Busfahrgeschichten

Grüße direkt aus der Pur-Pfeife

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Grüße direkt aus der Pur-Pfeife

Was bleibt nach zehn Monaten Reisen übrig? Was war schlimm? Was war noch schlimmer?
Ich wurde doch tatsächlich zwischenzeitlich aufgefordert, bitte mehr Busfahrgeschichten zu erzählen. Weil die so schön schrecklich waren. Verstehe! Katastrophen ziehen eben mehr als die Berichterstattung von idyllischen Strandtagen. Laaangweilig! Aber dass ich gar nicht mehr übers Busfahren berichtet habe, lag nicht daran, dass ich die Missgeschicke nicht mehr preisgeben wollte, sondern dass dies in Ländern wie Brasilien, Uruguay, Argentinien und Chile einfach verdammt langweilig war und es keinen Anlass zum Klagen und Berichten mehr gab.
Was bleibt also im Rückspiegel der schlimmen Reiseerfahrungen? – Und tatsächlich gibt es noch etwas Unerzähltes, das es locker mit Busfahrten aus Venezuela, Bolivien, Guatemala oder auch Asien aufnehmen kann.
So handelt mein persönlicher Supertrumpf der Reisescheußlichkeiten von einer Fahrt vor fast 20 Jahren zum Skifahren. Mein Studienkollege O.K. hatte etwas klargemacht. Seine Schwester und ihr Freund hatten eine Pension im Allgäu gebucht und darin waren noch zwei Plätze frei. Die fünf Stunden Fahrt konnten ja wohl nicht sooo schlimm werden. Dachte ich, und denkt wohl jeder. Allerdings hatten sich meine drei Mitfahrer wohl per Geheimsprache darauf geeinigt, die gesamte Fahrt über abwechselnd zu rauchen. Und ganz offenkundig hatten sie dafür auch ausreichend Rauchwaren an Bord, sodass es zu keinen peinlichen Rauchpausen kommen konnte. Da es draußen arschkalt war, blieben die Fenster geschlossen und wurden nur ganz kurz geöffnet, wenn der Fahrer absolut gar nichts mehr sehen konnte. Rein rauchtechnisch hielt ich es für etwas übertrieben, noch ständig weiterzurauchen. Ein Durchschnittsraucher hätte sich, meines Erachtens, locker ein Woche lang vom wabernden Restqualm ernähren können. Und viel mehr Rauch passte rein physikalisch gar nicht mehr ins Auto. Aber was wissen wir rücksichtslose Nichtraucher schon von den Rauchbedürfnissen eines Abhängigen?!
Als wäre das nicht schon schrecklich genug gewesen (für einen Nichtraucher), lief die gesamte Fahrt über „Pur“. Für diejenigen, die Pur nicht kennen: danket Gott! Ich kann Euch die durchlebten Qualen nicht adäquat beschreiben. Alle anderen müssten eigentlich Bescheid wissen. Ein toleranter, geduldiger Mensch mit halbwegs normalem Musikgeschmack und ohne masochistische Züge erträgt nüchtern knapp ein Lied. Und ich bin weder geduldig noch sonderlich tolerant. Zwei Lieder ergeben bereits einen Wert von „1“ auf der „Pur-Leidensskala“. Ab diesem Wert kann es zu nachhaltigen, persönlichkeitsverändernden Störungen kommen. US-amerikanische Folterexperten geben an, dass eine „2“ auf der Pur-Leidensskala schon fast einem „halbem Waterboarding“ entspricht.
Psychologen hingegen wissen, dass die durch den Pur-Konsum auftretenden Verhaltensstörungen letztlich ein Schutzmechanismus für das Kindheits-Ich sind, um dies vor langfristigen Verletzungen zu bewahren…
Wie auch immer…! Ich empfand, dass längst (ähnlich wie beim Zigarettenrauch) eine Sättigung eingetreten war. Mehr Pur passte einfach nicht in dieses Auto – und in mich auch nicht! Womit ich auch der Frage näherkam, denn der Wert 1 auf der Pur-Leidensskala war bereits um ein Vielfaches überschritten: Was kommt eigentlich nach dem Wahnsinn…?! Die Antwort ist enttäuschend banal: Denn hinter dem Wahnsinn ist einfach nur noch mehr Wahnsinn. Die Hoffnung, dass hinter dem Wahnsinn ein neuer schöner Tag mit Nutella beschmierten Bananenpfannkuchen lauert, ist nur dann berechtigt, wenn man tatsächlich vollkommen ballaballa geworden ist.
Im Übrigen leide ich noch heute an den Folgen dieses multiplen Desensibilisierungsattentats. Ich ertappe mich gelegentlich noch dabei, wie ich, wie ferngesteuert, Pur-Texte fehlerfrei mitspreche, wenn von irgendwo eins ihrer Lied erklingt, und dabei gleichzeitig einen Hustenanfall bekomme. Auch mein Atem, meine Haare und meine Kleidung riechen dann noch tagelang nach Rauch.

