Identitätsbetrug
Fundstück – Identitätsbetrug in Sa Pa
Oder: „Funniest Grab Driver of the Day“
In Hanoi hatte ich schon an meinem zweiten Tag gelernt, wie hilfreich die Grab-App ist, mit der man sich – ähnlich wie Uber – Taxis und Motorrad-Taxis bestellen und auch gleich bezahlen kann. Also kein Geschiss mit anschließendem Verhandeln, kaputten Taxametern, fehlendem Wechselgeld. Außerdem keine Wartezeiten. Das alles klappte bisher immer problemlos und unfallfrei. Heute indes…!
Als ich heute früh zu meiner Hikingtour aufgebrochen bin, musste ich schon feststellen, dass mich die App nicht erfolgreich an Motorräder vermitteln konnte. Es konnte gar kein Motorrad gefunden werden. Hmmm…? Also bestellte ich mir ein Auto über die App, was dann auch funktionierte und etwa das Doppelte (von 1€) kostete. Kein Grund zu klagen! Als ich in Sa Pa das Zentrum erreichte, staunte ich allerdings über die vielen Motorräder mit Grab-Fahrern, die nutz- und beschäftigungslos an ihren Motos rumlümmelten und unschuldige Passant:innen belästigten, während sie mich nicht abholen wollten. Skandal! Wie soll ich so etwas nicht persönlich nehmen?
Meine Recherche ergab: klarer Fall von Identitätsbetrug. Jene Fahrer waren gar keine lizensierten Grab-Driver, sondern hatten sich einfach mit den signifikanten grünen Grab-Jacken bestückt und knatterten fortan unter falscher Flagge.
Nach meiner Wanderung wollte ich aus der Stadt zurück zu meinem Homestay und wurde direkt von einem jungen Fahrer angesprochen. Ich sagte ihm meinen Zielort, den er nicht kannte, und zeigte ihm auf Google-Maps den Weg, da er kein eigenes Handy hatte. Das ging ja schon mal gut los! Damit waren eigentlich auch Entfernung und Fahrzeit klar. 30000 Dong (1€), sagte er, was auch in etwa dem Grab-Preis entsprach. Also los! Ich hüpfte hinten drauf und schon an der ersten Kreuzung wollte er falsch abbiegen. Ich rief „No, no!“ und zeigte in die richtige Richtung – an der nächsten Kreuzung das gleiche Spiel noch mal. Kurz danach hielt er an und fragte mich, ob wir jetzt da seien. Wir waren gerade losgefahren und die angezeigte Fahrzeit war 12 Minuten. Dein Ernst…?! Er hatte absolut überhaupt keine Ahnung, wo ich hinwollte! Immerhin lachte er die ganze Zeit auf eine herrlich fröhlich-naive Weise, sodass ich ihm seine Unfähigkeit kaum übelnehmen konnte. Ich holte also wieder mein Handy raus und navigierte uns zu meiner Bleibe. Er wollte kaum glauben, dass wir nicht längst angekommen seien. Also zählte ich laut den Countdown mit: „Seven minutes to go!“ und so weiter. Worauf er jedes Mal fröhlich lachte.
Worüber er lachte? Über sich und seine eigene Unfähigkeit? Über mich und meinen Humor, mit dem ich die Situation meisterte, ja, rettete? Über seinen glorreichen Beginn in der Taxibranche? Über das Leben im allgemeinen, wie herrlich und verrückt es doch sein konnte und die goldenen Momente, die man pflücken musste, wenn sie einem begegneten? Oder über das Trinkgeld, das ich ihm trotzdem gab?
Wer Weiß? Alles ist möglich. Ich selbst war nach der Fahrt jedenfalls viel fröhlicher gestimmt, als ich es nach einer normalen Grab-Fahrt ohne Identitätsbetrug gewesen wäre.
