richtige Motiv also für einen 5jährigen! Ich entschied, Moritz keine Kirchenporträts zu schicken, dafür meine Schule damit zu beglücken (1x Kollegium, 1x SMV). Kurz danach stand ich wieder vorm Postbeamten meines Vertrauens, aber nein, Postkarten könnten sie nicht verschicken. Aha! Warum? – Nein! Ach so! – Aber die Papeleria war nah. Ich erstand einen weiteren Umschlag, steckte die Karten hinein und verschickte sie eben als Brief. Wenigstens das ging ja heute prächtig.
Zurück im Hostel offenbarte ich meinem Bruder meine gespaltene Einstellung zu Kirchenkarten für Kinder. Aber er versicherte mir, wie sehr sich der Kleine freuen würde. Zumal er in einem katholischen Kindergarten war und da würde eine Kirche mehr oder weniger auch nichts kaputt machen.
Gut! Ich sprintete los: eine Karte, einen Umschlag und ab dafür. Guter, braver Onkel! – Immerhin wusste ich jetzt, warum es keine Postkarten zu kaufen gab. Weil man sie nicht verschicken kann. Auch mal eine gute Erklärung!
Mein erster Tag in Ecuador: Ich gehe von meinem Hostel um eine (1) Ecke und laufe in ein Geschäft mit Auswahl (!) an Postkarten und es gibt in gleichen (!) Laden Briefmarken dazu. Krasse Idee eigentlich! Die Frau sagt mir, um’s wirklich zu übertreiben, dass ich die beschriebene Karte sogar bei ihr abgeben kann. Ich falle in Ohnmacht.
Nach erfolgreichem Mützenkauf auf dem berühmt-berüchtigten Markt von Otavalo, verliere ich beinahe erneut das Bewusstsein, als ich gegen einen öffentlichen Briefkasten laufe. So etwas habe ich ja noch nie gesehen? Was ist denn heute los? Ach richtig, ich bin in Ecuador!
Jetzt müsste ich eigentlich täglich Postkarten schreiben! Aber nur an wen…? Hab gar keine Adressen dabei! Okay, die erste eingehende Adresse bekommt eine Postkarte aus Ecuador!
Fundstück – Danke für die schlauen Ratschläge
Fundstücke in Fernwest – Danke für die schlauen Ratschläge!
So! Dann bin ich nun in Ecuador, sitze im Bus auf dem Weg von Ibarra nach Otavalo und in meinen Händen meine erste ecuadorianische Zeitung. Und dann darf ich das lesen: „No deje que su bocaza arruine el momento. En boca cerrada no entran boscas.“ Selbst schuld! Was lese ich auch mein Horoskop. Aber es kann doch echt nicht sein, dass man einmal in drei Monaten sein Horoskop liest und dann wird mir gesagt: „Lass dein großes Mundwerk nicht den Moment ruinieren. In einen geschlossenen Mund fliegen keine Fliegen!“ Was erlaubt sich diese Zeitung?! Und woher kennt die mich so gut?
Diese merkwürdigen Zufälle häufen sich. In Palomino, in Kolumbien, habe ich in meiner Unterkunft ein ziemlich ramponiertes Buch gefunden. Dort befand sich, um es genau zu sagen, auch genau ein (1!), nämlich dieses Buch. Es hörte auf den Namen „No es cuestion de leche, es cuestion de actitud!“ Zu deutsch: „Es ist nicht eine Frage der Milch (hier: des Glück), sondern eine Frage der Einstellung!“ Ich habe das Vorwort gelesen und durfte feststellen, dass das Buch von mir handelt. Geschrieben von einem venezolanischen Psychologen und es geht um die richtige Einstellung Entscheidungen gegenüber. Und das ist (vielleicht nicht allen bekannt) meine ganz große Stärke! Also wenn ich eines kann, also nicht kann, aber so richtig, dann Entscheidungen treffen! Seitdem begleitet mich dieses Buch auf meiner Reise und darf mir kluge Ratschläge geben.
Und als wäre das nicht genug der Zufälle, stand in Bogotá in dem bisher einzigen Glückskeks ganz Südamerikas (also meiner ganzen Reise) folgender hilfreicher Spruch: „Las decisiones de hoy son los hechos del mañana!“ Also ungefähr: „Die Entscheidungen von heute sind das Geschehen von morgen!“
Ja, irgendwann reicht’s doch wirklich oder? Was kommt denn als nächstes…?