Und ist das nicht schrecklich…?! Solche Folgeerscheinungen habe ich sonst von keiner noch so missglückten Busfahrt bei meinen Reisen davongetragen.

Gut… Vallenato spielt natürlich in einer ähnlichen Liga wie Pur!

(Vgl.: https://tommiboe.wordpress.com/2013/08/27/busfahrt-mit-vallenato)

Weitere „Spaß im Bus“-Geschichten unter: https://tommiboe.com/category/spas-im-bus/

Busfahren in Bolivien

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Busfahren in Bolivien

Liebe Freund*innen des Busfahrens und der Busfahrgeschichten, freut Euch, denn ich befinde mich wieder in würdigen Landen: Bolivien! Die Rubrik „Spaß im Bus!“ lebt wieder!
Nachdem ich mich in den vergangenen Monaten in recht gut entwickelten Ländern aufgehalten und fortbewegt habe (Chile, Argentinien, Uruguay, Brasilien) und auch das Busfahren dementsprechend professionell und langweilig war, bin ich nun im Armenhaus Südamerikas gelandet. Das Wohlstandsgefälle ist offensichtlich und spiegelt sich auch in den Bussen wider.
Der „Terminal“ in Uyuni ist einfach ein dreckiger Straßenzug mit düsteren Verkaufsläden der unterschiedlichen Busunternehmen, vor denen dann die Busse anhalten.
Mein Bus von Uyuni nach Tupiza soll um 6 Uhr morgens losfahren. Ich gehe durch die dunkle, tote und kalte Stadt: -3°C. Das kann schon mal passieren in 3600 Metern Höhe. Dementsprechend stehen und sitzen die Bolivianos in unzählige Decken eingewickelt vorm Bus. Mein Bus sieht ein wenig „gebraucht“ aus, auch wenn die Aufschrift auf der Seite „gran lujo“, was „großer Luxus“ heißt, etwas ganz anderes verspricht. Aber vielleicht bedeutet dies in Bolivien einfach etwas anderes. Das kommt häufig in den Ländern hier vor, dass sich die Bedeutung von Worten ändert oder auch ganz andere benutzt werden. Vielleicht steht „lujo“ in Bolivien für „Mittelmäßigkeit“. Andererseits habe ich natürlich auch noch nicht die anderen Busse gesehen. Und weiß gar nicht, was mich sonst noch erwartet.
Es dauert bis alle mit allem im Bus sind und sich und ihr ganzes Zeugs verstaut haben. Es gibt zwar auch eine Ladeluke, aber eine alte bolivianische Tradition besagt, dass es auf Busfahrten Glück bringt, all seinen Kram auf dem Schoß oder zwischen den Füßen zu haben. Die Frau neben mir wickelt sich in so viele Decken ein, dass ich auch mit davon warm werde. Unter die oberste Decke darf ich sogar mit unter kommen. Nett!
Die Fahrt geht mit halbstündiger Verspätung los. Aber seien wir nicht kleinlich. Ärgerlicher hingegen, dass die mir voraussagte Fahrtzeit von fünf Stunden schon allein deshalb nicht hinhauen kann, weil ich in Atocha den Bus wechseln muss, was eineinhalb Stunden Wartezeit bedeutet. So werden es letztlich acht Stunden. Aber nicht meckern, Freundchen. Denn die Landschaft kann einiges! Der Altiplano ist wirklich ganz großes Kino!
Was ist noch anders in Bolivien?
Man trägt wieder Kind. Es ist in der Tat auffallend, wie viele Kinder mit an Bord sind. Immer wieder höre ich begeisterte Kinderstimmen „Llamas!“ Und in der Tat „säumen“ Lamas die Strecke.
Lustig, dass, obwohl ich der Dame am Schalter meinen Namen aufschreibe, auf meinem Ticket der Name „Turist“ landet. Auch schön die Verfolgungsszene am „Terminal“ in Atocha, wo ein Hund ein Schwein über den Platz treibt! – Nicht so schön hingegen das Klappern der Fenster auf der Schotterpiste. Mir ist teilweise nicht klar, ob das Klappern nicht direkt in meinem Kopf stattfindet.
Aber, wie ihr seht, es gibt endlich wieder etwas übers Busfahren zu berichten. Und ich bin ja noch ein bisschen in Bolivien…!

Altiplano mit Lamas
Altiplano mit Lamas – großartige Landschaft mit kuscheligen Fellanteilen!